Dr. Dieter Kraus

Tübinger Examensklausurenkurs Öffentliches Recht SS 1997


1. Klausur, Samstag, 31. Mai 1997: Nichts los im Moos

A. Aufgabentext, B. Lösungskizze
 

A. Aufgabentext:

E ist Eigentümer eines ca. 5 ha großen Seeufergrundstücks, das er zu Freizeitzwecken (Camping und Baden im See) nutzt. Einige Jahre nach dem Grundstückserwerb werden der See sowie sämtliche Ufergrundstücke einschließlich des Grundstücks des E durch Rechtsverordnung unter Naturschutz gestellt. Die formell ordnungsgemäß auf das bad.-württ. Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) gestützte Naturschutzverordnung verbietet, näher bezeichnete Moosbiotope zu betreten und läßt im übrigen nur eine naturnahe land- und forstwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke zu. Untersagt ist ferner, auf den Grundstücken zu zelten oder zu lagern, im See zu baden sowie den See mit Wasserfahrzeugen oder Schwimmkörpern aller Art zu befahren. Von der Naturschutzbehörde erhält E auf Anfrage die Auskunft, daß die Nutzungsbeschränkungen als Sozialbindung des Eigentums entschädigungslos hinzunehmen seien. Zwar sei sein Grundstück in besonderer Weise betroffen, da es nicht wie die anderen Grundstücke zu 25 Prozent, sondern zu 75 Prozent aus Moosbiotopen besteht, die nun nicht mehr betreten werden dürfen. Gleichwohl sei eine privatnützige Verwendung, wenn auch in engen Grenzen, möglich. Im übrigen sei es ohne Belang, daß der von E auf seinem Grundstück errichtete Badesteg nun gänzlich entwertet sei, da es sich bei dem Badesteg unstreitig um einen nicht genehmigungsfähigen Schwarzbau handelt. Was das Baden im See angehe, so würde sich das Grundeigentum darauf ohnehin nicht erstrecken.
Fünf Monate nach Erlaß der Naturschutzverordnung stellt E Normenkontrollantrag zum VGH, der allerdings ebenso wie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des VGH nach zusammen zweijähriger Verfahrensdauer erfolglos bleibt. Eine Woche nach der Entscheidung des BVerwG legt er Verfassungsbeschwerde gegen die Naturschutzverordnung zum BVerfG ein.
Zur Begründung trägt er vor, die Naturschutzverordnung entleere sein Eigentum an dem Grundstück zu einer wertlosen Hülse und enteigne ihn damit, ohne daß gemäß der Junktimklausel des Art. 14 III GG über die Entschädigung entschieden sei. Auch als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums könne die Naturschutzverordnung nicht bestehen, weil sie völlig unverhältnismäßig sei und ihn viel stärker treffe als die Eigentümer der Nachbargrundstücke. Die Entschädigungsregelung in § 47 LNatSchG sei als salvatorische Klausel zu vage und daher rechtsstaatswidrig. Außerdem verletzten die Betretungsverbote und insbesondere das Campingverbot seine grundrechtlich verbürgte Freizügigkeit und Fortbewegungsfreiheit.
Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg?

Hinweise:
1. Die Naturschutzverordnung selbst enthält keine Entschädigungsregelung.
2. Vorschriften des Naturschutzrechts sind über die im Sachverhalt genannte Bestimmung hinaus nicht heranzuziehen.
3. Rückgabe und Besprechung: Freitag, 4. Juli 1997, 14-16 Uhr, Audimax.

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erstellt 31.05.97/Kr.