Frühjahrs-ECTS 1996
Schwanengesang
Auch die einst größte europäische
Frühjahrs-Spielemesse, die ECTS in London, hat mittlerweile
unter der Anziehungskraft der E³ zu leiden, die noch in
diesem Monat nach Los Angeles lockt. Trotzdem gab es noch eine
Vielzahl sehenswerter Neuheiten.
Mehr als 100 Aussteller trafen sich zur diesjährigen
Frühlings-ECTS im altehrwürdigen Kensington Olympia, um
ihre Spielekollektionen vorzustellen. Auf der einen Seite gab es
zwar Gerüchte, dieser Messetermin könne schon im
nächsten Jahr ausfallen, auf der anderen war die Abwesenheit
ganz großer Companies wie Electronic Arts und Virgin auch
für eine positive Überraschung gut: Den freigewordenen
Messeplatz füllten nämlich eine ganze Menge kleinerer
und kleinster Firmen, die erstmals ausstellten, aber
nichtsdestoweniger Beachtliches zu zeigen hatten. Und damit
hinein ins Vergnügen.
Quake Talk
Unübersehbares Highlight der Show war die Quake Suite
von id Software. Um das lang erwartete Game
einmal probeweise anzuspielen, mußte
man erst mal durch ein
düsteres Treppenhaus, das komplett im beklemmenden
Dungeon-Ambiente gestylt war. Zu sehen gab es jedoch vorerst nur
die Deathmatch-Demo, die schon im Internet die Runde macht.Die
ständige Überfüllung des Testraums, in dem sich
sechs Spieler einen Shoot-out liefern konnten, war der beste
Beweis dafür, daß das 3D-Genre noch lange nicht tot
ist. Jay Wilbur, der Kopf hinter dem Megagame, hatte jedoch auch
neue Infos mitgebracht. Das Spiel ist jetzt zu 85 Prozent fertig,
und es existieren bereits 12 getestete Single-Player-Levels. Der
Schwerpunkt des Games soll jedoch der Multiplayermodus sein. Ein
erster Test mit 16 Spielern im Internet verlief reibungslos.
Durch die Client/Server-Architektur der Engine soll das ganze
arbeiten wie ein Deathmatch-Webbrowser. Man startet zum Beispiel
auf einem Server in Deutschland und wechselt auf einen
amerikanischen Server, indem man einfach durch eine Tür
geht. Auf die Frage, wann das Game endlich in den Läden
landet, sagte Jay nur: 'Wenn die restlichen 85 Prozent
fertig sind.'
3D made in Germany
Etwas versteckt am Stand von Warner hielt eine neue deutsche
Softwareschmiede ein weiteres Messe-Highlight bereit. Terratools
aus Berlin/Babelsberg nennt sich die Truppe, die der 3D-Experte
Ulrich Weinberg um sich gesammelt hat. Die aufstrebende Company
sorgte bereits mit ihren virtuellen Studios für Aufsehen und
will jetzt auch im Spielegenre mitmischen. Zwei neue Titel sollen
den Weg
dahin bereiten.The Race ist ein futuristisches
Rennspiel mit sagenhaft schneller Voxel-Engine. Der Knaller ist
jedoch Your Personal Amok. Das Game
läßt sich am ehesten mit einer 3D-Variante von Command
& Conquer vergleichen. Als Spieler bewegt man eine mobile
Festung durch eine Voxel-Welt und schickt seinen Feinden ganze
Wellen der verschiedensten Kampffahrzeuge entgegen. Die
verschiedenen Fahr- und Flugzeuge können Einzelmissionen
übernehmen, in Gruppen kommandiert werden und von Freunden
der Handarbeit auf Mausklick auch individuell aus
First-Person-Perspektive gesteuert werden. Jedes
Fortbewegungsmittel hat seine eigenen Bewegungsmodi. In der
gezeigten Vorabdemo ließen sich bereits Hunderte von
Fahrzeugen aussetzen, ohne daß die Engine ins Stottern kam.
Das ganze sieht obendrein auch noch phantastisch aus und stellt
mit seinen sehenswerten Explosionen und Transparenzeffekten
internationale Hits locker in die Ecke. Bis zum Herbst soll der
brandheiße Strategie-/Action-Knaller fertig sein. Wir
bleiben dran.
Lucas * 5
Publikumsliebling LucasArts hat
neben diversen Konsolenkonvertierungen gleich fünf neue
PC-Titel in Arbeit. Alle Star-Wars-Fans können sich schon
mal auf die Fortsetzung von Dark Forces freuen (Dark
Forces 2: Jedi Knight), worin der aus dem ersten Teil
bekannte Söldner Kyle Kartan wichtige Dinge über seine
Vergangenheit erfährt. Wen wundert’s, er ist
natürlich auch ein verlorengegangener Vetter der
Skywalker-Sippschaft. Um es mit Vaders Worten auszudrücken:
'Die Macht (röchel) ist stark in dem jungen (keuch) Kartan'.
Bis zum offiziellen
Ritterschlag
muß er sich jedoch erst mal mit sieben abtrünnigen
Jedis auseinandersetzen. Ebenfalls aus einer weit entfernten
Galaxie stammt X-Wing vs. Tie Fighter, mit dem
die beliebte Space-Shooter-Serie fortgesetzt und um die lang
erwartete Multi-Player-Option erweitert wird. Nicht ganz so
spaceorientiert geht es in Outlaws zu. Das
Multi-Player-fähige First-Person-Ballerspiel orientiert sich
an klassischen Italo-Western der 60er Jahre. Der Held hat
Streß mit habgierigen Eisenbahnbaronen und sorgt in
Clint-Eastwood-Manier für Shootouts in Saloons,
Bahnhöfen sowie – natürlich – um 12 Uhr
mittags auf der Hauptstraße. Eine klare Parodie auf Sim
City ist Afterlife. Am achten Tage bekommt der
liebe Gott Lust auf ein wenig Urlaub. Damit der Laden
weiterläuft, wird die Verwaltung von Himmel und Hölle
an den Spieler übergeben. Der hat nun die Aufgabe, die
Seeleninfrastruktur von Himmel und Hölle gleichzeitig zu
managen. Sim City mal zwei plus jede Menge schwarzen Humors:
Diese Rechnung sollte eigentlich aufgehen. Damit auch die
Jüngsten nicht zu kurz kommen, steht mit Mortimer
das erste Kinderadventure im Tentacle-Stil an. In Begleitung der
Düsenschnecke Mortimer jettet man um die Welt und versucht,
einem verrückten Wissenschaftler ins Handwerk zu pfuschen.
Uwe! Uwe!![Euro96.jpg](../images/euro96.jpg)
Auch 1996 gibt es wieder eine Fußballsaison, und Gremlin hat
die Software, um interaktiv daran teilzunehmen. Euro
’96 bietet ein virtuelles Stadion mit flinker
3D-Engine, spielgeschehensabhängigen Kommentaren,
detaillierten Statistiken, beliebigen Kameraeinstellungen und
eigentlich allem, was man von einer modernen Soccer-Sim erwarten
kann. Der besondere Clou sind jedoch die Spieler, die erstmals
als echte 3D-Polygonfiguren antreten (statt der sonst
üblichen Sprite-Animationen). Der Vorteil sind beliebige
stimmige Kameraperspektiven und eine Menge freier Speicher, der
dafür mit um so mehr Animations-sequenzen aufgefüllt
werden kann. Sieht sehr gut aus und soll bis zum Saisonstart
fertig sein.
Was ist normal?
Etwas ist faul im Staate Neutropolis. Als vor 30 Jahren einer
der Stadtväter in die Luft gejagt wurde, hat sich die Stadt
seltsam
verändert. Alles wurde unter dichtem Smog begraben, und die
Bevölkerung wurde von allgemeiner Apathie befallen. Alles
was nur den wagen Anschein von ein wenig Fun bietet, ist
verboten, die Leute entwickeln keine Ideen mehr, und zu allem
Überfluß kontrolliert die Norm-Patrol, ob sich auch
jeder an die Regeln der Normality hält.
Kent hingegen ist ein echter Fremdkörper. Der junge Freak
ist der Weltmeister im Coolsein und hat ein ernsthaftes
Hygieneproblem. Der hippe Typ ist der Held des 3D-Adventures und
wurde von der Norm-Patrol mit einem Wochenende Stubenarrest
belegt. Klar, daß er sich nicht daran hält und
versucht, hinter das Geheimnis der allgemeinen Langeweile zu
kommen. Mit Normality dehnt Gremlin
das First-Person-Genre in Richtung humoriger Grafikadventures
aus. Man kann sich schon mal darauf freuen, daß ab
nächsten Monat 'normale' Adventures völlig auf den Kopf
gestellt werden.
Aliens im Mülleimer
Ganz im Zeichen des Grafikadventures Down in the Dumps
war der Philips-Stand gestaltet. Mit kaputten
Kühlschränken, altem
Schrott und einer Menge
unidentifizierbarem Müll ähnelte das ganze einer
gewaltigen Abraumhalde. Genau hier fühlen sich die Blubs am
wohlsten. Die Blubs sind die exzentrischste Familie des ganzen
Universums. Nur ungefähr daumengroß, sind die
verrückten Aliens während eines Urlaubstrips nach einem
Unfall auf eine irdische Müllkippe verschlagen worden und
müssen nun in zahlreichen haarsträubenden Abenteuern
ihr Raumschiff reparieren. Phantastische Animationen,
ultrawitzige Dialoge und ein irrsiniger Lösungsweg zeichnen
das Erwachsenen-Adventure der französischen Softwareschmiede Haiku
aus. Der gezeigte Trailer hatte Monty-Python-Qualitäten und
war einer der Mittelpunkte der Show. Im Oktober soll das Game
erscheinen.
Aufziehen,
aufziehen!
Mit Gearheads liegt bei Philips
wieder einmal ein Titel vor, der auf den ersten Blick ein wenig
langweilig wirkt, innerhalb kürzester Zeit jedoch regelrecht
süchtig macht. Der Spieler kontrolliert eine Armee von
aufziehbaren Spielzeugen, und er versucht, sie auf die feindliche
Seite eines Schlachtfelds zu schicken. Entscheidend ist die Zeit,
die man in das Aufziehen der einzelnen Chraraktere steckt.
Hört sich, wie gesagt, simpel an, artet jedoch innerhalb
kürzester Zeit in die heftigsten Desktopschlachten aus.
Feines, kleines Spiel für zwei Leute mit ähnlichem
Langzeiteffekt wie seinerzeit Micro Machines.
Burgerking
The Mutation of J.B., ein Comic-Abenteuer mit
hübschen Grafiken, Witz und komplett deutscher Sprachausgabe
gibt's demnächst neu von Neo.
Johnny Burger trifft eines schönen Tages einen abgedrehten
Professor. Die Folgen sind fatal: Johnny-Boy wird als
Versuchsferkel mißbraucht. Im August soll's fertig sein.
Neuer Allrounder
Die Firma Telstar, ursprünglich nur im Musikgeschäft
aktiv, ist nun auf dem Sprung in den Spielemarkt. Zur
Produktpalette gehören z. B. das Point-and-Click-Adventure Fable
(irre Grafiken, knifflige Rätsel, klasse Animationen,
fetzige Sounds, deutsche Text- und Sprachausgabe), Starfighter
3000 (hoffentlich absturzfreier Vertreter der Gattung
Space-Ballerei), Speedrage (rasantes
Rennspektakel für bis zu 16 Spieler) und Onside
(Fußball-Action kombiniert mit Management-Elementen).
Domarks Höllentrip
Auf
gigantische Spinnen, blutverschmierte Zombies, Orcs und Mumien
trifft man in Domarks
Deathtrap Dungeon. Das Action-Rollenspiel beeindruckt
durch exzellente 3D-Grafiken und bietet neben 55 verschiedenen
Charakteren eine Netzwerk- und Modemoption. Besonders gut
gelungen ist das Zusammenspiel von Licht und Schatten in den
unheimlichen Verliesen. Gruselfans sollten ab September unbedingt
die Äuglein offen halten, denn schließlich stammt das
Game aus der Feder von Ian Livingstone, der einst die für
ihre (Solo-)Rollenspiele berühmte Firma Games Workshop Ltd.
mitbegründete. Außerdem schmiedet das Londoner
Softwarehaus an Robots für Total Mania, das
schnelle Shoot’em-Up-Action mit einer
Achtspieler-Netzwerkoption und Zoom-Funktionen vereint. Ebenfalls
angekündigt ist die 3D-Space-Simulation Terracide.
Neue Akzente
Einen echten Rollenspiel-Leckerbissen hat Psygnosis
auf der Pfanne: Sentient! Als Spieler hat man
die Aufgabe, in einem Raumschiff mit über 200 gerenderten
Korridoren, Hallen und Kontrollräumen einem
rätselhaften Virus auf die Spur zu kommen. Die Charaktere
haben jeweils eigene Gefühle und Reaktionen, die sowohl vom
Spieler als auch von der Umgebung beeinflußt werden –
das Game könnte neue Akzente setzen.
Glanznummer
Ocean
glänzt derzeit mit Titeln der Darmstädter Firma Neon. Tunnel
B1 (Balleraction) wurde auf der Playstation vorgestellt,
die PC-Version gibt’s in Kürze. Außerdem darf man
auf Viper (3D-Shoot’em-Up) und Vanished
Powers (Rollenspiel) gespannt sein.
Oh mein Gott!
Was tun, wenn der liebe Gott mal in Urlaub gehen will? Microprose
hat die Antwort: Klar, er braucht eine Vertretung! In Citizens:
Backwater Affairs soll man als Spieler Gott für
zwei Wochen vertreten. Bei dem im Comic-Stil gehaltenen Game gibt
es 'ne Menge zu lachen. Freut Euch drauf!
Flipper-Baustelle
Nirgends gibt es eine ähnlich große Auswahl an
Flipper-Simulationen wie bei 21st
Century. Da erscheint es fast logisch, daß die
Softwareschmiede nun auch ein Pinball Construction Kit
herausbringt (geplant für Herbst). Das Teil bietet 16
Hintergründe, 16 Zentralgrafiken, über 600
Grafiksticker, mehr als 80 Jet-Puffer – kurz, alles, was das
Herz eines Flipperfans begehrt.