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Ein Lehrstück aus dem alltäglichen Leben.
Und keiner weiß, wie es endet...
Die Konzentration im Lebensmittelhandel hat in den vergangenen
Jahren enorm zugenommen. Die Branche dümpelt derzeit in der größten
Rezession seit der Währungsreform 1949. Die Umsätze schrumpften
im vergangenen Jahr um real zwei Prozent. Die Einkommen stagnieren seit
Jahren, die Mieten steigen. Die Verbraucher kaufen, was billig ist, und
die großen Ketten des Handels haben darauf reagiert. Mit Schleuderpreisen
liefern sie sich einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb. Damit die
Gewinne nicht schrumpfen, haben die Händler ihren Druck auf die Produzenten
erhöht. Sie spielen ihre Macht aus. Die zehn größten Ketten
im Lebensmittelhandel machen heute bereits 80 Prozent des gesamten Umsatzes.
Je größer die Abnehmer werden, desto mehr geraten die mittelständischen
Hersteller in Bedrängnis. Seit 1992 gaben allein in der deutschen Nahrungsmittelbranche
330 Betriebe auf, rund 50.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz.
Daß Großabnehmer bei ihren Einkäufen niedrigere Preise
durchsetzen, ist normal. Was die Industrie jedoch erbost, sind die stetigen
Versuche der mächtigen Handelsriesen, über solche Mengenrabatte
hinaus zusätzliche finanzielle Vorteile herauszuschinden. Verlangt
werden meist Rabatte, Zuschüsse und Boni in sechsstelliger Höhe.
Die Methoden werden selten publik. Die mittelständischen Unternehmen
zahlen und schweigen. Aus Angst vor der Rache der Handelsriesen (z. B. Auslistung
der Produkte) wagen sie es nicht, Fälle von wettbewerblichem Machtmißbrauch
beim Bundeskartellamt anzuzeigen. Gang und gäbe sind seit langem sogenannte
Eintrittsgelder für Hersteller, deren Waren erstmals in die Regale
kommen. Von den bereits etablierten Markenartiklern fordern die Konzerne
regelmäßig sogenannte Werbungskostenzuschüsse.
Während Discounter wie Aldi, Lidl, Penny und Plus in
den vergangenen Jahren ihren Marktanteil von 42 auf 65 Prozent steigern
konnten, bleiben viele kleine Händler aus der Strecke. Die Überlebenden
schließen sich zu Einkaufskooperationen zusammen. Die Folge: Der Druck
auf die Hersteller nimmt weiter zu. Inzwischen ruft die Konsumgüterindustrie
nach Hilfe aus Bonn. Mit neuen Gesetzen, fordert sie, müsse die Konzentration
im Handel gestoppt werden. (Der Spiegel 26/1996)
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