Joachim Distel | Tübingen, den 31.01.97 |
Internet und andere Kommunikationsnetze -
ein rechtsfreier Raum?
zum Thema
Das globale Dorf - Fortfall der Staatsgrenzen
bei
Prof. H. Ketz
und
RAss. M. Gerblinger
WS 1996/97
von
Joachim Distel
Joachim.Distel@jura.uni-tuebingen.de(Joachim.Distel@jura.uni-tuebingen.de)
Tübingen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
8. Literatur
Ein solches - nahezu philosophisches - Thema kann im Rahmen eines
solchen Seminars nur angeschnitten und in einigen Einzelpunkten,
die gleichwohl zu Erhellung der verschiedenen Möglichkeiten
und Auswirkungen dieser Entwicklung beitragen möchten, diskutiert
werden.
Ziel ist es, die "zusammenrückende" Welt im Ist-Zustand
zu skizzieren, den vielleicht wünschenswerten Soll-Zustand
aufzuzeigen, aber auch die tatsächliche Entwicklung in Folge
dieser technischen Revolution im Hinblick auf die rechtlichen
Auswirkungen zu untersuchen, insbesondere auch die Möglichkeiten
einer weltweiten Kooperation von juristischen Tätigkeiten
in diese Diskussion aufzunehmen, um einen Eindruck vermitteln
zu können, in welchem Rahmen sich der Jurist der Zukunft
bewegen könnte und wie er dann zu charakterisieren sein wird:
- international,
- vernetzt,
- kooperativ etc.
Auch eine Betrachtung der Schwächung der Staatsgrenzen soll
stattfinden, die sich durch diese neuen technischen Möglichkeiten
eher beschleunigen als verlangsamen wird.
Ebenso wird eine wertende Betrachtung durchgeführt, in der
gezeigt werden soll, daß eine solche Schwächung der
Staatsgrenzen, unterschiedliche einzelstaatliche Auswirkungen
haben kann, die das aktuelle politische Kräfteverhältnis
und das technologische Potential zugunsten der industriellen Staaten
auf Grund der technologischen Überlegenheit bestätigen
wird.
Zum Ende wird anhand einer zur Zeit noch hypothetischen Fragestellung
versucht, eine einem "Dorfrat" entsprechende zentrale
Justiz aus technischer Sicht anzudenken, die auf Grund dieser
vernetzten Erde in der Lage sein könnte, die entstehenden
Rechtsstreitigkeiten in einem rechtsstaatlichen Verfahren global
zu entscheiden.
Unter diesem Gesichtspunkt werden einzelne Gesetzesvorhaben ansatzweise
erörtert und hauptsächlich darauf untersucht, wie eine
Vereinheitlichung im Hinblick auf eine zusammenrückende Welt
erreicht werden kann.
Zunächst stellt sich die Frage in welchen gesetzlichen Rahmen
diese zur Diskussion stehende Globalisierung zu stellen ist, beziehungsweise
ob es überhaupt einer globalisierten rechtlichen Bewertung
bedarf.
Festzuhalten ist, daß in großem Umfange versucht wird
Gesetzesprojekte zu realisieren und Konventionen anzustrengen,
um dieser Internationalisierung gerecht werden zu können,
indem diese einen internationalen Ansatz haben.
Hierin wird allgemein der Königsweg zu einer rechtlichen
Kontrolle des Internets gesehen.
Dies zum Beispiel über Richtlinien der europäischen
Union, beziehungsweise über multilaterale Abkommen, da man
mittlerweile zur Einsicht gekommen ist, daß ausschließlich
nationale Regelungen wenig erfolgversprechend sind.
Hier können als Beispiele genannt werden:
Die Datenschutzrichtlinie der europäischen Union
1
, die einen
Teil-bereich der durch das Internet betroffenen Datenübertragung,
in einem größeren Rahmen regelt, als das einzelstaatliche
Gesetze zur Durchsetzung des Datenschutzes könnten
2
Hierbei ist aber auch exemplarisch festzustellen wie kompliziert
es in einem übernationalen Rahmen ist, Gesetzeswerke zu beschließen,
die von den beteiligten Staaten auch mitgetragen werden.
Wie bei dieser Richtlinie ersichtlich, so ist es auch in Zukunft
absehbar, daß in diesen Bereichen Regelungswerke auch in
starkem Maße von Kompromissen und politischem Opportunismus
geprägt sein werden, die einer Schärfe dieser Regelungen
nur bedingt nützen.
Wie in dieser in einzelstaatliches Recht umzusetzenden Datenschutzrichtlinie
festgestellt werden kann, ist auch beispielsweise im Strafrecht
eine Vereinheitlichung nur mit dem Hindernis der Aufgabe nationaler
Souveränität zu erreichen, was zudem zumindest im innereuropäischen
Vergleich deswegen erschwert ist, da dieses Rechtsgebiet aus den
Vertragsregelungen des primären Gemeinschaftsrechtes ausgenommen
ist
3
.
Aber auch bei den technischen Regelungswerken, die sich unter
anderem mit der Normierung der eingesetzten Mittel beschäftigen,
ist ein der deutschen DIN-Norm vergleichbares Rechtsinstitut nicht
gegeben.
Fraglich erscheint hier auch, ob in diesem Netz nicht ein "Faustrecht"
in dem Sinne sich durchsetzt, daß eben das Recht des Meistbenutzten
sich behauptet, also daß die Faktizität zum Recht wird,
auch wenn dies, je nach Betrachtungsweise, mit negativen Auswirkungen
verbunden sein kann.
Als zur Zeit noch hypothetisches Beispiel ließen sich hierfür
Browser anführen, die nur nach Identifizierung eine Benutzung
zuließen, wenn diese zum Standard würden, so daß
weltweite Informationen in weiten Bereichen nur mit einem solchem
abgefragt werden könnten, wenn dessen Standard sich durchgesetzt
hätte.
Als Beispiel für eine einheitliche Benutzungsweise können
aber auch sogenannte trojanische Cookies angeführt werden,
die es Servern ermöglichen eine Textdatei auf der Festplatte
abzulegen, so daß bei nachmaligem Besuchen der entsprechenden
Webseite, der Benutzer identifiziert werden kann, so daß
zumindest ein gewisses Nutzerprofil entsteht.
In diesem noch sehr unklaren Bereich ist aber schon zu bemerken,
daß eine nahezu vollständige Abhängigkeit von
Browsern besteht, die entweder solche trojanischen Cookies bemerken
können oder nicht
4
. Dies ist eine weitere Abhängigkeit
von den Marktführern, die im schlimmsten Fall ein unbegrenzt
speicherbares Benutzerprofil ermöglichen, das mit Hilfe der
E-Mail-Adressen auch personalisiert werden kann.
Dies ist vor allem problematisch, da so die Netzbenutzung nachvollzogen
werden kann, da in weiten Teilen dem Netzbenutzer es nicht bekannt
ist, welche Gefahren hiermit verbunden sind.
Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie in einer Computerzeitschrift
vermutet - es wirklich Tarnfirmen des amerikanischen Geheimdienstes
CIA sind, die von anderen Servern abgelegte Cookies lesen können
5
Es ist jedenfalls festzustellen, daß hierdurch eine Einschränkung
der Freiheit der Netzbenutzer einhergeht, die mit der Abhängigkeit
von gelieferten Programmen zusammenhängt
6
Hier schließt sich ein kartellrechtliches Problem an, wenn
eine Benutzung durch faktisch eingeschränkte Benutzung eines
Systems nur durch einen Anbieter gewährleistet würde.
Hinsichtlich dieser kartellrechtlichen Probleme ist eine gesetzliche,
internationale Normierung noch nicht angedacht, die sich aber
zunächst auch schwerlich durchsetzen ließe, da die
Globalisierung dazu führt, daß eine kartellrechtlich
angreifbare Rechtsposition durch eine Verlagerung in nicht am
Abkommen beteiligte Drittstaaten diese tatsächliche Hilflosigkeit
offenbar würde.
Bei diesen aufskizzierten Problemen ist allerdings auch zu beachten,
daß auf einzelstaatlicher Basis theoretisch
- durch eine Kappung der Leitungen,
- durch eine Bestrafung der Benutzer,
- durch eine Bestrafung der Provider,
- durch eine Art Gefährdungshaftung dessen, der für
den Server verantwortlich ist
7
- durch eine mögliche Untersagung dieser Programme
etc.
Möglichkeiten bestünden, ausweichende Positionen einzunehmen.
Dies ist allerdings auf Grund einer nicht erstrebten Abkoppelung
des nationalen Bereiches, der oftmals als Wirtschaftsstandort
wie auch als Markt interessant ist, mit zahlreichen Problemen
verbunden:
- Problem der Abkoppelung des Marktes
- Problem der Bestrafung des Nichttäters
- Problem des Eingriffs in fremde Hoheitsbereiche, wenn Maßnahmen
Auswirkungen über das eigene Territorium hinaus erzeugen.
Deshalb empfiehlt es sich zu untersuchen, welchen Sinn einheitliche,
internationale Standards haben können:
Für ein einheitliches Internet-Computerstrafrecht spräche
zunächst eine Einheitlichkeit des Verhaltens der Beteiligten.
Bei dieser Thematik stellt sich auch die Frage des tatsächlichen
Elementes, ob es denn überhaupt zu einer Vereinheitlichung
kommen muß, beziehungsweise ob eine solche Vereinheitlichung
wünschens-wert ist, da es selbstverständlich im "normalen"
Strafrecht so ist, daß es oft die nationalen Besonderheiten
sind, die eine strafrechtliche Sanktionierung begründen.
Hier ist zu sehen, daß verschiedene nationale Regelungen
es nicht ausschließen ein und dasselbe Verhalten sehr unterschiedlich
zu bewerten.
Es wäre hier sinn- und systemwidrig, wenn mit dem Aufkommen
des Internets bisher unterschiedlich beurteiltes Verhalten einheitlich
sanktioniert werden müßte.
Es muß vielmehr angestrebt sein, daß lediglich ein
vereinbartes Mindestverhalten durch Sanktionen erreicht wird,
um diese Freiheit und das Recht der einzelnen Staaten die eigenen
Sanktions-bedürfnisse zu definieren erst zu ermöglichen.
Es wäre mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar, daß
von einem Punkt des Netzes Handlungen vorgenommen werden könnten,
die diese Sanktionierungsfreiheit der einzelstaatlichen Handlungsberechtigten
ad absurdum führen könnten.
Dies ist aber zur Zeit nicht zu verhindern, da es momentan einheitliche
Mindeststandards nicht gibt.
Somit bestehen für die einzelnen Staaten de facto nur die
oben aufgezählten Handlungsmöglichkeiten, die Mindeststandards
in multilateralen Abkommen zu einem Gesamtmindeststandard machen
zu können, damit die eben beschriebene einzelstaatliche Sanktionsmöglichkeit
erhalten bleiben kann.
Da es aber auf absehbare Zeit nicht gelingen kann, alle Beteiligten
in diese umfassenden Mindeststandards einzubinden, ist somit eine
größtmögliche Beteiligung von Staaten zu suchen,
um die Grundvoraussetzungen zu schaffen, um beispielsweise
- Gewaltdarstellungen zu verbieten,
- den Einsatz von Killerviren in Cookies oder freeware-Programmen
8
- bestimmten für das Netz schädlichen Programmen zu
untersagen,
- sowie ein einheitlicheres Urheberrecht zu ermöglichen.
Eine solche Vereinbarung müßte zudem so angelegt sein,
daß sie dem Zutritt vieler weiterer Staaten offentsteht.
Dies wird sich allerdings auf Grund der konträren einzelstaatlichen
Vorstellungen zunächst in diffusen Absichtserklärungen
erschöpfen, die trotzdem einen ersten Schritt zu einer Standardisierung
darstellen, die in Zukunft - vielleicht wegen einer faktischen
Notwendigkeit - ausgebaut werden könnten. Daß solche
Überlegungen getan werden, zeigt sich in verschiedenen Initiativen
im Europarat, in der Europäischen Union sowie auf einzelstaatlicher
Ebene
9
So wurde jüngst in Stockholm in einer Konferenz zum Schutze
von Kindern in bezug auf Kinderpornographie Forderungen aufgestellt
und verabschiedet, sowie Erklärungen abgegeben, um auch die
Gefahren des Internets abzuwehren, indem sich die beteiligten
Staaten verpflichten, dieses oder jenes Treiben zu untersagen
beziehungsweise strafrechtlich zu ahnden
10
In bezug auf urheberrechtliche Regelungen ist insbesondere im
Internet ein großer Mißbrauch zu bemerken, der aber
ebenfalls darauf beruht, daß unterschiedliche rechtliche
Regelungen in diesem vom nationalen Einfluß weitgehend losgelösten
Netz vorhanden sind, die einer tatsächlichen Beachtung von
Urheberrechten alles andere als förderlich sind. So ist beispielsweise
das "Übernehmen" von fremden Icons beim Aufstellen
von Webseiten abhängig davon, wie oder ob diese urheberrechtlich
geschützt sind. Ebenso ist das eingescannte Bild aus einer
Zeitschrift, das in der eigenen Web-Seite verwendet wird, nicht
ohne Erlaubnis der betroffenen Person beziehungsweise der Bildagentur
möglich
11
. Diese Regelung gilt allerdings in Deutschland, was
aber nicht für andere Länder gelten muß. So sind
beispielsweise Gesetzestexte in angelsächsischen Ländern
oft urheberrechtlich geschützt, wohingegen in den kontinentaleuro-päischen
Ländern eine Reproduktion urheberrechtlich unproblema-tisch
ist, soweit die Gesetzesüberschriften amtlich sind und keine
Zusatzanmerkungen des herausgebenden Verlages vorhanden sind
12
Auch ist das Namensrecht zu beachten, da nicht ohne weiteres eine
"Coca-Cola"-Seite eingerichtet werden dürfte, mit
der womöglich noch für eigene Produkte geworben würde.
Dies ist zudem eine Ursache für die Auseinandersetzungen
zwischen den U.S.A. und China, da hier zwei völlig andere
Auffassungen von geistigem Eigentum vorliegen, die sich dann in
Gesetzen widerspiegeln. Wenn dann gegen diese Gesetze verstoßen
wird, werden nach den in den Gesetzen vorgegebenen Sanktionsmöglichkeiten
diese Verstöße geahndet oder - wie in China - auch
nicht. Dies ist zunehmend ein Problem, da es so ohne weiteres
möglich wird, in China "geknackte" Programme gefahrlos
via Internet "an den Mann" zu bringen und somit dann
noch eine geringe Gebühr zu verdienen.
So ist es beispielsweise möglich in China nach dortigen Gesetzen
legal Microsoft-Software zu erwerben, im Wert von einer halben
Million U.S.-Dollar, wobei der Kaufpreis dieser CD-Sammlung gegen
Rechnung nur bei 100 U.S.-Dollar liegt. Infolgedessen stimmt unter
Computerfreaks der bekannt gewordene Satz, daß China eine
Reise wert ist. Als weiteres geographisch näherliegendes
Beispiel für Unterschiede in den Auffassungen über Urheberrecht
kann auch die DDR genannt werden, in der Windows-Programme überhaupt
nicht dem Urheberrecht unterfielen.
Trotz des rechtmäßigen Erwerbs ist jedoch für
die Bundesrepublik das nationale Recht entscheidend, so daß
solche Programme - auch wenn der Kauf nach chinesischen Recht
nicht zu beanstanden ist - nicht legal benutzt werden dürfen.
Bei der Benutzung von solchen Raub-Programmen ist dann aber die
Gutgläubigkeit des Käufers zu prüfen, von der nicht
ausgegangen werden kann, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis
in einem krassen Mißverhältnis zu der tatsächlichen
Qualität des Produktes steht.
Daß mit den Raubkopien für Software-Produzenten zumindest
auf den ersten Blick ein immenser Schaden einhergeht, versteht
sich von selbst. Auf der anderen Seite haben wohl erst diese Raubkopien
zu einem solchen Computerboom geführt, von dem die Software-Produzenten
heute wiederum profitieren.
Dies zeigt sich auch immer wieder an der Beurteilung von Jugendlichen,
die Programme schwarz kopieren und deshalb in Konflikt mit dem
Gesetz kommen, und deren Vorgehensweise durch das Internet mittels
Tauschpartner erleichtert wird.
Dies stellt in Prozessen immer wieder ein Problem für die
richterliche Beurteilung dar, da infolge des Phänomens Computer
Legionen von Kindern und Jugendlichen sich "strafbar"
gemacht haben, was zu Forderungen in Deutschland führte,
diese in jugendlichen Kreisen vollauf akzeptierte Vorgehensweise,
dadurch zu entkriminalisieren, daß, ähnlich wie bei
zu privaten Zwecken genutzten Tonbandaufnahmen von Schallplatten,
ein solches Tun legalisiert wird.
So zeigt sich auch an diesem Punkt, daß nationale Alleingänge
immer neue Schlupflöcher auf der einen Seite schließen
und auf der anderen Seite öffnen.
Deshalb liegt nach wie vor auch beim Schutz des Urheberrechts
der Schwerpunkt auf nationalen Regelungen, um diese neuen Gefahren
und Handlungsmöglichkeiten bewältigen und sanktionieren
zu können
13
Auf die technischen Standards gilt das eben Ausgeführte in
ähnlichem Maße. Auch hier werden internationale Regelungen
sich in Absichtserklärungen verlieren oder könnten gar
fortschrittshemmend wirken, weshalb trotzdem die einzelstaatlichen
Normen im jeweiligen Einsatzgebiet Bestand und Wirksamkeit behalten
14
Deswegen ist auch im Falle einer angesprochenen kartellrechtlichen
Beurteilung eines Verhaltens eine nationale Regelung wegen fehlender
internationaler Standards im Sinne der Kartellgesetze, oder auf
die EU bezogen, im Sinne jener einschlägigen Normen, notwendig,
auch wenn die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme durch Ausweichen
geschmälert werden könnte.
Somit läßt sich zusammenfassend sagen, daß internationale
Abkommen mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wobei
jeder Schritt zu einer Vereinheitlichung im Hinblick auf zukünftige
Neuerungen einen Anfang darstellen kann.
Aber nicht zu sehen ist, daß beispielweise nur eine internationale
Sanktionsmöglichkeit einen wirksamen Schutz nationaler Normen
garantieren kann, was mit einem unterschiedlichen einzelstaatlichen
Schutz von vielen Rechtsgütern zu begründen ist
15
Deswegen ist an dieser Stelle zu resümieren, daß keineswegs
wegen einer Vernetzung im Rahmen des Strafrechts nur international
einheitliche Strafen einen Erfolg versprächen, da de facto
auch bisher eine solche Vereinheitlichung nicht stattfand, was
ganz überwiegend nicht als Problem gesehen wurde.
Somit läßt sich für die Gesetzesprojekte im Rahmen
der europäischen Union und für zukünftige internationale
Abkommen sagen, daß eine Vereinheitlichung zwar wünschenswert
wäre, daß diese aber auf Grund der bestehenden unterschiedlichen
Bewertungen nicht unter Aufgabe jeglicher eigener Grundsätze
erfolgen muß, mit der Folge, daß man dann den Abschluß
eines Abkommens mit einer verminderten einzelstaatlichen Wirksamkeit
seiner eigenen Auffassungen zu erkaufen hat.
Ebenso ist im Blick auf eine zukünftige technische Entwicklung
diese tatsächliche Unmöglichkeit zu beachten, daß
alle Nationen und sämtliche Interessen berücksichtigt
werden können.
Trotzdem wird in allen Bereichen in Zukunft ein möglichst
viele Teilnehmer umfassender Mindeststandard der richtige, weil
wohl auch einzige Weg sein, um wenigsten die rechtlichen Grenzen
der Benutzung verdeutlichen zu können, die durch die örtliche
Austauschbarkeit des Zugangs bedingt sind
16
Im Rahmen des Internets entwickelten sich in den letzten Jahren
zahlreiche Bereiche, die als Ziel hatten die technische Entwicklung
für juristische Zwecke zu nutzen.
Hauptsächlich sind hier Datenbanken zu nennen, die unter
anderem wegen der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit gegenüber
herkömm-lichen Bibliotheken den entscheidenden Vorteil der
verminderten Inanspruchnahme des Faktors Zeit haben, bei denen
also durch Suchbegriffe konkret geforscht werden kann. Dies ist
wie in vielen anderen Berufszweigen aber nur eine Hilfsmöglichkeit
der Technik.
Das Hauptaugenmerk soll sich hier auf Projekte konzentrieren,
die eben nicht nur durch solch einen Einsatz von Computern ermöglicht
sind, sondern die aufgrund der Vernetzung entstanden und von einem
starken Wachstum und den damit einhergehenden Veränderungen
geprägt sind.
Als interessantestes Beispiel lassen sich hier juristische Newsgroups
anführen, die zum Meinungsaustausch, zu Fragen und Antworten
genutzt werden
17
Es gibt hier zahlreiche spezialisierte Newsgroups, die aufgrund
ihrer Spezialisierung nur einem begrenzten Teil von Interessierten
zugänglich sind. Diese werden als Foren genutzt um fachspezifisch
ohne Einsatz von viel Material und Geld Informationen und Meinungen
auszutauschen
18
Dies ermöglicht beispielsweise im Bereich des Datenschutzes,
daß australische Wissenschaftler in einer Konferenzgroup
amerikanische Datenschutzrichtlinien diskutieren, beziehungsweise
eigene Thesen und Ansichten verbreiten.
Allerdings ist eine solche funktionierende juristische Newsgroup
nicht einfach zu "führen", da die Anonymität
des Beitrages, die auch durch vorherige Anmeldung nicht immer
beseitigt wird, erfahrungsgemäß nicht immer sinnvolle
Beiträge erbringt
19
Üblicherweise bieten Universitäten diesen Service an,
auch und vor allen Dingen um eigene Themen und Ansichten bekanntzumachen.
Hierbei ist bei den Rechtswissenschaften im Vergleich mit anderen
Wissenschaften ein gewisser Nachholbedarf festzustellen, dieses
globale Netz, dieses globale Frage- und Antwortspiel für
die eigene wissenschaftliche Entwicklung zu nutzen.
Dies hängt mit der stark nationalen Ausrichtung der juristischen
Forschung zusammen, die dieser Internationalisierung wie ein Fels
in der Brandung zu trotzen scheint. Im Vergleich zur Medizin,
wo Operationen aufgrund des einheitlichen "Behandlungsobjekts"
bereits weltweit zu besichtigen sind, ist aber auch zu bemerken,
daß im Bereich der anwaltlichen Vertretung ein solch offener
Gedanken-austausch dem Geheimhaltungsinteresse und der Verschwiegen-heitspflicht
widerspricht.
Sehr oft sind hauptsächlich im englisch-sprachigen Raum diese
Newsgroups anzutreffen ( oder sogar als "chatting boxes for
law-yers"), wobei zu fragen ist, inwieweit im deutschsprachigen
Raum eine solche Vernetzung zum Meinungsaustausch bereits effektiv
genutzt wird, da früher der Zugriff schwieriger war als heute
mit der Bedienungsoberfläche von Netscape oder Microsoft
Internet- Explorer.
So wurden jüngst auch in Deutschland auf einem Server zahlreiche
juristische Newsgroups eröffnet, wobei jede Newsgroup sich
auf ein spezielles Rechtsgebiet beschränkt
20
. Eine erste Durchsicht
ergab, daß Fragen nur sehr zögerlich und nicht immer
ganz ernsthaft beantwortet wurden
21
. Die weitere Entwicklung bleibt
abzuwarten.
Es gibt zudem unterschiedliche Projekte an deutschen Universitäten,
die im Zuge mit der Internationalisierung deutschen Rechts auch
auf internationaler Basis, wenngleich in englischer Sprache, zukunfts-trächtig
sein könnten
22
Man denke hier nur an die Zukunftsregionen im Fernen Osten, in
denen reihenweise deutsche Gesetze wortwörtlich übernommen
worden sind. In welchem Maße eine Nachfrage nach juristischem
"Know-how" erfolgen wird, läßt sich momentan
nur abschätzen, ist aber aufgrund einer notwendigen dogmatischen
Basis einer Rechtsordnung anzunehmen.
Somit werden sich hier für deutsche Wissenschaftler internationale
Betätigungsfelder ergeben, die mit der Verbreitung deutschen
Rechts zusammenhängen.
Neben diesen Newsgroups sind aber noch zahlreiche Internetprojekte
zu nennen, die nicht speziell juristischen Inhalts sind, sondern
die sich nur in diesem Umfeld bewegen. Hier können die Präsentationsserien
von internationalen juristischen Gesellschaften ( zum Bsp. Deutsch-Französische
Juristen-Gesellschaft
23
) genannnt werden.
Auch große Law-Firms nutzen das Netz zur Werbung. In Deutschland
ist aufgrund des strengen Standesrechtes eine solche Werbung für
Juristen und Anwälte nur sehr bedingt möglich
24
. Inwieweit
"Auslandswerbung" auf ausländischen Servern oder
mittels sogenannter mirror-sites, die auch - logischerweise -
im Inland im Internet gesehen werden kann, für Kanzleien
zulässig ist, ist ungeklärt. Hier werden sich in Zukunft
voraussichtlich Lockerungen, die zu einer Chancengleichheit im
internationalen Wettbewerb führen, ergeben.
Ein bisher schon stark international ausgerichteter Zweig der
Rechtswissenschaften ist die Rechtsphilosophie. Dies zum einen
deswegen, da hier schon frühzeitig bei Diskussionen um Rechtstheorien
erkannt wurde, daß es nur das "eine Recht" bei
einer philosophischen Betrachtung geben kann, allerdings mit der
Einschränkung des auf einen Kulturkreis beschränkten
Anwen-dungsbereiches, der in sich lediglich durch nationale Besonderheiten,
die wiederum stark mit der einzelstaatlichen und politischen Situation
zusammenhängen, unterscheidet
25
Dies läßt sich aber auch daran erkennen, daß
schon rechtliche Diskussionen über Staatsgrenzen hinweg erfolgten,
als in den anderen Rechtszweigen die nationale Betrachtung und
Auseinandersetzung überragend war
26
In diesem Zusammenhang ist nun zu diskutieren, in welchem Maße
nun durch den technischen Fortschritt dieser Bereich der Wissenschaft
noch stärker internationalisiert wurde, beziehungsweise,
welche Möglichkeiten sich für eine intensivierte wissenschaftliche,
juristische Diskussion ergeben.
Dies soll am Beispiel eines Projekts dargestellt werden, das im
Umfeld der Rechtsinformatik sich einer rechtsphilosophischen Betrachtung
und Bewertung erschlossen hat.
An der Universität von Zaragoza/ Spanien besteht seit einigen
Jahren eine Projektgruppe, deren Teilnehmer aus unterschiedlichen
Bereichen stammen, wobei die Federführung von Professoren
der Rechts-philosophie wahrgenommen wird
27
In diesem Projekt wird versucht, die Anwendung der Informatik
als Phänomen philosophisch zu untersuchen, die rechtlichen
und tatsächlichen Grenzen aufzuzeigen und allgemein die Nutzung
des Internets durch Schaffung von Datenbanken für Juristen
zu ermöglichen.
Diese Datenbanken werden in enger Zusammenarbeit mit Verwaltung
und Gerichten, sowie Anwaltsvereinigungen bestückt, um so
einen nationalen und internationalen Zugriff zu fördern.
Die philosophische Fragestellung erstreckt sich auf die Erklärung
des Zuganges zum Recht als einer zusätzlichen juristischen
Tätigkeit neben den bisher schon bekannten Tätigkeiten,
als da wären:
- Theorienbildung (als Schwerpunkttätigkeit der Rechtsphilosophie),
- Dogmatik,
- Interpretation und
- Anwendung des Rechts
28
.
Der Zugang wird deshalb als weitere juristische Tätigkeit
anerkannt, da es zwar bisher schon für Juristen mit Problemen
verbunden war, Zugang zu juristischen Quellen zu bekommen, daß
aber die neue Qualität der Datenmasse, eine Bewertung einer
selbständigen juristischen Aktivität rechtfertigt
29
Dies jedoch nicht als wissenschaftlicher Selbstzweck, sondern
um die mit dieser Tätigkeit notwendigerweise verbundenen
Aktivitäten wieder bewerten und juristisch, theoretisch vorbereiten
zu können. So ist im Rahmen dieses Projektes ein besonderer
Schwerpunkt auf die Untersuchung der sehr unbestimmten Berufsgruppe
der Informatiker und ihrer Tätigkeiten gelegt worden, was
zu dem Ergebnis führte, daß sich deren Tätigkeiten
als die von Sozialingenieuren darstellen, was die Zustimmung der
Gesellschaft beziehungsweise der hiermit in Berührung kommenden
Gruppen rechtfertigen muß, ebenso wie die Tätigkeit
ihre Stütze in Gesetz und Recht finden muß, ähnlich
wie sich dies bei Medizinern durch die entwickelte Einwilligung
der Patienten als Zulässigkeitsvoraussetzung der Tätigkeit
ergibt.
In diesem Zusammenhang wird durch die Gruppe eine internationale
Teilnahme an dieser Diskussion, sowie an der Nutzung der jeweiligen
Datenbanken angeregt.
Dies deswegen, da vom Ausgangspunkt her, diese Diskussion nur
international wegen des für alle mehr oder weniger gleichen
Objekts unter diesen neuen Begebenheiten geführt werden kann.
Zu diesem Zweck ist nach vorheriger Anmeldung eine Teilnahme möglich,
was allerdings hinsichtlich des Zuganges zu den Datenbanken nur
beschränkt möglich ist, da diese zum Teil von kommerziellen
Anbietern gestellt werden, die eine Lizenz nur unter Auflagen
erteilt haben.
Somit ergab sich für die Projektgruppe folgende Schwierigkeit:
Die internationale Ausrichtung mußte durch eine rechtlich
wirksame Zugangsbeschränkung eingeschränkt werden.
Dies wurde durch eine Übersetzung der allgemeinen Geschäftsbedingungen
erreicht, wobei natürlich auch wieder die Frage nach der
jeweiligen Anwendbarkeit zu stellen war, inwieweit diese auch
im Ausland Geltung behalten, was im Innenverhältnis wegen
den rechtlichen Verpflichtungen zu den kommerziellen Anbietern
Bedingung ist.
Dieses Projekt stellt exemplarisch die Möglichkeit einer
noch stärkeren Internationalisierung eines Bereiches der
Rechtswissenschaft dar, das sich zumindest auch, wie fast alle
anderen juristischen Internetprojekte mit internationaler Ausrichtung,
der englischen Sprache bedient. Darüber hinaus wurde in diesem
Projekt erkannt und realisiert, daß eine internationale
Ausrichtung durch den internationalen Diskussionsgegenstand nur
gemeinschaftlich zu bewältigen ist.
Flankierend wurden und werden hierzu zahlreiche, zum Teil internationale
Diskussionen und Konferenzen veranstaltet
30
Unter diesem Gliederungspunkt soll angesprochen werden, ob diese
Internationalisierung und Globalisierung dazu führen kann,
daß die unterschiedlichen Entwicklungsstufen in den einzelnen
Ländern und Regionen dieser Welt sich weiter verändern.
Auch soll diskutiert werden, durch welche Maßnahmen auf
internationaler Ebene erreicht werden kann, daß einzelne
Regionen nicht abgekoppelt werden von den technischen und intellektuellen
Ressourcen, die das Internet bereithält, die aber nur von
denjenigen benutzt werden können, die im Netz aktiv sind,
beziehungsweise die Zugang haben.
Auch soll hier gefragt werden, ob nicht ein Anschluß im
Netz in manchen Staaten problembehaftet sein kann, beziehungsweise
nur unter Auflagen vergeben wird.
In diesem Zusammenhang ist an sich abschottende politische Systeme
zu denken, wie zum Beispiel Nordkorea oder der Iran
31
, in denen
unerwünschte Propaganda via Netz ins eigene Land kommt
32
. Für
die traditionellen Grenzkontrollen ist diese Schwierigkeit dieses
neuen Mediums nicht zu bewältigen. Deswegen wird versucht,
dieses Problem über strenge Lizenzvergaben an politisch und
religiös unbedenkliche Personen zu lösen.
Dies zeigt aber auch die Hilflosigkeit von abgeschotteten Systemen,
diesem Phänomen Herr zu werden, da ein einfacher Telephon-anschluß,
mit dem ins Ausland telephoniert werden kann, genügt, um
sich "einzuloggen".
Dies ließe sich wohl nur über eine nahezu perfekte
Telephon-überwachung erreichen. Deswegen bleibt interessant
abzuwarten, wie sich diese Staaten verhalten werden, um diese
"Feindpropaganda" abzuwehren
33
Die aber sehr viel grundsätzlichere Frage ist die, ob tatsächlich
auch unterentwickelte Regionen, die technisch infolge finanzieller
Defizite nicht diese Möglichkeiten haben, sich in demselben
Maße einbringen können, sei es durch Vertreten eigener
Positionen, durch Publikation eigener Zeitungen, durch Export
eigener Kultur.
Wichtig erscheint aber anzumerken, daß infolge der immensen
Verbilligung der Hardware, die einen Zugang zum Internet zumindest
im universitären Bereich zum Beispiel in Südamerika
und Nordafrika möglich machte, in allerjüngster Zeit
eine Inflation von Teilnehmer aus Nichtindustriestaaten zu verzeichnen
ist, die zwar immer noch eine verschwindende Minderheit im Blick
auf die Quantität im Netz darstellen, deren Präsenz
sich aber in absehbarer Zeit auch in Relation zu den alles überragenden
Industriestaatennutzer bemerkbar machen wird.
Man bekommt teilweise den Eindruck, daß aufgrund dieser
Internationalisierung gerade auch von vielen Entwicklungsländern
auf die Karte Vernetzung und Telekommunikationstechnik gesetzt
wird.
In Chile beispielsweise läuft ein ehrgeiziges Programm, das
zum Ziel hat bereits Schüler mit diesem neuen Medium in Berührung
zu bringen, um dieser jungen Generation auf dem unbestreitbar
globalen Markt eine gute Startposition verschaffen zu können.
Als Gegensatz hierzu ist als Industriestaat die Bundesrepublik
Deutschland eher zurückhaltend, was die Heranführung
von Schülern und Jugendlichen an das Internet angeht
34
Hierfür könnte man als Rechtfertigung wohl nur anführen,
daß aufgrund der leichten Bedienbarkeit, später eine
Benutzung ohne weiteres möglich sein wird. Gefährlich
wird zukünftig eine solche Betrachtungsweise aber dann werden,
wenn sich einmal herausstellen würde, daß die gute
Internetbenutzung, die ein perfektes Beherrschen dieser Technik
möglich macht, was sich selbstverständlich im hier aufgezeigten
Zusammenhang vom normalen "Bildchensuchen" unterscheidet,
nur auf Grund jahrelanger Erfahrung, und auf Grund einer sozialen
Horizonterweiterung durch die Benutzung herausstellt.
Deswegen ergibt sich auch in diesem Bereich der Technik das Bild
vom fahrenden Zug: Wer aufspringt hat noch Chancen, wer aber dem
Zug zu lange nachsieht, der wird als globaler Internetplayer,
auf die Region im Allgemeinen bezogen, nicht in diesem Online-
oder Internet-Markt Präsenz zeigen können, geschweige
denn durch Innovationen zu dessen Entwicklung beitragen.
Eine Forderung, die früher in Rußland einmal formuliert
wurde, daß jedermann mit elektrischem Strom ausgestattet
sein müsse, könnte in den nächsten 10 Jahren die
sein, daß jedermann weltweit, so er das auch möchte,
einen Internetzugang haben müßte. Diese - zugegebe-nermaßen
wohl etwas hypothetische - Forderung wird aber, was den Bereich
der Universitäten anbelangt, in kurzer Zeit fast auf der
ganzen Welt Realität sein, daß zwar nicht jeder einzelne
Universitätsangehörige einen Zugang hat, sondern daß
die Universität als solche einen globalen Zugang hat, den
sie somit auch als Sprachrohr ihrer Tätigkeit nutzen kann
35
Infolgedessen wird sich, wenn diese Möglichkeit auch tatsächlich
genutzt wird, ein selbständiger Ausgleich von Forschung und
Wissenschaft, die durch Publikationen bekannt gemacht werden,
ergeben. Somit erscheint eine Chancengleichheit hinsichtlich einer
Veröffentlichung eigener wissenschaftlicher Arbeit, weltweit
nahe zu sein.
Dies soll bezogen auf die deutsche juristische Forschung und der
weltweit nun auch tatsächlich möglichen Publikation
erörtert werden.
Interessant ist ebenfalls eine Untersuchung der Auswirkungen,
die eine globale Vernetzung mit sich bringt, für die deutsche
juristische Forschung und ihre Rechtsgebiete. Im Besonderen profitieren
hier schon die international ausgerichteten Zweige, wie zum Beispiel
die Forschungsanstalten für internationales Privatrecht,
die durch eine Vernetzung an viele Rechtstexte schnell, bequem
und günstig herankommen.
Interessant erscheint auch hier als praktisches Beispiel der Server
der Universität Saarbrücken, der mittlerweile neben
vielen anderen Gesetzen Verfassungen von über 50 Ländern
auf seinem Server hat
36
. Dies ist ein Beispiel für eine technische
Verallgemeinerung von Wissen, da es mit zunehmender Verknappung
der Mittel bei Bibliotheken eine kostengünstige Möglichkeit
darstellt einen raschen Zugriff auf Quellen zu bekommen, die sonst
nicht oder nur unter Schwierigkeiten erschließbar wären.
Im Umkehrschluß dazu, kann diese Verbreitung von Rechtswissen
und Rechtsquellen dazu beitragen, die eigenen Gesetze kritischer
zu würdigen beziehungsweise bei Gesetzesprojekten schnell
und sicher andere Möglichkeiten ins Kalkül zu ziehen,
und deshalb für die eigenen Bedürfnisse Entwürfe
zu optimieren.
Im Moment ist hier zwar weitgehend noch ein Sprachhindernis vorhanden,
doch ist in zunehmendem Maße weltweit eine Tendenz in vielen
Staaten zu erkennen, zumindest bei den wichtigsten Gesetzen eine
englischsprachige Version zu entwickeln.
Als besonders plastisches und interessantes Beispiel ist diese
Wirkung im Strafrecht zu sehen, da in jüngster Zeit bei Gesetzesvorhaben
auf der ganzen Welt Rückgriffe auf Strafrechtssystematik
anderer Länder gemacht werden
37
Eine internationalisierte englische Version eines einzelstaatlichen
Gesetzes ermöglicht in starkem Maße eine Verstärkung
der Rechtsvergleichung, die intensiv zur Fortbildung der eigenen
Dogmatik genutzt werden kann.
Als Beispiel kann hier die Abgrenzung der Betrugsmerkmale von
den Tatbestandsmerkmalen des Diebstahls dienen, da sich hier über
einen einheitlichen Lebenssachverhalt in unterschiedlichen Rechtsord-nungen
unterschiedliche Lösungen und Wege zur Bewältigung desselben
gefunden haben. Auch was das Strafmaß angeht so sind große
nationale Besonderheiten zu verzeichnen, die einen wertenden Vergleich
mit den eigenen Regelungen geradezu aufdrängen.
Durch Publikationen der eigenen Vorschriften, Ansichten und Dogmatik
kann erreicht werden, daß in anderen Staaten die Diskussion
bereichert ist. Genauso kann ein solches Forum dazu dienen, daß
eigene Dogmatik und Regelungen einer Prüfung unterzogen werden
beziehungsweise, daß diese gerechtfertigt werden können.
Dies gilt natürlich ebenso für zahlreiche andere Rechtsgebiete,
bei denen mit steigendem Abstraktionsgrad die Vergleichbarkeit
erschwert ist. Trotzdem wird auf lange Sicht bei intensiver Nutzung
dieser Möglichkeiten ein Gewinn für die Wissenschaft
zu verzeichnen sein, die jedoch einen verständnisvollen Zugang,
sprich eine einheitliche Sprache bedürfen, um dieses Ziel
zu erreichen, auch wenn damit eine gewisse Verfälschung des
jeweiligen Gesetzes in Kauf zu nehmen ist.
Hier kann aber als Beispiel angeführt werden, daß es
sogar möglich war, das Bürgerliche Gesetzbuch mit seinem
hohen Abstraktionsgrad in zahlreiche Sprachen darunter englisch,
französisch, spanisch und sogar koreanisch zu übersetzen,
so daß es im Grundsatz nicht unmöglich sein kann, auch
andere mit weniger starkem Abstraktionsgehalt durchsetzte Gesetze
in eine weltweit verständliche Sprache umzusetzen.
Deswegen ist in dieser Hinsicht wohl in naher Zukunft ein starker
Impuls für die jeweiligen Rechtsgebiete von außen her
möglich und wahrscheinlich.
Die Frage stellt sich auch inwieweit diese kleiner werdende Welt
es sich leisten kann auf diese Technik zu verzichten. Kann es
in Zunkunft - zunächst einmal nur von der technischen Seite
her gesehen - einen "Dorfrat" geben, der die rechtsprechende
Gewalt ausüben wird?
Ein in Deutschland ansässiges Gericht, der internationale
Seegerichtshof in Hamburg oder auch der Gerichtshof der Vereinten
Nationen in Den Haag/ Holland lassen erste Ansätze erkennen,
die dazu führen, daß eine gewisse Internationalisierung
gewünscht und auch durchgesetzt wird. Was jedoch die technische
Ausstattung anbelangt, so muß festgestellt werden, daß
bei diesen eben genannten Gerichten bisher weitgehend nach althergebrachtem
Muster gearbeitet wird, und somit sich der Einsatz technischer
Mittel auf den Gebrauch von Übersetzern beschränkt.
Durch eine weltweite "Bereicherung", die das Internet
durch eine unbeschränkte Einspeißung erfährt,
da es an fast jeden Punkt angelangt, lassen sich aber hier technisch
nahezu unbeschränkte Perspektiven aufführen.
Als Beispiel kann hier genannt werden: Verhöre bei Kriegsverbrecherprozessen
zum Beispiel im ehemaligen Jugoslawien, die an Ort und Stelle
durchgeführt werden, mit Zeugen und Videoeinspeißung
ins Netz, was durch Codes durch Kryptographie geschützt direkt
in das Gerichtsgebäude, in dem der "Dorfrat" tagt,
übertragen wird.
Dies könnte durch Spracherkennungsprogramme dann gleich in
Text verfaßt werden, so daß langwierige Schreibverfahren
überflüssig gemacht werden. Ebenso könnten Übersetzungsprogramme
nachge-schaltet werden
38
Die Technik ist in absehbarer Zeit sogar als shareware-Programm
vom Netz zu bekommen, die dann als Beta- oder Demoversion verbreitet
werden, um so eine Publizität auch für die riesigen
Anwendungsbereiche, die dieser Technik in Wirtschaft und Gesellschaft
beschieden sind, erreichen zu können
39
Somit erscheint dieser Technikeinsatz bei selbstverständlich
nötiger rechtsstaatlicher Ausgestaltung durchaus für
die Zukunft als richtungsweisend. So wurde diese Technik schon
in der Praxis in manchen speziellen Bereichen teilweise eingeführt
40
Dies wird deutlich im Zuge der Kinderschänderprozesse, in
denen versucht wird, die Unmittelbarkeit des Verfahrens durch
moderne Videotechnik zu gewährleisten, um somit rechtsstaatlichen
Grundsätzen Genüge zu tun.
Davon zu trennen ist die politische Bewertung, ob diese technisch
mögliche Internationalisierung und Allzuständigkeit
der Justiz auch politisch und gesellschaftlich gewünscht
wird
41
Aber auch innerstaatlich ist eine solche Vernetzung in der Diskussion,
die vielleicht beispielsweise dazu führen könnte, daß
insbesondere ländliche Amtsgerichte durch Vernetzung mit
den jeweiligen Landgerichten entlastet, beziehungsweise ganz abgebaut
werden könnten. Ebenso wie auf internationaler Ebene ist
dies jedoch mit den gleichen technischen Schwierigkeiten und Akzeptanzproblemen
wie dort verknüpft, die sich oftmals auf dem Argument gründen,
daß man nur bei tatsächlicher Präsenz einer Person
sich einen vollständigen Eindruck machen kann. Zudem könne
die "technische" Anwesenheit nicht die Moderationsfähigkeit
einer tatsächlich vorhandenen Person ersetzen, was insbesondere
bei kontradiktorischen Streitigkeiten sowie bei Strafverfahren
unersetzbar sei.
1. Einleitung:
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2. Gesetzliche Voraussetzungen, juristische Grenzen,
juristische Projekte in Relation zur technologischen Entwicklung
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3. Einzelne spezielle juristische Projekte, die
dieses Ziel der Globalisierung zu erreichen suchen (Bsp. Newsgroups
oder Mailing-Lists)
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4. Das Beispiel der Rechtsphilosophie als stark "internationalisierter" Zweig der Rechtswissenschaften
und mögliche Änderungen durch "globalisierte"
Forschung
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5. Probleme der Internationalisierung im Hinblick
auf die unterschiedliche technische Entwicklung der "Dorfteile"
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6. Auswirkungen auf die einzelnen Rechtsgebiete
in Deutschland, die als Folge dieser internationalen Forschung
entstehen werden.
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7. Abschlußbetrachtung für den Bereich
der Justiz: Könnte es wegen der kleinergewordenen Welt im
Blick auf die Justiz eine eventuell weltweite Zentralisierung
(also eine Art "Dorfrat") geben, die durch die neuen
Kommunikationsmöglichkeiten ermöglicht werden könnte?
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