Joachim Häcker Tübingen, den 31.01.97

Seminar

Internet und andere Kommunikationsnetze -
ein rechtsfreier Raum?

zum Thema

Internationale Geschäfte / elektronische Marktplätze

bei Prof. H. Ketz und RAss. M. Gerblinger

WS 1996/97

von
Joachim Häcker
100541.115@CompuServe.com(100541.115@CompuServe.com)
Tübingen


Inhaltsverzeichnis

A. Einführung

B. Elektronische Marktplätze im Bankensystem

C. Zukünftige Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze im Bankensystem D. Zusammenfassung und Fazit

E. Literatur


A.Einführung

Internetrecht ist ein Forschungsgebiet, welches in der rechtswissenschaftlichen Diskussion durch seine Aktualität einen hohen Rang einnimmt. Dieser kommt in der ständig wachsenden Zahl der Veröffentlichungen zum Ausdruck, die sich mit diesem Themengebiet befassen. Eine hohe Marktchance bietet das Internet Unternehmen bei der Durchführung von internationalen Geschäften, da das Internet aus einem weltumspannenden Computernetzwerk besteht mit derzeit ca. 7 Mio. Rechnern und 40 Mio. Benutzern. Obwohl dadurch internationale elektronische Marktplätze entstehen und damit auch internationales Recht zur Anwendung kommt, findet diese Komponente bisher in der rechtswissenschaftlichen Forschung wenig Beachtung. Eine Untersuchung der möglichen Gestaltungsvarianten von elektronischen Marktplätzen via Internet und den jeweils zugrundliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere dem Internationalen Privatrecht, liegt bisher noch nicht vor.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diesbezüglich einen Diskussionsbeitrag zu liefern. Die Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung der rechtlichen Grundlagen internationaler Bank geschäfte und der Entstehung elektronischer Marktplätze im Rahmen von Internet-Banking

Sie gliedert sich in folgende Kapitel:

Kapitel B zeigt den aktuellen Stand des Internet-Banking und die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten von elektronischen Marktplätzen via Internet auf.

Kapitel C untersucht zukünftige Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze im Bankensystem. Drei Szenarien und die jeweils zugrundeliegenden internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen werden vorgestellt, die den Transaktionen von internationalen Geschäften zugrundeliegen.

Kapitel D stellt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse vor und gibt einen Ausblick auf mögliche Enwicklungen im internationalen Recht bezogen auf Internet-Banking.


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B. Elektronische Marktplätze im Bankensystem

I. Elektronische Marktplätze im deutschen Bankensystem

Da die Untersuchung der rechtlichen Grundlagen internationaler Bankgeschäfte aus dem Blickwinkel des deutschen Rechtsverständnisses erfolgt, wird in diesem Abschnitt ein kurzer Abriß über den Entwicklungsstand nationaler Bankgeschäfte via Internet gegeben. Der Entwicklungsstand des Internet-Banking läßt sich in die zwei Stufen "Informationsbereitstellung" und "Durchführung von Transaktionen" einteilen.

1. Stufe 1: Informationsbereitstellung

Die erste Stufe , die Bereitstellung von Informationen im Internet, wird im Augenblick in Deutschland von über 200 deutschen Banken bzw. Finanzdienstleistern realisiert. (1) Vor allem bieten sie den Zugriff auf Informationen über die von ihnen angebotenen Produkte sowie auf E-mail Funktionen an. In die zweite Kategorie fallen Börsen- und Anlageinformationen, das Angebot von Immobilien, Beispielrechnungen und Veranstaltungskalender. Weniger häufig werden drittens Stellenangebote und Downloadmöglichkeiten von Programmen angeboten.

Mit Börsen- und Anlageinformationen tritt das Internet als Konkurrenz zu den klassischen Informationsanbietern, wie z.B. Reuters oder Bloomberg in Erscheinung, da der Anwender auf Anlage- und Börseninfomationen kostenlos zugreifen kann. Als Informationen sind z.B. zu nennen: Realtime-Kurse des DAX und der Deutschen Terminbörse, (2) Kursdaten und Empfehlungen von Anlagen (3) sowie Kurse des deutschen Rentenindex und der DAX-Werte (4)

Immobilienangebote bietet z.B. die Bausparkasse Mainz an. Dort kann man via Internet aus dem vorgegebenen Angebotsprogramm ein Fertighaus individuell zusammenstellen und anschließend den auf sich und das entsprechende Haus zugeschnittenen Bausparvertrag errechnen.

Auf Homepages, wie z.B. der Deutschen Bank, kann man sich der Beispielrechnungen bedienen. Dort kann sich jeder Homepagebesucher unter Angabe seines monatlichen zur Verfügung stehenden Betrages einen individuellen Sparplan errechnen lassen.

2. Stufe 2: Durchführung von Transaktionen

Die zweite Stufe des Internet-Banking, das Angebot von Bankgeschäften, bei denen Transaktionen durchgeführt werden, wird im Augenblick in Deutschland lediglich von vier Kreditinstituten realisiert. Als erste Bank kam damit die Deutsche Investment Trust (DIT), eine Tochter der Dresdner Bank an den Markt. (5) Deren Kunden können Kursverläufe und Marktdaten abfragen und auf dieser Basis aus dem Fondangebot die präferierten Fonds auswählen. Sicherheitsprobleme bei den Kauf- bzw. Verkaufsorders werden bei der DIT umgangen, da Transaktionen lediglich zwischen den Kundenkonten und dem jeweiligen Fondsdepot möglich sind.

Seit Juli 1996 bietet die Sparda Bank Hamburg folgende Dienstleistungen an: Kontoauskunft, Nachrichten an die Bank, Scheckbestellungen, Daueraufträge und Überweisungen. (6) Des weiteren bietet die Stadtsparkasse Dortmund und die Direkt Anlage Bank (Tochter der Hypo -Bank) Transaktionssysteme an.

II. Elektronische Marktplätze im europäischen und amerikanischen Bankensystem

In diesem Abschnitt wird ausführlich der Entwicklungsstand internationaler Bankgeschäfte via Internet dargelegt. Zuerst wird auf den Stand der Abwicklung internationaler Geschäfte in Europa und danach in den USA eingegangen.

1. Das europäische Bankensystem

Auch in Europa wird das Internet primär von Banken zur Realisierung der ersten Stufe, der Bereitstellung von Informationen im Internet, benutzt. (7) Wegbereiter waren hier vor allem die zwei österreichischen Kreditinstitute Bank Austria und die Postbank P.S.K. Diese dehnten inzwischen ihr Angebot im Internet auf Kontoführungsdienste aus.

Wegbereiter für die zweite Stufe, die Durchführung von Transaktionen via Internet, war ESI-Sharelink (8) , die erste elektronische Internetbörse. ESI-Sharelink wurde im Herbst 1995 von dem Informationsdienst Electronic Share Information (ESI) und der Carl Schwab Gruppe gegründet. Seitdem ist es auch in Europa möglich, mittels Internet Wertpapierorders an der Londoner Börse für Aktien abzugeben. Das Angebot der ESI-Sharelink beinhaltet Aktien, Warrents, Investment-Anteile und öffentliche Anleihen. Dadurch, daß die Orders per Internet abgegeben werden, entstehen geringere Kosten als im üblichen Handel. Dieser komperative Vorteil wird an den Kunden weitergegeben, indem für ihn niedrige Gebühren anfallen und sein Guthaben auf dem Transaktionskonto verzinst wird. Plaziert werden die Wertpapiere bisher noch mittels des Brokerdienstes. Eine direkte Online-Plazierung mittels Internet im System der Londoner Aktienbörse konnte bisher in Europa nicht realisiert werden.

2. Das amerikanische Bankensystem

Die Bankenlandschaft in den USA ist geprägt durch eine stetig voranschreitende Konzentration. Diese wurde ermöglicht durch zahlreiche gesetzliche Neuerungen auf die im einzelnen in Kapitel C eingegangen wird. Durch die Tendenz zur Konzentration kam es zu massiven Filialschließungen und damit schon vor vielen Jahren zu dem Aufbau elektronischer Vertriebswege. Heute haben schon eine Vielzahl von amerikanischen Banken sowohl Stufe 1 als auch Stufe 2 verwirklicht. Vorreiter sind die Wells Fargo Bank (9) , Aufhauser &Co. (10) , Lombard (11) und die Security First Network Bank (SFNB) (12) . Letztere ist weltweit die erste Bank, die das komplette Programm der klassischen Bankdienstleistungen anbietet, wie z.B. die Durchführung von Wertpapiergeschäften und des Zahlungsverkehrs. Die SFNB wurde im Oktober 1995 gegründet, hat ca. 2000 Kunden in den USA bei nur 40 Mitarbeitern und weist eine Bilanzsumme von über $40 Mio. aus.


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C. Zukünftige Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze im Bankensystem

Nachdem in dem vergangenen Abschnitt dargestellt wurde, wie sich durch den Bedeutungszuwachs des Internets die Bankenlandschaft verändert hat, werden in diesem Abschnitt verschiedene Szenarien aufgezeigt, welche Gestaltungsformen die Internet-Bank der Zukunft annehmen kann.

I. Szenario 1: Die virtuelle Bank- Ein internationaler Verbund von Banken

1. Darstellung

In Szenario 1 sind als Anforderungen an die Banken durch die Transparenz von internationalen elektronischen Marktplätzen schnellere Reaktionszeiten bei zunehmender Qualität zu konstatieren. Auf diesen verschärften Wettbewerbsdruck reagieren die Banken mit einer zunehmenden Spezialisierung. Das Universalbankensystem in Deutschland ist gezwungen, sich in die Richtung eines in den USA vorherrschenden Spezialbankensystems zu entwickeln. In der Bankenlandschaft werden weltweit Banken dominieren, die sich auf z.B. die Abwicklung, die Beratung oder den Zahlungsverkehr spezialisiert haben. Sie treten in einen losen Verbund mit anderen Spezialbanken und können durch derartige Kooperationsbeziehungen das komplette Spektrum an Bankgeschäften abdecken. Ein Konkurrenzdruck wird zwischen den einzelnen Verbünden entstehen; ein Kostendruck wird sich zwischen den in die Verbünde eingebundenen Spezialbanken untereinander ergeben. Dieser Konkurrenz- bzw. Kostendruck wird allerdings für die Banken nicht so hoch sein, wie in den im weiteren Verlauf dargestellten Szenarien zwei und drei. Je mehr Verbünde weltweit entstehen, desto geringer wird die Transparenz hinsichtlich Preis, Service, Qualität und Kundennutzen der Bankdienstleistungen sowohl für den Netzanbieter als auch den Kunden sein. Der Konkurrenz- und Kostendruck wird noch dadurch verstärkt, daß zusätzlich zu den Banken auch Near-Banks und Non-Banks als Finanzdienstleister auftreten. Unter Near-Banks sind z.B. Versicherungsgesellschaften, wie die Allianz-Versicherung und unter Non-Banks sind z.B. Handelsunternehmen, wie z.B. Quelle zu verstehen.

2. Internationale Geschäfte und Internationales Privatrecht

Durch das Entstehen von weltweiten Verbänden wird die Frage aufgeworfen, nach welchem Recht der Sachverhalt zu beurteilen ist, der sich zwischen den im Verbund stehenden Banken untereinander, zwischen den Bankenverbünden und den Internet Service Providern sowie zwischen den Internet Service Providern und den Kunden ergibt. Anwort auf diese Frage gibt das Internationale Privatrecht, auf das in diesem Abschnitt eingegangen wird. Ebenfalls Untersuchungsgegenstand dieses Abschnitts sind die zwischen den genannten Beteiligten zustandekommenden Vertragsbeziehungen.

2.1 Das Internationale Privatrecht

Gemäß Art. 3 Abs. 1 EGBGB werden Sachverhalte mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staats durch das Internationale Privatrecht geregelt. Ein Auslandsbezug (13) ist z.B. dann gegeben, wenn eine im internationalen Verbund stehende deutsche Bank einen Vertrag mit einer ausländischen Bank abschließt oder wenn ein Vertrag zwischen einer deutschen Bank und einem ausländischen Internet Service Provider zustande kommt. Bei Rechtsverletzungen kommt es z.B. zu einem Auslandsbezug, wenn der Verletzte im Ausland ansässig ist oder die verletzte Handlung im Ausland begangen wurde.

Sowohl deutsche als auch ausländische Gerichte wenden ihr eigenes Internationales Privatrecht an. Dabei wird die Klage je nachdem, welches Recht dem Kläger günstiger erscheint, in Deutschland oder dem jeweiligen anderen Staat erhoben. (14) Wird die Klage in Deutschland erhoben, so tritt Art. 3 bis Art. 38 EGBGB in Kraft. Dort wird Antwort darauf gegeben, ob das deutsche oder das ausländische Recht anzuwenden ist und ggf. welches ausländische Recht anzuwenden ist. Da das Internationale Privatrecht nur Verweisungsregeln oder Kollisionsnormen (15) enthält, entscheidet es nicht in der Sache selbst. Liegt eine Verweisung gemäß einer Kollisionsregel auf ausländisches Recht vor, so ist als erstes das entsprechende ausländische Internationale Recht mit seinen Verweisungen zu prüfen, bevor das ausländische Recht in der Sache angewendet werden kann. Falls dagegen das ausländische Internationale Privatrecht wiederum auf eine andere ausländische Rechtsordnung verweist, so ist entsprechend zu verfahren.

Die Prüfung ist erst dann beendet, wenn entweder keine weitere Verweisung mehr auf eine andere ausländische Rechtsordnung erfolgt, auf ausländisches Recht verwiesen wird, auf welches bereits schon verwiesen wurde (16) oder eine Rückverweisung auf deutsches Recht stattfindet, da letzteres als eine Verweisung auf deutsches Sachrecht betrachtet wird. (17) Wird auf einen Staat mit verschiedenen Rechtsordnungen verwiesen, so ist das dortige interlokale Privatrecht einschlägig. Für Staaten, wie z.B. die USA, auf die in dieser Arbeit detailliert eingegangen wird, gilt daher, daß das Recht des Einzelstaates anzuwenden ist, welcher die engste Verbindung zu dem Sachverhalt besitzt. (18)

2.2 Das digitale Vertragswesen

Im folgenden wird untersucht, wie im Internet vor dem Hintergrund des Internationalen Privatrechts und des UN-Kaufrechts Verträge geschlossen werden.

Grundsätzlich kommt ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande, wobei beide Willenserklärungen dem anderen Vertragsteil zugehen müssen (Ausnahmen: § 151 BGB). Dieser Grundsatz muß auch im digitalen Kommunikationsverkehr Anwendung finden. Werden Finanzdienstleistungsprodukte auf einer home page angeboten, so handelt es sich lediglich um eine sogenannte invitatio ad offerendum. Der Kunde muß eine elektronische Willenserklärung abgeben, die per E-mail der Bank zugeht. Die Bank muß dann ihrerseits das Angebot annehmen, indem sie eine E-mail-Willenserklärung an die E-mail-Adresse des Kunden sendet. Es handelt sich um eine Erklärung unter Abwesenden, wenn eine per E-mail übermittelte Willenserklärung vorliegt. Da die Erklärung gemäß §130 Abs. 1 BGB mit Zugang wirksam wird, kann das Unterhalten eine E-mail Adresse mit dem Unterhalten eines Briefkastens verglichen werden. (19) Zugang ist der Eintritt in den Machtbereich des Empfängers und die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme. Fraglich ist, ob gerade bei fristgebundenen Rechtsgeschäften die elektronische Willenserklärung erst dann zugeht, wenn der Empfänger auch tatsächlich von ihr Kenntnis nimmt oder ob der Zugang bereits dann erfolgt, wenn sie abrufbar ist.

Wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in Geschäftsräumen aufzuhängen sind, wird in einer umfangreichen Rechtsprechung präzisiert, die allerdings für Verträge im Internet nicht herangezogen werden kann. (20) Wenn deutsches Recht gilt, so findet auch das AGBG seine Geltung. Wenn ausländisches Recht auf den Vertrag angewendet wird, so gilt dieses Gesetz grundsätzlich nicht. Eine Berücksichtigung kann das AGBG finden, wenn der Vertrag durch eine öffentliche Werbung, ein öffentliches Angebot oder ähnliche Tätigkeiten innerhalb Deutschland zustande kommt und der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Vertragspartners Deutschland ist und dort die Willenserklärung abgegeben wird. Dies gilt z.B. dann, wenn eine Bank über eine WWW-Adresse Bankdienstleistungen anbietet, ein deutscher Kunde von seinem Wohnsitz aus eine Angebotserklärung abgibt und übermittelt und damit ein digitaler Vertrag entsteht. Die AGB sind Bestandteil des Vertrags, wenn dem Vertragspartner die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme eingeräumt wurde, er explizit auf sie hingewiesen wurde und sich mit deren Geltung einverstanden erklärte. Im vorliegenden Fall ist unter einem expliziten Hinweis z.B. zu verstehen, daß die Bank im Vertragsangebot einen "Hypertext Link" einbaut. Durch anklicken desselben kann der Kunde die AGB kostenlos abrufen. Dieses Beispiel lehnt sich an die Fortentwicklung der Rechtsprechung zu AGB in Papierform an. (21) Damit ist es für die Bank genauso irrelevant, ob ihr Vertragspartner die AGB anklickt, wie ob er die auf der Vertragsrückseite abgedruckten AGB liest.

Da in Szenario 1 mehrere Spezialanbieter im Rahmen einer virtuellen Bank international agieren, sollten die Banken sowohl ihr Dienstleistungsangebot als auch den Hinweis auf die AGB und die AGB selbst in Englisch darstellen. (22)

Betrachtet man das digitale Vertragswesen aus dem Blickwinkel des Internationalen Privatrechts , so zeigt sich, daß gemäß Art. 27 EGBGB für einen Vertrag primär das von den Parteien gewählte Recht gültig ist. Dabei sind folgende zwei Fälle denkbar:

Erstens vereinbaren die Parteien, welches Recht anzuwenden ist. Dieses Recht erfährt somit grundsätzliche Beachtung, wobei auch die Annahme einer konkludenten Rechtswahl in Betracht zu ziehen ist. Insbesondere die Vereinbarung eines Gerichtsstandes stellt ein Indiz dar für die Wahl des am Gerichtsort geltenden materiellen Rechts. (23) Art. 34 EGBGB enthält einen speziellen Vorbehalt zugunsten zwingenden deutschen Rechts, wobei die Anwendung dieser Regelungen nicht durch eine Rechtswahlklausel ausgeschlossen werden kann.

Wurde zweitens seitens der Parteien keine Rechtswahl getroffen, so wird gemäß Art. 28 Abs.1 EGBGB das Recht des Staats angewendet, mit welchem der Vertrag inhaltlich am engsten verbunden ist. Ausschlaggebend ist, wessen Leistung den Vertrag rechtlich und wirtschaftlich entscheidend prägt. Gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB weist der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat auf, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort bzw. Unternehmenssitz besitzt. Diese Regelung findet gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB keine Anwendung, wenn die charakteristische Leistung nicht bestimmt werden kann oder der Vertrag auf engere Beziehungen zu einem anderen Staat hindeutet.

Fall 1 wird gemäß Art. 29 EGBGB bei Zugrundeliegen von Verbraucherverträgen eingeschränkt. Zwar besitzen die Vertragsparteien auch eine Rechtswahlmöglichkeit, jedoch werden die zwingenden Rechtsvorschriften des gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers nicht ausgeschlossen, wenn an diesem Ort Kunden vom Verkäufer geworben wurden oder der Verbraucher ein ausdrückliches Angebot abgab und die zum Vertragsschluß erforderlichen Rechtshandlungen dort vorgenommen wurden. Für einen Vertragsabschluß gemäß Szenario 1 bedeutet dies, daß der Verbraucher die WWW-Homepage des Bankenverbunds abrufen konnte und dort seine Angebotserklärung in das Internet eingab. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB liegt ebenfalls ein Vorbehalt für die zwingenden Vorschriften des Verbraucherlandes vor, wenn die Bestellung des Verbrauchers vom Verkäufer im Staat des Verbrauchers aufgenommen wurde. Dies wäre in Szenario 1 der Fall, wenn der Verbraucher seine Angebots- oder Annahmeerklärung an die inländische Zweigniederlassung des ausländischen Bankenverbands sendet.

Das Wiener UN-Kaufrecht gilt, wenn die Niederlassung der Vertragsparteien in verschiedenen Vertragsstaaten liegt oder wenn die Vertragsparteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und durch die Regelung des Internationalen Privatrechts das Recht eines Vertragsstaats gilt. (24) Das UN-Kaufrecht ist seit dem 01. Januar 1991 in Deutschland in Kraft und hat Vorrang vor dem oben beschriebenen Internationalen Privatrecht.

Fraglich ist, ob das UN-Kaufrecht auch auf Bankdienstleistungen im Internet anwendbar ist. Bei der Warenlieferung des Bankenverbunds an den Kunden handelt es sich um elektronische Informationen und nicht um bewegliche körperliche Gegenstände. Damit unterliegt der Austausch von Bankendienstleistungen nicht dem UN-Kaufrecht. Berücksichtigt man allerdings, daß das Einräumen von Sendezeit nicht dem UN-Kaufrecht unterfällt, während der Austausch von Computerprogrammen ohne Rücksicht darauf, ob die Datenträger mitveräußert wurden oder nicht, dem UN-Kaufrecht unterfällt, so stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen elektronischen Informationen und beweglichen körperlichen Gegenständen liegt. (25) Auf den diesbezüglich noch bestehenden gesetzlichen Handlungsbedarf sollte der Dienstleistungen anbietende Bankenverbund mit einem Ausschluß des UN-Kaufrechts im Vertrag reagieren.

Für die Formerfordernis von Verträgen im Internet gilt, daß wenn deutsches Recht auf die Verträge von Bankendienstleistungen anwendbar ist, gemäß § 126 BGB eine Schriftform erforderlich sein kann. Dabei muß eine Urkunde vorhanden sein, die durch den Aussteller unterzeichnet wird. Eine notarielle Beurkundung kann erforderlich sein. Mittels dem DES- oder dem sichereren RSA-Verfahren wird versucht, diesen Anforderungen gerecht zu werden. (26) Digitale Dokumente werden gemäß herrschender Meinung im Prozeßrecht, auch wenn sie eine digitale Signatur besitzen, als Augenscheinsobjekte und nicht als Urkunden gesehen. Deshalb empfiehlt es sich für den Dienstleistungsanbieter, zusätzlich noch einen Vertrag in Papierform abzuschließen.

Gemäß Art. 11 EGBGB ist auf die Form im Internet abgeschlossener Rechtsgeschäfte entweder das am Sitz einer der Parteien geltende Recht oder das Vertragsstatut anzuwenden. Irrelevant ist das Recht der Staaten, durch welche die Information via Internet bis zum Empfänger geleitet wird. Bei der Anwendung des deutschen Rechts ist die Formvorschrift des § 1027 ZPO und § 313 BGB zu beachten.

II. Szenario 2: Der Provider als Selektionsinstanz von Bankendienstleistungen

1. Darstellung

In Szenario 2 wird deutlich, daß der Netzanbieter einen großen Einflußrahmen besitzt, da er wählen kann, durch welche Bank, Near-Bank oder Non-Bank die Kundenwünsche befriedigt werden sollen. Er dient damit als Intermediär zwischen Bank und Kunde. Damit verlieren die Banken die Steurerungs- und Kontrollmöglichkeit ihrer Vertriebswege, wodurch sich eine verschärfte Konkurrenz der Banken untereinander mit verschiedenen Finanzdienstleistungen ergibt. Dafür, daß sich dieses Szenario in Zukunft als Realität erweisen kann, spricht, daß im Handel in den letzten Jahren ein ähnlicher Vorgang zu beobachten war. Der Einzelhandel konkurriert verstärkt untereinander zwecks Zulieferung seiner Produkte an wenige Großhändler.

Tritt Szenario 2 ein, so ist folgender Fall denkbar: Die bisher beobachtbare Standardisierung der Produkte nimmt weiterhin zu. Damit werden die Bankdienstleistungen weltweit hinsichtlich Preis, Service, Qualität und Kundennutzen immer transparenter. Will ein deutscher Kunde z.B. Dollar für 3 Monate kaufen, so fragt er nicht mehr wie heutzutage seine Hausbank an, sondern er kauft eine Dienstleistung bei z.B. Microsoft als Intermediär. Microsoft selbst wird untersuchen, bei welcher Bank und an welchem Börsenplatz weltweit die vom Kunden gewünschte Dienstleistung am günstigsten zu erwerben ist. Da die deutschen Großbanken jetzt in unmittelbarer Konkurrenz zu allen Großbanken weltweit und zu reinen Internet-Banken, wie die oben erwähnte SFNB-Bank, stehen, sind es die Netzanbieter, die stark die Preisbildung beeinflussen können. Ob sie gar in der Lage sind, den Preis zu diktieren, hängt davon ab, inwieweit der Markt der Netzanbieter eher eine polypole, oligopole oder monopole Struktur aufweist. Am Ende des Jahres 1995 boten über 1400 Internet-access-provider ihre Dienste an. Damit kann die aktuelle Situation der Internet Provider mit einem Polypol auf dem unvollkommenen Markt beschrieben werden.

2. Freier Dienstleistungsverkehr für Internet Service Provider?

Da bei Szenario 2 der Netzanbieter im Mittelpunkt steht, werden in diesem Abschnitt die für ihn geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen näher untersucht. In diesem Zusammenhang ist zu klären, ob Netzanbieter länderspezifische Regelungen zu beachten haben und ob ein freier Dienstleistungsverkehr weltweit realisiert werden kann.

2.1 Nationales Recht

Zur Beantwortung der Frage, ob Netzanbieter länderspezifische Regelungen zu beachten haben, wird zwischen Regelungen in Europa und Nordamerika unterschieden.

Europa:

Exemplarisch werden hier kurz die nationalen Gesetzgebungen wirtschaftlich wichtiger Mitgliedstaaten, wie Deutschland, Frankreich, Belgien und England dargestellt, die für Internet Service Provider relevant sind. (27)

Die Dienste der Internet Service Provider werden in Deutschland nicht zu den Kategorien gezählt, die dem Monopol der Deutschen Telekom AG unterliegen (wie z.B. Telefon- und Radiodienste). Damit ergibt sich eine Zuordnung zur Kategorie der freien Dienstleistungen, (28) die einer Anmeldung in schriftlicher Form zu Beginn und Ende der Dienstleistungstätigkeit und Änderung der Dienstleistungsart beim Bundesministerium für Postwesen und Telekommunikation bedarf.

In Frankreich werden die Internet Service Provider danach unterschieden, ob sie auf eine gemietete Standleitung oder ein vermitteltes öffentliches Netz zugreifen. Die Dienste Ersterer werden als Versorgungstätigkeit (29) bezeichnet und sind genehmigungspflichtig. Letztere unterliegen keiner Melde- bzw. Genehmigungspflicht, da die erbrachte Dienstleistung als Mehrwertsdienstleistung gilt.

In Belgien werden die Dienste der Internet Service Provider juristisch als Datenkommunikationsdienst bezeichnet. Gemäß Art. 89 des Gesetzes vom 21. März 1991 über die Telekommunikation hat der Betreiber lediglich eine Meldung beim Institut Belge des Services Postaux et des Telekommunications einzureichen.

In England werden die Internet Service Provider den Telekommunikationsdienstleistern zugeordnet. Im Gegensatz zu den belgischen Internet Service Providern unterliegen sie keiner Meldepflicht und im Gegensatz zu den Französischen unterliegen sie auch keiner Genehmigungspflicht. Sie sind lediglich verpflichtet, die im Juli 1992 gemäß der Telekommunikations Service Licence eingeführte Class Licence-Regelung vor Beginn und während der Ausübung ihrer Tätigkeiten zu erfüllen.

Nordamerika:

In Nordamerika wird das Angebot eines Internet Service Providers der Kategorie verbesserte Dienstleistung oder Mehrwertdienstleistung zugeordnet. (30)

Gemäß des Federal Communications Act von 1934 (31) bedürfen in den USA verbesserte Dienstleistungen einer Erlaubnis. Im Gegensatz dazu beschloß die Federal Communications Commission (FCC), ein Organ zur Reglementierung und Überwachung der Telekommunikationen und des Vertriebs, die Erlaubnispflicht für verbesserte Dienstleistungen aufzuheben. (32)

Analog zum amerikanischen Recht liegt auch dem kanadischen Recht keine Genehmigungspflicht für Internet Service Provider zugrunde. (33) Eine Ausnahmeregelung gilt allerdings für Telekommunikationsunternehmen, welche eigene Infrastrukturen besitzen oder benutzen. Derartige Unternehmen müssen zuerst eine Genehmigung erwirken, bevor sie ihre Dienstleistung anbieten können.

2.2 Internationale Abkommen zur Realisierung eines freien Dienstleistungsverkehrs

Prinzipiell gilt, daß jeder Internet Service Provider verpflichtet ist, eine Genehmigung für seine Dienstleistungen von dem Land einzuholen, das er beliefern möchte. Als wichtige Ausnahme hiervon sind die Europäische Union (34) und die Mitgliedstaaten des N.A.F.T.A. (35) zu nennen. Zur Beantwortung der Frage, ob ein freier Dienstleistungsverkehr weltweit realisiert werden kann, werden beide Ausnahmen im folgenden untersucht.

Europäische Union:

In C.I.2.1) wurde deutlich, daß europaweit keine nationale Gesetzgebung existiert, die spezifisch für Internet Service Provider Gültigkeit besitzt. Deshalb wurden Schritte in die Richtung einer europäischen Angleichung unternommen. Als Meilenstein im Hinblick zur Errichtung eines europäischen Binnenmarktes im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen sind die Errichtung des Europäischen Amtes für Telekommunikation (European Telecommunication Office (E.T.O.)) (36) und der Richtlinienentwurf vom 14. November 1995 (37) zu sehen. Hauptaspekte des Richtlinienentwurfs sind:

+Öffnung des Markts (Den Marktzugang können die einzelnen Mitgliedstaaten nur noch einem Bewilligungssystem unterwerfen)

+Flexibilisierung des Bewilligungsrahmens (allgemeinen Lizenzen wird Vorrang vor speziellen Lizenzen eingeräumt)

+Erstellung von Angleichungsmechanismen bzgl. der Verfahrensweisen bei der Erteilung von Bewilligungen

+Reglementierungsverbot im Bezug auf die Bewilligungsanzahl.

Artikel 59 und 60 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft garantieren Dienstleistungsfreiheit durch das Verbot von Beschränkungen. Damit wendet sich das europäische Recht gegen alle diskriminierenden und sonstige nicht diskriminierenden Maßnahmen, wodurch die Dienstleistungen eines in diesem Falle Internet Service Providers verteuert werden, die ihn abhalten, seine Dienstleistung zu erbringen oder potentielle Kunden abhalten, sich an den präferierten Anbieter zu wenden. Diskriminierende Maßnahmen sind mit der Staatsangehörigkeit eines Internet Service Providers zusammenhängende Maßnahmen oder Maßnahmen, die darin begründet sind, daß der Internet Service Provider Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Niederlassung anbietet. Nichtdiskriminierende Maßnahmen sind solche Maßnahmen, welche sowohl auf in- und ausländische Internet Service Provider angewandt werden. Durch oben erwähnten Art. 59 und 60 wird somit der Internet Service Provider befähigt, seine Dienstleistung ungehindert in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzubieten. (38)

Nur in sehr seltenen Fällen sind die Staaten befähigt, diskriminierende und nichtdiskriminierende Maßnahmen einzuleiten. Gemäß Artikel 56 des Vertrags der Europäischen Union muß es sich beim Erlaß diskriminierender Maßnahmen um Maßnahmen handeln, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit. Nichtdiskriminierende Maßnahmen können nur erlassen werden, wenn ihnen eine Deckung des Allgemeininteresses zugrundeliegt. (39)

Die rechtliche Absicherung des freien Dienstleistungsverkehrs kommt noch dadurch zum Ausdruck, daß Ausnahmen nur dann erlassen werden können, wenn eine gegenwärtige und ausreichend schwerwiegende Bedrohung besteht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft belastet. Der Bewilligung von Ausnahmen, die auf wirtschaftlichen Beweggründen beruht, wird somit entgegengewirkt.

N.A.F.T.A.

Durch die N.A.F.T.A. wird das prinzipielle Verbot diskriminierender Einschränkungen garantiert. Die Pflicht jedes Mitgliedstaats ist, jedem Anbieter die günstigste der folgenden Regelungen zu gewährleisten: (40)

+Die Regelung, welche der Mitgliedstaat auch bei den nationalen Anbietern unter entsprechenden Bedingungen anwendet

+Die günstigste Regelung, welche der Mitgliedstaat bei jeder anderen Partei oder Drittstaaten anwendet (Meistbegünstigungsklausel)

III. Szenario 3: Der Kunde als Selektionsinstanz von Bankendienstleistungen

1. Darstellung

Bei dieser Gestaltungsmöglichkeit steht der Kunde im Mittelpunkt. Er kann mit Hilfe hochentwickelter Softwaresysteme die Informationen selektieren und nutzen, die ihm von Banken, Near-Banks und Non-Banks mittels Kommunikationsnetz zur Verfügung gestellt werden. Non-Banks, wie z.B. die oben erwähnte Quelle Bank bietet heute schon den Service der Kreditbeantragung, von Sparbriefen, Festgeld und den Kauf von Aktien sowie Renten an. Damit besitzt nicht mehr jede Bank einen direkten Absatzkanal zum Kunden, sondern der Kunde kann mittels einer einheitlichen Oberfläche eines Client-Programms, wie z.B. Money oder Quicken das Angebot der Banken aufrufen und die präferierte Bank selektieren sowie die gewünschte Dienstleistung abfragen.

2. Beweisführung

Bisher wurde auf die rechtlichen international ausgerichteten Rahmenbedingungen eingegangen, die bei der Durchführung internationaler Geschäfte zu berücksichtigen sind. Diese werden in einigen Fällen unterschiedlich interpretiert oder sogar vorsätzlich nicht beachtet. Dann kommt den Beteiligten die Aufgabe zu, Tatsachen und Verträge zu beweisen. Im folgenden wird deshalb exemplarisch ein Überblick über die Beweisführung im Zivilrecht in England, Frankreich und Nordamerika gegeben. Aufgrund der international ausgerichteten Zielstellung der Arbeit wird auf eine Darstellung der Beweisführung in Deutschland verzichtet. Auf eine strafrechtliche Beweisführung wird hier nicht eingegangen, da diese den zivilrechtlich orientierten Rahmen der Arbeit sprengen würde.

2.1 Beweisführung nach englischem Recht

Grundlage für die Beweisführung von Handlungen, die via Internet abgeschlossen wurden, ist im englischen Recht der Civil Evidence Act aus dem Jahre 1995. (41) Gemäß Section 13 des Civil Evidence Act werden als Dokument alle Arten von Materialien verstanden, welche Informationen jedwelchen Typs enthalten. Vor Gericht sind damit alle Computerdokumente (wie z.B. WWW-Seiten, Newsgroup-Nachrichten, E-mail etc.) als Beweismittel zugelassen. Alle Dokumente müssen jedoch beglaubigt werden. Bei der Beglaubigung wird unterschieden, ob es sich beim Antragsteller um einen Kaufmann oder eine Behörde handelt oder einer Person, die dieser Kategorie nicht zuordenbar ist.

Nach englischem Recht ist derjenige ein Kaufmann (businessman), welcher in einem bestimmten Zeitraum ein Gewerbe betreibt, auch wenn dies ohne Gewinnabsicht geschieht. Sowohl als Kaufmann als auch als Behörde kann die Beweisführung mittels eines Registers vorgenommen werden. Als Register im vorliegenden Fall werden Computerregister bezeichnet, die in den am Internet angeschlossenen Computern aufbewahrt werden (z.B. ein E-mail Briefkasten). Um eine Beweisführung durch ein Computerdokument zu erbringen, benötigen der Kaufmann oder die Behörde eine Bescheinigung vom Verantwortlichen der zu beweisenden Tätigkeit (z.B. dem Abteilungsleiter der EDV-Abteilung), daß die vor Gericht vorgelegten Computerdokumente aus diesem Register entnommen sind.

Handelt es sich um einen Internetuser, der weder der Kategorie Kaufmann noch Behörde zugeordnet werden kann, so müssen die Computerdokumente nach den vom Gericht festgelegten Normen bestätigt werden. Damit ein Dokument als echt angesehen wird, müssen folgende Punkte bewiesen werden: Die Identität des Autors oder des Absenders, die Ausstellungsart, der Ursprung sowie das fehlerfreie Funktionieren des eigenen Computersystems und des Empfangscomputers. (42) Im Hinblick auf die Beweisführung sollte die im Internet agierende Bank, der Internet Service Provider, das Unternehmen, die Behörde oder die Privatperson darauf bedacht sein, dauerhafte und möglichst unveränderliche Datenträger zu verwenden.

2.2 Beweisführung nach französischem Recht

Im französischen Zivilrecht wird zwischen der Beweisführung bei Tatsachen (43) und der Beweisführungen bei Rechtshandlungen (44) unterschieden. Bsp. für ersteres sind z.B. das Versenden eines E-Mails oder die Verbreitung einer WWW-Page. Unter letzterem können z.B. via Internet geschlossene Verträge oder Zahlungen verstanden werden.

Für die Beweisführung bei Tatsachen sieht das französische Zivil- und Handelsrecht eine freie Beweisführung vor. Damit können Beweise auf jedem Rechtsweg erbracht werden. Ob die dem Gericht im Rahmen der Beweisführung vorgelegten Computerdokumente geeignet sind, eine Behauptung zu belegen, liegt im Ermessen des Richters.

Im Rahmen der Beweisführungen bei Rechtshandlungen wird im folgenden auf im Internet geschlossene Verträge eingegangen, da in der bisherigen Argumentation darauf das Hauptaugenmerk gelegt wurde. Im französischen Recht wird im Vergleich zu anderen Beweisstücken das Schriftstück priorisiert. Um einen Vertrag zu beweisen, ist im allgemeinen ein unterschriebenes Original erforderlich. Allerdings treten auch Fälle auf, bei denen kein Schriftstück zum Beweis eines Vertrags notwendig ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein außergerichtliches Geständnis vorliegt. Als ein außergerichtliches Geständnis wird verstanden, wenn die Ausführung eines via Internet geschlossenen Vertrags begonnen wurde. (45) Eine erfolgte Zahlung beweist z.B. das Bestehen eines Vertrags. Liegt der Vertragswert unter der Grenze von 5 000 FF, so kann gemäß französischem Zivilrecht (46) eine freie Beweisführung erbracht werden. Damit kann sich die Beweisführung aller Rechtswege, also auch der im Internet verkehrenden Computerdokumente, bedienen.

2.3 Beweisführung nach nordamerikanischem Recht

Damit gemäß dem nordamerikanischen Recht ein Beweis vor Gericht als rechtserheblich gewertet wird, muß die Echtheit (47) des aus dem Internet stammenden Computerdokuments bewiesen werden und das Computerdokument muß sowohl nach der sog. best evidence rule (48) als auch der sog. hearsay rule (49) zulässig sein.

Um die Echtheit eines Computerdokuments aus dem Internet zu beglaubigen, muß der Ursprung und seine Unversehrtheit bewiesen werden. (50) Bei der Frage nach dem Ursprung ist zu klären, ob das Dokument tatsächlich auf die angegebene Web-Adresse zurückführbar ist. Die Unversehrtheit eines Computerdokuments ist bewiesen, wenn eine exakte Aufzeichnung oder eine Kopie der Nachricht vorgelegt werden kann. In einigen amerikanischen Bundesstaaten und in kanadischen Provinzen gelten zusätzlich sog. "statutes of frauds", gemäß denen eine Unterzeichnung mancher Dokumente vorgeschrieben ist. Die Vorschrift wird allerdings weit gefaßt. Als Unterschrift wurden maschinenschriftliche Namen und Stempel anerkannt. Da ebenfalls die Namen auf Telegrammen vor Gericht als Unterschrift akzeptiert wurden, (51) kann gefolgert werden, daß elektronische (auch nicht kryptographisch gesicherte) Zeichen zur Beglaubigung einer Nachricht genügen.

Gemäß der best evidence rule ist das Gericht verpflichtet, nur das bestmögliche Beweismittel, das eine Partei vorbringen kann (das Originaldokument), in Betracht zu ziehen. (52) So kann z.B. die elektronische Annahme eines Angebots per E-mail nicht dadurch bewiesen werden, daß die elektronische Post ausgedruckt wird, da der Ausdruck lediglich eine Kopie eines aus elektronischen Daten bestehenden Originals darstellt. Des weiteren kann der Beweis auch nicht dadurch erbracht werden, daß elektronische Daten der E-mail hervorgebracht werden, da diese lediglich mittels Computer lesbar sind. Die best evidence rule wird durch die Federal Rules of Evidence (53) eingeschränkt. Hierbei handelt es sich um eine bundesstaatliche Gesetzgebung, deren Ziel die Vereinheitlichung der Beweisregelungen in den Vereinigten Staaten ist. Gemäß der Federal Rules of Evidence sind alle elektronischen Aufzeichnungen als Schriftstücke zu betrachten. Der Ausdruck derselben stellt eine vertrauliche Vervielfältigung der elektronischen Daten dar und ist gemäß Art. 1001 Abs. 3 der Federal Rules of Evidence als Original zu betrachten. Da die Federal Rules of Evidence von den meisten Bundesstaaten angenommen wurden, kann dort z.B. eine Web-page oder eine E-mail als Beweismittel vorgebracht werden.

Gemäß der hearsey rule kann keine Beweisführung erbracht werden, die sich auf Dokumente stützt, von deren Inhalt der Verfasser nicht persönlich erfahren hat. (54) Diese Regel leitet sich aus dem Recht einer Partei ab, vor Gericht die Zeugen der Gegenpartei ins Kreuzverhör zu nehmen. Hierfür ist das Zeugnis des Verfassers des Dokuments und die Tatsache notwendig, daß der das Zeugnis ablegende Verfasser persönlich über den Inhalt des Dokuments Bescheid weiß. Ist dies nicht der Fall, so wird das Computerdokument von der Beweisführung ausgeschlossen. Werden Dokumente im Internet von einem allein und unabhängig arbeitenden Benutzer erstellt, so findet die hearsey rule keine Anwendung. In dem der Untersuchung zugrundeliegenden Fall könnte sich allerdings folgender Kontext ergeben: Die Sekretärin eines oben dargestellten Kunden mit Client-Software gibt per Computer einen Text ein, welchen sie per E-mail an die virtuelle Bank sendet. Mit diesem E-mail nimmt ihr Direktor ein Vertragsangebot an, ohne trotz seiner persönlichen Kenntnis des Dokumenteninhalts der Verfasser im mechanischen Sinne des Begriffs zu sein. Die Sekretärin als Verfasserin des Computerdokuments hat keine persönliche Kenntnis des Inhalts der E-mail und kann damit nicht über den Inhalt der E-mail als Zeugin vor Gericht aussagen. Ebensowenig kann der Direktor, der persönlich über den Inhalt der E-mail informiert ist, als Zeuge vor Gericht auftreten.

Die hearsay rule kann nach amerikanischem (55) und kanadischen Recht (56) eingeschränkt werden, wenn es sich um Datenkompilierungen, Memos, Berichte oder Register handelt, welche im Rahmen der normalen Tätigkeit eines Unternehmen erstellt werden. (57) Hierunter ist z.B. der Versand von E-mails der Einkaufsabteilung eines Unternehmens zu verstehen, wonach Vertragsangebote angenommen werden. Nach amerikanischem Recht genügt es, daß die Person(en) als Zeugen vor Gericht auftreten, welche über die Zuverlässigkeit des EDV-Systems sowie die Registrierung und Aufbewahrung der Daten informiert sind. Diese Anforderung kann sowohl auf EDV-Experten zutreffen, als auch auf die in obigem Beispiel genannte Sekretärin, da ein besonderes technisches Gutachten des EDV-Systems nicht notwendig ist. Gemäß kanadischem Recht braucht in diesem Fall das Unternehmen lediglich die Person als Zeugen zu benennen, welche im mechanischen Sinne das Dokument erstellt hat. Somit kann die E-mail versendende Sekretärin vor Gericht als Zeuge auftreten, obwohl sie nicht über den Inhalt des Dokuments informiert ist.


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D. Zusammenfassung, Fazit und Ausblick

In Kapitel B wurde der aktuelle Stand des Internet-Banking aufgezeigt. Es wurde deutlich, daß das Angebot von Finanzdienstleistungen via Internet im europäischen Bankensystem im Vergleich zum amerikanischen Bankensystem noch sehr unterentwickelt ist. Primär wird in Europa die erste Stufe, die Bereitstellung von Informationen, realisiert. Vergleicht man den Entwicklungsstand der elektronischen Marktplätze in Deutschland mit dem in England, so zeigt sich, daß das englische Bankensystem dem deutschen um nach Einschätzung des Verfassers ca. 2 Jahre vorraus ist. Der von ESI-Sharelink angebotene Wertpapierhandel via Internet an der Londoner Börse stellt einen Meilenstein in der Entwicklung von Finanztransaktionen per Internet dar. Den Entwicklungsvorsprung der amerikanischen Banken schätzt der Verfasser auf ca. 5 Jahre. Gerade aber den deutschen Großbanken bietet sich die Chance, durch ihre Zweigstellen und Tochtergesellschaften in den Vereinigten Staaten Know-how im Bereich Internet-Banking zu erwerben.

In Kapitel C wurden drei Szenarien vorgestellt, wie sich die Internet-Bank der Zukunft entwickeln könnte. In Szenario 1 kooperieren mehrere Spezialanbieter im Rahmen eines virtuellen Bankenverbunds. In Szenario 2 besitzt der Netzanbieter die Möglichkeit, aufgrund seiner Marktposition die virtuelle Bank für den Kunden auszusuchen, die seine nachgefragte Dienstleistung am besten befriedigen kann. In Szenario 3 ist es der Kunde, dem durch die Zusammenfassung aller Banken in einer Client-Softwareoberfläche die Auswahl der virtuellen Bank obliegt. Mittelfristig hält der Verfasser Szenario 1 für am wahrscheinlichsten. Langfristig ist allerdings durchaus die in Szenario 3 dargestellte Form des Bankensystems vorstellbar, die eine völlige Globalisierung mit sich bringt.

Durch die Globalisierungstendenzen gewinnt auch das angesprochene Internationale Privatrecht im Bankensektor deutlich an Gewicht. Im Zusammenhang mit dem Internationalen Privatrecht wurde auf den Vertragsschluß im Internet eingegangen. Die dort angesprochene Problemkonstellation kann eine international agierende deutsche Bank nach Ansicht des Verfassers zur Zeit am besten wie folgt lösen:

Dem Vertragspartner (Banken im internationalen Verbund, Near- und Non-Banks, Netzanbieter oder Kunden) sollte ein digitales Dokument zugesandt werden, welches die beiderseitigen vertraglichen Erklärungen enthält. Vertragabschlüsse, die dadurch zustandekommen, daß der Vertragspartner der Bank eine Angebotserklärung abruft, in welche er wiederum eingibt, alles gelesen und verstanden zu haben, die Angaben bestätigt und mit dem Eingeben seines Namens abschließt, bieten den Banken keinen adäquaten rechtlichen Schutz. Erst durch eine als sicher einzustufende Verschlüsselung gemäß z.B. dem RSA-Verfahren können die Banken ihre Finanztransaktionen auch rechtlich absichern. Ist dies aus technischen Gründen noch nicht realisierbar, so sollte wie bisher auf einen Vertragsabschluß in Papierform nicht verzichtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach der anwendbaren Rechtsordnung eine Formerfordernis besteht. Da die Grenze zwischen elektronischen Informationen und beweglichen körperlichen Gegenständen rechtlich noch nicht eindeutig gezogen wurde, sollte das UN-Kaufrecht vertraglich ausgeschlossen werden. Wird ein Vertragsabschluß per Internet präferiert, so lassen sich die AGB am besten mittels einem Hypertext Link in den Vertrag einbauen. Dabei ist zu achten, daß sie nicht in unverhältnismäßiger Länge eingespielt werden und die Verwendung von AGB im Zweifelsfall den strengeren Regeln für Nichtkaufleute unterliegt.

Durch die Errichtung des Europäischen Amtes für Telekommunikation (E.T.O.) und dem Richtlinienentwurf vom 14. November 1995 wurde der Handlungsspielraum für den Internet Service Provider erweitert. Im Rahmen der Europäischen Union und der N.A.F.T.A. konnte damit eine Marktöffnung erwirkt werden und der Internet Service Provider wurde befähigt, seine Dienstleistungen ungehindert in allen Mitgliedstaaten anzubieten. Sollte dem Internet Service Provider die Aufgabe einer Beweisführung zukommen, so kann diese erleichtert werden, wenn er dauerhafte und möglichst unveränderliche Datenträger verwendet hat.

Als wichtige Schritte zur Schließung rechtlicher Lücken im Bereich Internetrecht ist die "EG-Richtlinie 96/9/EG vom 11.03.1996: Rechticher Schutz von Datenbanken" (58) und der Vorentwurf vom 07.06.1996 zum "Gesetz des Bundes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste" zu nennen. Es bleibt zu hoffen, daß weitere Schritte in diese Richtung im supranationalen Rahmen durchgeführt werden, um den Aufbau von elektronischen Marktplätzen und die Durchführung internationaler Finanzgeschäfte rechtlich abzusichern.


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Literaturliste:


von Bar , Chr. (1987): Internationales Privatrecht, Erster Band, Allgemeine Lehren, München.

von Caemmerer , E., Schlechtriem , P. (1995), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht-CISG, 2. Aufl., München.

Cheswick , W.R., Bellovin , S. M. (1996): Firewalls and Internet Security, New York.

Europa-Dokumente (1996), Heft 6/1996, S. 157 ff.

Fritzsche , J., Malzer , H. M. (1995): Ausgewählte zivilrechtliche Probleme elektronisch signierter Willenserklärungen, in DNotZ.

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Vgl. Heldrich , A. (1996): Kommentierung zu Art. 4 EGBGB, in: Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 55. Auflage, München.

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Kegel , G. (1995): Internationales Privatrecht, 7. Aufl., München.

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Vgl. Kropholler , J. (1994): Internationales Privatrecht, 2. Aufl., Tübingen.

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(c) Joachim Häcker 1997