Robin Hood - Conquests of the Longbow Diesmal will ich Conquests of the Longbow von Sierra vorstellen. Das von Christy Marx (Camelot) programmierte Programm ist ein sehr umfangreiches Adventure. Und eines der besten, das ich je gespielt habe. Zumindest am PC. Am Amiga ist dieses Spiel eigentlich eine Frechheit. Robin Hood (nicht zu verwechseln mit dem namensgleichen Spiel von Millenium) erschien im Jahre 1991 für den Amiga. Zuvor war es bereits für den PC herausgekommen. Ein Freund von mir hatte sich damals das Spiel für den PC gekauft. Nachdem ich es mir bei ihm angesehen hatte, war ich vollkommen begeistert. Sehnsüchtig wartete ich auf die Amiga-Konvertierung. Und sie erschien tatsächlich recht bald! Robin Hood war das letzte Spiel, das Sierra noch für den Amiga konvertierte. Nur Kings Quest VI wurde 1994 noch konvertiert, allerdings nicht von Sierra selbst, sondern von Revolution Software. Und das war gut so, aber das ist eine andere Geschichte. In Robin Hood übernimmt der Spieler die Rolle von Robin, Rächer der Enterbten, der im Sherwood Forest lebt und gegen den betrügerischen Sheriff von Nottingham kämpft. Die Steuerung erfolgt über 5 Icons (gehen, schauen, benutzen, reden, mit dem Bogen schießen) vollkommen mit der Maus. Die grafische Darstellung ist wie bei auch allen anderen Sierra-Adventures jener Zeit. Am Amiga wurde ich sehr brutal von Robin Hood enttäuscht. Die Umsetzung wurde extrem schlampig gemacht. Ich hatte damals gerade eine Festplatte gekauft und eine 68020 (14Mhz) Turbokarte mit 1 MB in meinen Amiga 500 (1MB Chip RAM, Kick 2.04) eingebaut. Damit liefen viele Spiele, die bis dahin kaum spielbar waren, nun recht gut. Nicht so Robin Hood. Die Geschwindigkeit war immer noch fast unspielbar langsam. Robin Hood bewegte sich wie ein Schlafwandler auf dem Bildschirm umher. Die Ladezeiten dauerten trotz Festplatte immer noch lange. Außerdem wurde oft nachgeladen. Weiters waren die Grafiken eine Frechheit. Natürlich kann man die 256 Farben vom PC nicht so einfach am Amiga konvertieren, aber obwohl Robin Hood mit 64 Farben läuft, sieht das Spiel schrecklich aus! Man könnte oft glauben, Stevie Wonder sei für die Farbwahl zuständig gewesen. Manche Texte sind nur sehr schwer lesbar (blauer Text auf blauem Hintergrund). Niemals zuvor habe ich eine derart katastrophale grafische Umsetzung eines PC Titels gesehen. Was das Spiel jedoch absolut unspielbar machte: Es lief vollkommen unstabil und stürtzte andauernd ab. Erst mit 6MB RAM wurde dieses Problem behoben! Wer hat bitte 1991 einen Amiga mit 6MB RAM gehabt? Die Grafiken unter VGA sind ein wahrer Augenschmaus. Nicht der digitalisierte Alptraum, mit dem viele neuere CD-ROM Spiele Eindruck schinden wollen, sondern lauter handgezeichnete Grafiken, jede davon ein kleines Kunstwerk. Wirklich sehenswert. Die Grafiker und Animateure haben wirklich Hervorragendes geleistet. Derart gute, handgezeichnete Grafiken sieht man nur sehr selten bei Computerspielen. Die Grafik von Robin Hood braucht sich auch vor einem Walt Disney Zeichentrickfilm nicht zu verstecken. Was ist jedoch am Amiga damit passiert? Ein fähiger Grafiker hätte die Grafiken auch mit nur 64 Farben noch sehr gut zeichnen können. Für die Konvertierung war jedoch offensichtlich kein fähiger Grafiker zuständig. Während einige der Grafiken noch durchaus brauchbar sind und an die hohe Qualität der VGA-Vorbilder erinnern (das Schlafzimmer des Abtes, die Kapelle), so sind die meisten anderen Grafiken nicht sonderlich aufregend. Einige sind sogar extrem schlecht und wirklich um Lichtjahre scheußlicher als in der Ur-Version (der Jahrmarkt beim Bogenturnier beispielsweise). Vielleicht bin ich auch deshalb so extrem enttäuscht gewesen, weil ich das Spiel zuerst am PC durchspielte. Da Robin Hood auch noch andauernd abstürtzte, spielte ich es am Amiga nicht sehr lange. Ich schrieb einen Beschwerdebrief an Sierra und verbannte Robin Hood in die hinterste Ecke meiner Softwaresammlung. Warum schreibe ich nun also einen Greatest Hits-Artikel darüber? Nun ja, die Zeiten haben sich geändert. Ich habe Robin Hood in den letzten Tagen am Amiga durchgespielt. Ich habe nun einen wesentlich schnelleren Amiga mit viel mehr Speicher, und außerdem erscheinen keine brauchbaren neuen Spiele in dieser Qualität mehr für unseren Rechner. Was sind denn nun die positiven Seiten des Spieles? Die Geschwindigkeit des Spieles wird mit einer 68030-CPU mit mindestens 28 Mhz sowie genügend schnellem Fast-RAM (mindestens 4MB) erträglich schnell. Auch stürtzt das Spiel mit einer derartigen Konfiguration nicht mehr andauernd scheinbar grundlos ab. Wer hat 1991 eine 68030-Karte gehabt? Die Grafik bleibt natürlich immer noch häßlich, aber dafür bekommt man sehr viele Grafiken zu sehen. Fast alle davon sind sogar animiert. Wenn man die VGA-Version nicht kennt, sind sie vielleicht gar nicht sooo schlimm. Die Amiga-Version beinhaltet leider einige Bugs, die sich aber meist nicht gröber auswirken. Die Testphase des Spieles war am Amiga scheinbar nicht sehr intensiv... Einer der beiden für die Konvertierung hauptverantwortlichen Programmierer will nicht in den Credits des Spieles genannt werden, so peinlich ist ihm diese Umsetzung! Das eigentliche Spiel (nicht die technische Seite!) ist überaus gut. Die Geschichte ist spannend, die Rätsel sind allesamt völlig logisch und auch größtenteils relativ leicht zu lösen. Das Spiel ist sehr komplex, immerhin ist es auf 8 Disketten verteilt. Die Steuerung funktioniert hervorragend. Für sehr viele Rätsel gibt es die verschiedensten Lösungswege, oftmals drei oder gar vier verschiedene Arten, ein Problem zu beseitigen! Es gibt auch verschiedene Schlußsequenzen, je nachdem, wie man sich im Spiel verhalten hat! Man kann sogar seine große Liebe, Marian, im Spiel sterben lassen und dennoch zu Ende spielen. Robin stirbt übrigens niemals einen unerwarteten und unvorhersehbaren Tod. Es gibt zwar viele Möglichkeiten, daß Robin stirbt, aber sein Tod ist immer vorhersehbar und man kann abspeichern, bevor man etwas Gefährliches unternimmt. Im Spiel gibt es auch noch ein Spiel-im-Spiel. Um an einen Edelstein zu gelangen, muß man mit einem alten Mann Mühle spielen. Auch ein paar (abstellbare) Action-Sequenzen wurden eingebaut. So steht ein Mann-gegen-Mann Kampf gegen einen Mönch auf dem Programm, ein Bogenturnier (was wäre eine Robin Hood Geschichte ohne ein Bogenturnier?), ein Wettlauf mit der Zeit durch ein Labyrinth sowie eine abenteuerliche Flucht aus einer Festung. Das Programm gibt fast nie dämliche Antworten auf irgendwelche logischen Aktionen des Spielers. Man kann so ziemlich alles ausprobieren, was irgendwie möglich erscheint.Sehr witzig ist es, mit allen im Spiel auftauchenden Tieren zu reden (Schaf, Pferd, Schwein). Wenn Robin stirbt, bekommt er fast immer einen kryptischen Tip, was er falsch gemacht hat. Robin befreit Gefangene aus dem Kerker des Sheriffs von Nottingham, bestiehlt und demütigt den Sheriff und seine dämlichen Schergen, bestiehlt auch den fetten Abt aus der Kathedrale (der es mit dem Zölibat nicht so ganz ernst nimmt), befreit Marian vom Scheiterhaufen, überfällt einen Goldtransport, befreit Gefangene aus einem schwer befestigten Mönchskloster, gewinnt ein Bogenturnier vor den Augen des Sheriffs, nimmt von den Ausbeutern und gibt es den Armen. Oder auch nicht, das liegt ganz in der Hand des Spielers. Natürlich kann man den Soldaten, der gerade ein junges Mädchen entführt auch mit seiner Beute entkommen lassen. Man kann das Spiel auch auf fies spielen! Warum soll man dem Bettler seine Bettlerkleidung abkaufen? Ein geziehlter Bogenschuß erledigt das Problem ebenso. Man bekommt nur weniger Punkte dafür, aber was solls! Fast alle Rätsel lassen sich auch auf die brutale Art lösen. Die Dialoge im Spiel sind oftmals wirklich hervorragend. Zum Beispiel stellt sich der als Diamantenhändler verkleidete Robin dem fiesen Sheriff und seiner Frau als "Gucci of Beverly" vor, um den Sheriff dann ganz massiv zu betrügen. Oder der als Mönch verkleidete Robin segnet auf seiner Flucht den besoffenen Sheriff mit den Worten "May you get what you deserve and may I live to see it". Das Spiel ist überaus intelligent. Zum Beispiel folgende Szene: Als Diamantenhändler verkleidet geht Robin zum Eingang der Burg des Sheriffs. Vor dem Tor steht eine Wache. Wie jeder kluge Adventure-Spieler speichere ich nun das Spiel erstmals ab, bevor ich mit der Wache rede. Danach erst rede ich mit der Wache (übrigens ein köstlicher Dialog) und werde zum Sheriff geführt. Dort erkennt jedoch die Frau des Sheriffs Robin an seinem auffälligem Bart noch vom Bogenturnier vor zwei Tagen. Robin wird in der Burg überwältigt und gehängt. Pech. Also lade ich den alten Spielstand, wo ich vor der Burg stehe. Ich muß etwas mit meinem Bart machen. Da ich ein rotes Pulver bei mir habe, färbe ich den Bart rot. Ich will es direkt vor der Wache tun. Das erlaubt mir das Programm nicht, wäre ja auch zu dämlich. Ich soll an einem ruhigen Platz den Bart färben. Also färbe ich den Bart im Sherwood Forest und komme dann zur Burg zurück. Ich gehe zur Wache und spreche sie an. Die jedoch kann sich noch daran erinnern, daß ich zuvor, als ich vor ihr stand, keinen roten Bart hatte und nimmt mich fest... Im Spiel gibt es viele solche Details. Viele der Punkte sind optional und zur Lösung des Spieles nicht notwendig. Man kann oftmals verschiedenen armen Leuten im Spiel Geld geben oder nicht, man kann die Rechnung des zechenprellenden Abtes beim Wirt bezahlen oder nicht, man kann für Lady Marian Geschenke kaufen oder nicht, man kann sie küssen oder nicht usw. Beispielsweise sieht man zu Beginn des Spieles einen Soldaten des Sheriffs, der eine junge Frau mit sich schleift. Robin kann sich nun dem Soldaten in den Weg stellen. Er kann entweder den Soldaten mit seinem Bogen nach oder ohne Gespräch sofort töten, oder versuchen, die Frau zu befreien, ohne den Soldaten zu töten. Sobald er dem Soldaten jedoch zu nahe kommt, zieht dieser sein Schwert und tötet die Frau, worauf Robin ihn automatisch erschießt. Robin kann auch einfach dem Soldaten aus dem Weg gehen und ihn mit seiner Beute davonziehen lassen... Im Spiel kommen so ziemlich alle Robin Hood-Klichees vor. Obwohl das Spiel eigentlich durchaus ernst ist, wird auch vieles verarscht. Von Präsident Bush (war damals noch im Amt) bis Kevin Costner kriegen alle ihr Fett ab. Auch Heros Quest kommt vor, sogar die Programmiererin von Robin Hood ist im Spiel zu finden! Die Story ist relativ geradlinig. Das Spiel ist in verschiedene Tage unterteilt, und an jedem Tag muß man irgendetws tun. Nachdem man diese Aufgabe (mehr oder weniger gut) erledigt hat, sitzt Robin mit seinen Leuten im Räuberlager und bespricht den vergangenen Tag, wobei man viele versteckte Hinweise erhält, wenn man etwas auch eleganter lösen hätte können. Dann beginnt der nächste Tag damit, daß Robin in seiner Höhle aufwacht. Wenn er aus seiner Höhle tritt, wird ihm meistens von einem seiner Männer berichtet, was an diesem Tag so zu erledigen sein wird. Beispielsweise wird ihm gesagt, daß heute das große Bogenturnier in der Stadt ist, oder das heute die Verbrennung der Hexe Marian in der Stadt am Programm steht. Oder daß die Leute des Sheriffs wieder einmal den Wald durchkämmen um Robin zu fangen. Das Spiel wird durch eine ganze Menge an Sound-Effekten unterstützt. Auch die Musik ist gar nicht so schlecht. Der Packung liegt noch ein Mühle-Spiel bei. Fazit: Obwohl das Spiel für den PC um Längen besser ist, so ist es auch für den Amiga ein gut spielbares, umfangreiches, überaus unterhaltsames und spannendes Adventure. Kaum ein Spiel hat eine derart gute Story, so gute Dialoge und logische Rätsel. Die Rätsel sind auch nicht sonderlich schwer. Wer gute Adventures mag wird auch an Robin Hood seine Freude haben. Die einzige Vorrausetzung ist ein entsprechend aufgerüsteter Amiga. Man muß es ja auch so sehen: Es gibt derzeit nur wenig andere gute Adventures am Amiga. andere Systeme: PC Name: Robin Hood - Conquests of the Longbow Genre: Adventure Company: Sierra Disks: 8 Sprache: englisch, zumindest für den PC gibt es auch eine deutsche Version A 1200 kompatibel: ja Kopierschutz: Ein paar Rätseln sind nur mit Hilfe des Handbuches zu lösen benötigt: Amiga mit 1MB sowie Festplatte (rein theoretisch...) empfohlenes System: mindestens eine 68030-CPU mit 28 Mhz, 6 MB RAM sowie eine schnelle Festplatte. Wolfgang Unger