Der Preis der Freiheit
Wing Commander geht in die vierte Runde: mit alten
Stars, neuen Feinden und gewohnter Video-Feinkost.
Die
Weihnachtsüberraschung von Origin hat in diesem Jahr ein
wenig Verspätung: Nach monatelangen Vertröstungen mit
Multi-Megabyte-Demos und diversen Ankündigungen für die
Veröffentlichung ist Wing Commander IV jetzt endlich
gelandet.
Die Fans wird’s freuen. Kaum ein Spiel hat eine derart
treue Spielerschar, die Jahr für Jahr darauf fiebert, vom
Hexenmeister Chris Roberts mit einem neuen Abenteuer aus fernen
Welten bedient zu werden. Wo aber sollen noch Neuerungen
hineingesteckt werden? Bereits Wing Commander III wartete in
erster Linie mit technischen Verbesserungen auf, spielerisch
waren die Ideen eher mager.
Auch Wing Commander IV setzt auf Altbewährtes: Das Spiel
basiert auf einem Handlungsrahmen, der durch Filmeinspielungen
vorangetrieben wird. Wie sich aber diese Handlung entwickelt,
hängt von den Entscheidungen des Spielers während der
Missionen ab. Und in diesen Missionen geht es darum, feindliche
Schiffe, Raumstationen oder Bodenziele auf Planeten anzugreifen.
Erfolg und Mißerfolg, zuweilen sogar die Art und Weise des
Erfolgs, ändern das Schicksal des Helden. Und um die
Handlung möglichst variabel zu halten, spendierte Chris
Roberts seinem neuesten Streich sage und schreibe 70 verschiedene
Missionen, von denen zirka 35 durchlaufen werden müssen, um
das Spiel zu Ende zu bringen.
Wieder schlüpft man dabei in die Rolle des Colonel Blair,
dargestellt vom Krieg-der-Sterne-Veteranen Mark Hamill. Nach dem
Sieg der Konföderation über die Kilrathi (WC III) hat
sich Blair zur Ruhe gesetzt und fristet sein Leben seitdem als
gewöhnlicher Farmer.
Doch
die Ruhe währt nicht lange. Die Konföderation bekommt
zunehmend Ärger mit ihren eigenen Verbündeten, den
Grenzwelten. Außerdem sorgen Piraten dafür, daß
die Passagen zwischen den Sternen immer gefährlicher werden.
Blair wird deshalb wieder aktiviert und landet auf Befehl von
Admiral Tolwyn (Malcolm McDowell) auf dem Trägerschiff
Lexington. Dort trifft er auf alte Freunde: Captain Eisen (Jason
Bernard) ist der neue Chef der Lexington, und mit dem
liebenswerten Großmaul Maniac (Tom Wilson) und dem
Kartenspieler Vagabond trifft er zwei Piloten aus alten Tagen
wieder.
Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz. Die
Grenzwelten verweigern immer aggressiver die Gefolgschaft und
brechen endgültig mit der Föderation, da sie die
Schikanen der Konföderation nicht mehr ertragen können.
Selbst Blair kommt es merkwürdig vor, wie mit den
Außenweltlern umgegangen wird. Als schließlich auch
noch Captain Eisen samt Maniac und Vagabond zum Gegner
überlaufen, muß sich Blair entscheiden – der
Preis der Freiheit ist die Loyalität zur Konföderation.
Die Story hat es also wirklich in sich. Intrigen und
Verwicklungen brechen mit dem alten Schwarz-Weiß-Schema von
Gut und Böse. Natürlich gibt es noch die finsteren
Bösewichte, aber bei Wing Commander IV gibt es deutlich
feinere Nuancen als beim Vorgänger. Selbst in den
Gesprächen mit Besatzungsmitgliedern muß man nun
vorsichtiger sein: An manchen Stellen der Filmsequenzen stehen
zwei Antwortmöglichkeiten zur Verfügung. Die
Spielhandlung hängt nicht unwesentlich von der Art der
Statements ab, die man während der Dialoge wählt –
das war bei Wing Commander III noch deutlich anders.
Mehr Feinschliff hat das Programm allerdings nicht zu bieten.
Lediglich ein paar technische Verbesserungen erfreuen Auge und
Ohr: Dank SVGA und hoher Farbtiefe werden Mark Hamill und seine
Mitstreiter ins bestmögliche Licht gerückt. Und damit
die Ohren im Kampf richtig klingeln, sorgt ein berauschend guter
Dolby-Raumklang für sattes Star-Wars-Feeling.
Doch
das Gefühl ist ja nicht neu: Wing Commander IV bietet
während der Missionen nichts anderes als schon in den Teilen
zuvor: Per Stick, Maus oder Tastatur wird gesteuert, zwei weitere
Tasten besorgen die Waffenauswahl (Geschütze oder Raketen).
Ist der anvisierte Jäger erst mal im Fadenkreuz, können
die Raketen losgeschickt werden. Für größere
Brocken wie Kampfstationen und dergleichen benötigt man
zudem ein paar Torpedos.
Doch die Raketen sind in ihrer Zahl begrenzt. Im harten
Zweikampf müssen die Laser- und Ionengeschütze ran, die
über große Distanzen selten ihr Ziel treffen. Um
dieses Manko auszugleichen, führte Origin schon bei WC III
das Vorhaltefadenkreuz an, das jenen Punkt anzeigt, auf den man
schießen muß, um den Feind in seiner Flugbahn zu
erwischen. Ebenfalls seit WC III bekannt: Die
Tarnkappenvorrichtung für ein paar Spezialeinsätze.
Origin weiß um die Einheitskost im Actionteil des
Spiels. Deshalb sollen verfeinerte Texturen auf den Flugobjekten
und freier Cockpit-Durchblick (keine
"Windschutzscheibe" mehr) für optische Abwechslung
sorgen, und deshalb wurden die Missionen im Schnitt deutlich
schwieriger.
Zu schwierig? Origin bekam wohl Angst vor der eigenen Courage:
Um die Spieler nicht zu frustrieren, kann der eigene Jäger
wie schon bei WC III unverwundbar gemacht und die
Kollisionsabfrage ausgeschaltet werden. Echte Wing-Commander-Fans
werden diese Option wohl nicht einmal bemerken. Denn um WC IV
spielen zu können, kann man auch das Handbuch von WC III
benutzen: Nicht nur die Tastaturbelegung ist die gleiche, selbst
ganze Textpassagen wurden für WC IV übernommen.
msu
Systemvoraussetzungen: 486/75, 8 MB RAM, SVGA,
Doublespeed-Laufwerk
+ hervorragender Surround-Sound
+ sehr variable Spielhandlung
+ verbesserte Videoqualität
– üblicher Missionsablauf
Hersteller: Origin,
Preis: ca. 100 DM
(Review)
Der Hersteller empfiehlt mindestens 8 MB RAM und einen
486DX4/75. Doch allen Aussagen zum Trotz bekommt man das Spiel
sogar auf einem 486DX/40 zum Laufen. Dann allerdings gibt’s
die Videos nur in VGA und schwarzweiß, die Missionen laufen
immerhin in farbiger VGA-Auflösung. Wer aber die Videos in
SVGA und mit 16 Bit Farbtiefe genießen will, sollte schon
über ein Quadspeed-CD-ROM, 16 MB RAM und den empfohlenen
75-MHz-Rechner verfügen. Die Missionen spielen sich
allerdings nur mit einem Pentium 90 richtig gut unter SVGA. Mit
einer Ausnahme: Bodenmissionen laufen erst ab einem Pentium 133
flüssig.
(Review)
Wing Commander IV ist nicht mehr und nicht weniger als das
perfektionierte Abbild von WC III. Aber da klafft eine
Ideenlücke: Spielerische Neuerungen gibt es kaum, nur die
Technik ist gewohnt anspruchsvoll und edel. Die opulente Grafik,
der bombastische Surround-Sound und die SVGA-Texturen sind
wirklich State of the Art. Keine Frage: Fans von Actionspielen
kommen wieder auf ihre Kosten, denn es darf fleißig
geballert werden; die Missionen und die Handlung haben es in
sich.
Doch fünf neue Raumschiffe sind eigentlich ein
bißchen wenig für eine Fortsetzung. Die erwartete
Frischzellenkur fürs Spielkonzept ist ausgeblieben.
Lediglich die Spielfilmteile sind deutlich verbessert worden.
Das merkt man schon an den Datenträgern: Auf sechs CDs
wurden fünfeinhalb Stunden abwechslungsreiche Filmkost
untergebracht, das sind zwei Stunden mehr als noch beim letzten
Spiel. Die Gerüchte scheinen wohl zu stimmen, daß
WC-Schöpfer Chris Roberts für den nächsten Teil
seiner Saga etwas ganz Besonderes vor hat: Wing Commander V soll
kein Spiel, sondern ein abendfüllender Spielfilm werden.
(Review)
Chris, worin siehst Du den Grund für den großen
Erfolg der Wing-Commander-Saga?
Weltraum-Action, gepaart mit realistischen Filmsequenzen
und einer glaubwürdigen Story, das ist der Grund. Hinzu
kommt, daß sich alles in einem geschlossenen, logischen
Universum abspielt, das nie in Verdacht gerät,
unglaubwürdig zu sein.
Warum bevorzugst Du bei den Filmsequenzen immer mehr reale
Schauspieler und Hintergründe?
Um Emotionen richtig darzustellen, brauchen wir richtige
Menschen vor der Kamera. Schauspieler können viel mehr
mit ihren Augen und ihrem Gesicht aussagen, als das mit der
besten Grafik möglich wäre.
Wie ist es, mit Hollywood-Schauspielern zu arbeiten?
Wir hatten viel Spaß. Man hört diese
Horrorgeschichten über schwierige Stars, aber jeder
einzelne war wirklich professionell.
Ist mit WC IV jetzt die Spitze des Eisbergs erreicht, oder
gibt es in diesem Genre noch Raum für Weiterentwicklungen?
Es gibt immer Raum für Weiterentwicklungen. Der Tag,
an dem du dir sagst, daß du das beste gemacht hast, was
möglich ist, ist der Tag, an dem du aufhören und
etwas anderes tun solltest. Ich bin noch nicht soweit, mit
dem aufzuhören, was ich gerade tue.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Wir arbeiten zur Zeit an vielen coolen Sachen. Lest dieses
Magazin, wenn ihr mehr wissen wollt!
(Review)