in'side online 4/5'96 - Thema |
Einkaufsbummel im Netz
In Deutschland hat der Online-Shopping-Boom gerade
erst begonnen, in den USA ist schon heute praktisch alles im
Internet zu bekommen - das Angebot reicht von Algen zur gesunden
Ernährung bis zu herzigen Plüschtieren. Online-Shops
sind 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche
geöffnet. Verkehrsstaus und volle Busse oder Züge
spielen keine Rolle, weite Fahrten entfallen ebenso wie
Parkgebühren und Strafzettel. Allerdings müssen
bestellte Waren unter Umständen weite (und teure) Wege per
Post oder Paketdienst zurücklegen. Und dann ist da noch die
Sache mit dem Bezahlen...
In Anlehnung an die amerikanischen Malls der wirklichen Welt -
Einkaufszentren der Superlative - sprießen im Internet die
Cybermalls wie Pilze aus dem Boden: Yahoo listet fast 500
virtuelle Einkaufszentren in aller Welt auf. Während in den
amerikanischen Cybermalls bisweilen der Kundenandrang die
Kapazität der Datenleitungen überfordert, haben
Kauflustige in Online-Shops hierzulande noch kein Gedränge
zu befürchten. Wie so oft dürfte auch diese Welle wohl
erst dann so richtig nach Deutschland schwappen, wenn sie im
"Land der unbegrenzten Möglichkeiten" schon fast
wieder am Abflauen ist.
Man muß schon eifrig suchen, will man die weit
verstreuten, meist nur mäßig bestückten
Marktplätze entdecken. Bisweilen nennt sich auch
“Shop”, was eher ein Firmenverzeichnis darstellt - so
zum Beispiel der EUnet
Internet-Shop. Die Bundesdatenautobahn
führt immerhin schon an einigen Läden vorbei, der Marktplatz Deutschland
füllt sich allmählich mit einigen Ständen, Shopping
auf dem Internet bietet ein paar erste Adressen, und auch das Eurocenter
von Europe Online befindet sich noch im Aufbau.
Die Versandhäuser
Zu den deutschen Pionieren in Sachen Online-Shopping
gehören die großen Versandhäuser, die jetzt
praktisch gleichzeitig das Internet zu entdecken beginnen. Seit
Mitte 1995 ist das Versandhaus Quelle
im Internet zu finden. Seit September 95 gibt es eine Site des
Hamburger Otto-Versands im
World Wide Web. Der Dritte im Bunde der großen Versender
ist Neckermann, ebenfalls
seit September 95 dabei.
Chance für kleine Händler?
Während die großen Versandhäuser die Ware
traditionell gegen Rechnung und Nachnahme liefern, geht die
Buchhandlung JF Lehmanns, ein
kleiner Internet-Pionier, neue Wege. Volker Thurner, Mitglied der
Geschäftsleitung: “Neben der Lieferung gegen Rechnung
und der selten gewünschten Zahlung per Kreditkarte bieten
wir eine hausinterne Kreditkarte an. Dadurch, daß wir alle
dazugehörigen Angaben direkt prüfen können, ist
diese Karte sehr sicher.” Lohnt sich die Online-Präsenz
für Händler? Die Aussagen dazu sind sehr
unterschiedlich. Begeistert berichtet Andrew Sternthal, Marketing
Director beim US-Musikversender CDnow:
“Wir sind seit August 1994 online und machen derzeit 300.000
Dollar Umsatz im Monat – und zwar ausschließlich
über das Internet.”
Bei JF Lehmanns gibt man sich nüchterner: “Das
Internet-Angebot ist für uns strategisch wichtig.
Kostendeckend arbeitet es jedoch noch nicht.”
Die Frage nach dem Sinn
Welche Vorteile hat der Käufer beim Online-Shoppen? Eines
der am häufigsten angeführten Argumente betrifft die
leidigen Ladenschlußzeiten. Online-Shops sind sozusagen 24
Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche geöffnet.
Verkehrsstaus, überfüllte Busse oder Züge spielen
keine Rolle. Fahrtkosten entfallen ebenso wie Parkgebühren
(oder Strafzettel!). Selbst wer in einer Großstadt lebt,
findet vor Ort kein so breites Anbieter- und Warenspektrum wie in
den globalen Datennetzen. Und seit kurzem wird gezeigt, daß
sogar Preisvergleiche über Web-Sites möglich sind: Der
Bargain Finder des Virtual
SMART STORE von Anderson vergleicht die aktuellen Preise
für Musik-CDs in acht Shops miteinander.
Besondere Kostenvorteile darf sich der Online-Kunde im
allgemeinen nicht erhoffen. Die großen deutschen
Versandhäuser beispielsweise bevorzugen ihr Online-Publikum
kaum: Lediglich einige Gewinnspiele geben zusätzliche
Anreize. Bei internationalen Einkäufen fressen
Transportkosten und Zoll einen etwaigen finanziellen Vorteil
meist auf. Das vielleicht wichtigste Argument, das
unwidersprochen unterm Strich stehenbleibt, betrifft immer die
Bequemlichkeit. Ihr zuliebe sind schon viele Technologien
entwickelt und erfolgreich vermarktet worden; sie stellt
ähnlich wie das Gewinnstreben fast so etwas wie eine
Grundneigung des Menschen dar.
Einkaufen im Jahr 2000
![](../../images/ionline/0496/versand.gif)
Eine menschenleere Versandhalle: Hier tun Maschinen die
Arbeit. Große Versandzentralen bearbeiten die
Aufträge, die übers Internet hereinkommen. Durch den
hohen Automationsgrad können die Preise niedrig gehalten
werden. Was für Einflüsse solche Strategien auf die
Arbeitslosenzahlen haben, steht auf einem anderen Blatt.
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An Interesse scheint es nicht zu mangeln. Holger Maass, Autor einer
World-Wide-Web-Studie für den deutschen Markt:
“39 Prozent aller Befragten gaben an, entweder schon
online gekauft zu haben oder dies vorzuhaben. CD-ROMs, Software,
CDs und Bücher liegen dabei an vorderster Stelle.”
Die Marktforscher bei IDC haben im Rahmen einer Umfrage unter
deutschen Netzsurfern gar festgestellt, daß die Idee des
Online-Shopping über 60 Prozent der Befragten gefiel. So
gesehen könnte das Einkaufen über die Datenleitung auch
bei uns irgendwann den Versandhandel bestimmen – zumindest
bei einigen Produktsparten. Daß wir in zehn Jahren jedoch
die Brötchen beim Bäcker per Internet bestellen, bleibt
trotz Online-Optimismus eher unwahrscheinlich.
Dies konnte natürlich nur ein kurzes Streiflicht zu
diesem Thema sein. Mehr dazu und vor allem jede Menge Beispiele
für interessante Shopping-Möglichkeiten im Web finden
Sie in der aktuellen Heftausgabe der in'side online.