Warenkunde

Honig
(Schrot und Korn 4/96)

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Mehr als ein kleiner Unterschied

Honig aus ökologischer Imkerei


Wie in kaum einem anderen landwirtschaftlichen Nutztierbereich genießt die Bienenhaltung ein Grund-Vertrauen der KäuferInnen, das sich auf eine natürliche und ökologische Erzeugung und Verarbeitung des Honigs stützt. Aber auch in der Imkerei gibt es Probleme mit den Folgen von Massentierhaltung wie Bienenkrankheiten, medikamentöse Behandlung und Rückstände im Produkt - Argumente für ökologische Imkerei.

Die aus dem indischen Raum nach Deutschland eingeschleppte Varroamilbe löste Ende der siebziger Jahre in Deutschland ein großes Bienensterben aus. Unter den Imkern herrschte Ratlosigkeit. Die eingesetzten chemotherapeutischen Medikamente sollten das Überleben der Völker sichern, allerdings wurden Rückstände der Gifte auch im Honig gefunden. In dieser Situation suchten einige Imker nach Alternativen bei der Behandlung der erkranken Völker und kamen über diesen schwierigen Prozeß schließlich zu einem neuen Ansatz in der Bienenhaltung - der ökologischen Imkerei. Die in der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL) aktiven Verbände erkannten bald den Handlungsbedarf und nahmen sich der Problematik an. Richtlinien zur ökologischen Bienenhaltung gibt es von Demeter, Bioland und Naturland.

Die Anbauverbände haben für ihre Mitglieder Richtlinien für die ökologische Bienenhaltung erarbeitet. Dabei sind die Kernpunkte der Statuten identisch. Demeter legt zusätzlich Wert auf eine besonders ursprüngliche Bienenhaltung.

Die zentralen Forderungen stimmen jedoch überein. Die wichtigsten sind:
  • Keine chemotherapeutischen Medikamente
    Die konventionelle Imkerei erlaubt die Behandlung mit chemotherapeutischen Medikamenten wie zum Beispiel Apistan. Apistan gehört zu den Pyrethroiden (chemische Nachbildungen des natürlichen Pyrethrums). Die ökologische Imkerei verbietet die Behandlung der Bienen mit diesen Medikamenten. Erlaubt sind biotechnische Methoden und einfache Säuren wie Milch- oder Ameisensäure.
  • Bienenwohnung aus natürlichen Materialien
    Die Beute - so heißt die Bienenwohnung in der Fachsprache - darf nur aus Holz, Stroh oder Lehm bestehen.
    Erlaubt sind schadstofffreie Anstriche wie Naturfarben auf Leinölbasis.
  • Wachserzeugung und Naturwabenbau
    Die ausschließliche Verwendung von Bioland-, Demeter- oder Naturland-Wachs und der Naturwabenbau sind wesentliche Forderungen der Öko-Imker. In der konventionellen Bienenhaltung ist es üblich, die Altwaben einzuschmelzen und bei einem Wachsverarbeiter gegen neu gepreßte Mittelwände einzutauschen. So kann es passieren, daß der Imker Medikamentenrückstände in seine Beute einträgt, selbst wenn er keine benutzt. Wachs ist ein idealer Schadstoffträger, da sich die chemischen Stoffe in dem fetthaltigen Material besonders gut anreichern. Noch schlimmer ist es, wenn der Imker chemotherapeutische Medikamente benutzt und seinen eigenen geschlossenen Wachskreislauf betreibt, das heißt das eigene Wachs wieder und wieder einschmilzt.
    Deshalb schreiben die Verbände des kontrolliert biologischen Anbaus verstärkt den Naturwabenbau vor. Dabei wird nur ein Anfangsstreifen aus Wachs vorgegeben, der die Richtung des Wabenbaus lenkt. Das nun von den Bienen frisch erzeugte Wachs darf nach der Nutzung einmal eingeschmolzen und zur Mittelwandherstellung genutzt werden.
  • Wabenhygiene
    Zur Bekämpfung der Wachsmotte sind nur thermische Verfahren sowie Essigsäure zugelassen. Andere Mittel, wie zum Beispiel Paradichlorbenzol, das konventionell angewendet werden darf, können sich im Wachs anreichern.
  • Honigernte
    Verbot von chemischen Repellents bei der Honigernte. Um die Bienen bei der Ernte von den Honigwaben fernzuhalten, dürfen nur mechanische Methoden angewendet werden.
  • Honigverarbeitung und Qualitätssicherung
    Die Anbauverbände schreiben eine schonende Erwärmung des Honigs und eine schonende Lagerung vor. Es dürfen nur Arbeitsgeräte aus lebensmittelechtem Material verwendet werden. Regelmäßige Qualitätskontrollen sind Pflicht.

Kein Bio-Standard
nach EU-Recht

Anders als im Bereich pflanzlich erzeugter Lebensmittel gibt es für Produkte aus tierischer Erzeugung bisher noch keine EWG-Richtlinien. Sie sollen noch im Laufe dieses Jahres erstellt werden. Solange sind die Bezeichnung "Bio oder Öko" noch nicht geschützt und kein einheitlicher Standard geschaffen. Wird dieser allerdings nach dem jetzigen Kurs der EU-Politiker beschlossen, wäre eine Honig-Zertifizierung in Europa kaum mehr möglich. Denn Brüssel setzt bei der Bio-Zertifizierung am Maßstab Fläche an. So sollen die Bienen nach dem Willen der Bürokraten für Bio-Honig nur in solchen Gebieten ihren Nektar und die Pollen sammeln, in denen keine konventionelle Landwirtschaft und keine Spritzmittel angewendet werden. Das ist in Europa nicht durchführbar. Bienen haben einen Sammelradius von bis zu fünf Kilometer und unterscheiden nicht zwischen ökologisch und konventionell angebauten sowie wildwachsenden Pflanzen. Völlig unberücksichtigt bliebe bei dieser Regelung die Wirtschaftsweise des Imkers.

Bio-Honig aus dem Ausland

Solange es noch keine einheitliche Regelung gibt, ist es auf dem Honig-Markt zur Zeit noch etwas unübersichtlich. So bindet zum Beispiel der Imkerhof Allos in Mariendrebber, der Naturkostläden mit Honig aus aller Welt beliefert, seine ausländischen Bio-Honig-Lieferanten, in Absprache mit den EU-Kontrollstellen, an den Richtlinienkatalog der IFOAM (International Federation of Organic Agricultural Movements). Die IFOAM, die Basis-Standards für ökologischen Landbau und Lebensmittelverarbeitung international erarbeitet, hat mit ihrem Richtlinienentwurf ein Papier vorgelegt, das Mindestanforderungen an Honig aus ökologischer Imkerei vorgibt. Der Entwurf soll im August auf der Generalversammlung der IFOAM in Kopenhagen verabschiedet werden. Die Basis-Standards enthalten einige wesentliche Forderungen, die auch die deutschen Anbauverbände aufstellen. Allerdings verlangt auch die IFOAM ein Nektar-Sammelgebiet, das zu 90 Prozent aus ökologisch bewirtschafteter Landwirtschaft oder wilder Vegetation besteht. Nicht berücksichtigt wird die Wachsproblematik.

Allos vermarktet rund 400.000 Kilo Bio-Honig im Jahr. Die Sorten kommen aus Mexiko (Zertifizierung durch OCIA), Kanada (OGBA), Neuseeland (Bio-GRO) und Uruguay. Regelmäßige Laborkontrollen der Honige sollen die hohe Produktqualität absichern. Die 40.000 Kilo Honig aus Deutschland im Allos-Sortiment kommen noch aus konventioneller Imkerei.

Halbe Sachen aus Frankreich?

Für den Naturkostkunden schwierig zu beurteilen ist die Situation bei französischem Honig. Die anerkannte Anbauorganisation Nature et Progres war 1983 der erste Verband, der Richtlinien für eine ökologische Bienenhaltung vorlegte, und auf ihnen basieren auch heute noch viele imkerliche Richtlinien in anderen Ländern. Doch die großen Berufsimker, von denen es in Frankreich wesenlich mehr gibt als bei uns, haben nach wie vor massive Probleme mit der Varroamilbe und werden mit den erlaubten Mitteln wie Milch- und Ameisensäure nicht immer Herr über den Befall. Nature & Progres toleriert deshalb unter Angabe der Zusatzdeklaration "Orgamiel" die Anwendung von Pyrethroiden. "Orgamiel"-Honig ist also kein Bio-Honig. Dem Naturkostkunden bleiben solche Feinheiten allerdings verborgen. Kein Hinweis auf dem Glas verrät etwas über diese praxis. Und so wissen nur Insider über die Bedeutung der Zusatzdeklarierung. Auch Biofranc, eine Honigmarke, die ebenfalls im Naturkostladen zu finden ist, erlaubt die Anwendung von Pyrethroiden. Diese Tatsache ärgert besonders die heimischen Öko-Imker, die den Verbraucher damit getäuscht sehen.

Allos, der französischen Honig im Sortiment führt, weist ihn korrekterweise nicht als Bio-Honig aus. Das Unternehmen kontrolliert diese Chargen besonders auf Medikamentenrückstände zur Sicherung des Qualitätsstandards. Versuche des Honigimporteurs, die französischen Imker zu einer anderen Haltung in punkto chemische Therapeutika zu bewegen, waren bisher erfolglos.

Der Biene kommt in der Natur eine wichtige Aufgabe zu. Sie ist ein wichtiges bestäubendes Insekt und ohne sie könnte die Vielfalt unserer Vegetation nicht erhalten werden. Deshalb ist es sinnvoll, die ökologische Imkerei an fast jedem Standort zu betreiben. Eine Begrenzung auf bestimmte Gebiete, wie es die EU-Kommission plant, würde dem ökologischen Grundgedanken einer flächendeckenden Bienenhaltung widersprechen. Diese Regelung ließe nur Importhonig zur Zertifizierung zu.

Die Zertifizierung "Bio-Honig" ist jedoch nicht nur eine Qualitätsaussage im Sinne einer objektiv beurteilbaren Honig-Qualität, sondern eine soziale Anerkennung des Imkers, der die Bienenhaltung nach den Richtlinien seines ökologischen Anbauverbandes ausrichtet. In Naturkostläden ist Honig aus regionaler Öko-Imkerei bisher noch nicht überall und immer zu finden. Das liegt zum einen am reichhaltigen internationalen Angebot. Zum anderen muß das Bewußtsein für den Sinn der ökologischen Betriebsweise bei den NaturkostkundInnen noch wachsen.
Astrid Wahrenberg



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