in'side online 4/5'96 - Thema |
AOL
Deutscher Dienst für Anglophile
Während manche Mitbewerber nur ziemlich
halbherzig in ihre Infobahnen zu investieren scheinen, hat
Bertelsmann beim Aufbau seines deutschen AOL-Diensts von Anfang
an eher gklotzt als gekleckert. Innerhalb weniger Monate wurden
51 Einwahlknoten in ganz Deutschland geschaffen, allesamt mit
High-Speed-Zugängen für bis zu 28.800 Bit.
ISDN-Anschlüsse sollen noch in diesem Jahr folgen. Auch bei
der Partnersuche ging man auf's Ganze – America Online ist
mit derzeit rund 4,5 Millionen Kunden der weltweit
größte Online-Dienst. AOL - ein Paradies für
deutsche Online-Surfer?
Mit dem Druck auf den berühmten roten Knopf ging AOL am 28. November letzten
Jahres ans Netz. Gerade das amerikanische Angebot macht AOL schon
heute für Online-Willige interessant. Wer über
ausreichende Englisch-Kenntnisse verfügt, kommt in den
Genuß einer schier unendlichen Informations- und
Software-Fülle. Doch um in Deutschland langfristig
erfolgreich zu sein, müssen deutsche Inhalte her - und bei
deren Aufbau tat sich AOL bislang schwer.
Während deutsche Anbieter erst langsam beginnen, sich in
AOL zu engagieren, füllt man in der Hamburger Zentrale des
Online-Diensts die Lücken auf andere Weise. Ein Mausklick
auf die deutschen Übersichtsseiten kann zuweilen direkt zu
einem US-Angebot führen. Oder man landet gleich im Internet:
Der AOL-Web-Browser ist direkt in die Benutzeroberfläche
eingebunden und kann blitzschnell aktiviert werden, ohne
daß bereits geöffnete AOL-Seiten geschlossen werden
müssen. Doch so gut der Browser integriert ist, so
unzeitgemäß fallen seine Features aus: Wer im Internet
auf HTML-3.0-Seiten stößt, muß auf
Hintergrundgrafiken verzichten. Bilder und Grafiken werden oft
falsch plaziert, von der fehlenden Unterstützung für
Tabellen ganz zu schweigen. Natürlich gibt es Tricks, wie
man den etwas spröden Browser beispielsweise gegen Netscape
2.0 austauschen kann - AOL bietet für diese Zwecke eine
besondere WINSOCK.DLL an.
Natürlich lebt ein solcher Online-Dienst nicht nur von
Inhalten und schon gar nicht ausschließlich von Links, die
ins Internet weisen. Kommunikation ist angesagt, und das
heißt bei AOL auf jeden Fall auch Kommunikation zwischen
den Teilnehmern. Es gibt Chat-Foren, die ausgezeichnet gestaltet
sind, und überhaupt hat man den Eindruck, daß viel
getan wird, um gerade Einsteiger zu Online-Aktivitäten zu
motivieren.
Insgesamt sieht das, was man jetzt bereits vom deutschen AOL
erkennen kann, nicht übel aus. Allerdings wird die Frage, ob
dieser Dienst den deutschen Online-Markt tatsächlich
beherrschen kann, sich erst beantworten lassen, wenn wirklich
zugkräftige deutsche Contents zur Verfügung stehen.
Augenblicklich erscheint das von AOL angepeilte Ziel, in den
nächsten vier Jahren auf zwei Millionen Mitglieder zu
kommen, noch reichlich hoch gesteckt.