Schrot & Korn 6/96
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Ökoeis
Wenn es wieder so richtig sommerlich heiß draußen ist
und einem allein der Gedanke an eine warme Mahlzeit die Schweißperlen
auf die Stirn treibt, dann schmeckt es am besten - Speiseeis. An einem leckeren
Öko-Eis versucht sich die Naturkostbranche jedoch seit einigen Jahren
mit nur mäßigem Erfolg. Mit Honig will der zarte Schmelz nicht
gelingen, ohne Aromen fehlt der bekannte intensive Geschmack. Erst mit Öko-Zucker
scheint das Produkt erfolgversprechend zu werden. Der Sommer kommt also
genau richtig!
"Wir haben uns sechs Jahre das Experiment Bio-Eis geleistet
und zur Jahreswende die Produktion eingestellt", damit schlägt
Thomas Wiedemann vom Saarbrücker Vollwertrestaurant La Carotte das
Kapitel Öko-Eis zu. Der Küchenchef kann seine Enttäuschung
über dieses ehrgeizige Projekt nur schwer verbergen. Immerhin hat La
Carotte über den Eigenbedarf für Restaurantgäste hinaus einige
Naturkostläden der Umgebung mit seinem Vollwerteis beliefert. Der Grund
für den Mißerfolg: Das Öko-Eis wurde von der Kundschaft
nicht angenommen. Denn "süß bis zum Anschlag"
müsse es sein, um das Wohlwollen der Eisgenießer zu erlangen,
stellte Wiedemann fest. So sei nun mal der Eisgeschmack, inzwischen weltweit
geprägt von den großen Eisketten. Das Süßen mit Honig
dagegen ist schwierig. Aufgrund technischer Probleme kann der Honig nicht
in der für den zuckersüßen Geschmack nötigen Menge
unter die Sahne eingerührt werden. Ein weiterer Nachteil des natürlichen
Süßungsmittels: Honig kristallisiert nach vier bis sechs Wochen
in der Kühltruhe aus und verliert an Optik und - viel schlimmer noch
- den zarten Gaumenschmelz. "Das Eis wandert nach fünf Wochen
in die Mülltonne", berichtet Wiedemann. Verluste, die sich
bei den hohen Rohstoffpreisen schnell summieren. Weitere Probleme gab es
auch mit dem Gefrierpunkt. Wo das mit Zucker gesüßte Eis noch
eine dickliche Soße ist, hat das Honig-Eis schon eine beton-ähnliche
Konsistenz, die dem Gaumen überhaupt nicht mehr schmeichelt.
Ohne Zusätze schmeckt Eis nicht genormt
Auch mit anderen Süßungsmitteln wie Birnen- oder Apfeldicksaft
haben die Konditoren und Köche ihr Eisglück versucht. Vergeblich!
Genauso erging es dem Fruchteis: Während in herkömmlichem Fruchteis
wie Erdbeer- oder Zitroneneis in erster Linie Aromastoffe für den intensiven
Fruchtgeschmack zuständig sind und die Obststückchen mehr der
Optik dienen, sind diese Zusätze bei der Bio-Eis-Herstellung tabu.
Klar, daß das Ergebnis anders ausfällt.
Neben dem Geschmack mußte das La Carotte-Bio-Eis mit den Preisen der
herkömmlichen Eissorten konkurrieren. "Die Zutaten wie Biomilch
und Früchte aus kbA sind sehr teuer, im Vergleich zu herkömmlichem
Eis kann hier mit dem Faktor sieben gerechnet werden." Die modernen
Eismaschinen bei der Herstellung im großen Stil schlagen bei der Rohstoffverarbeitung
Stickstoff und Sahne unter und kommen so zum Beispiel bei fünf Litern
Eis auf 2,2 bis 2,4 Liter Masse. Die Saarbrücker dagegen brachten bei
ihrem Konditoreneis 4,2 bis 4,4 Liter Masse auf die Waage. "Konkurrenzlos
teuer", so die Feststellung Wiedemanns. Seine Quintessenz aus
dem Eis-Versuch: "Wer mit Bio-Eis Erfolg haben will, muß
den Massengeschmack treffen und das heißt zuckersüß und
stark im Aroma".
Naturland-Eis
mit Rübenzucker
Ein anderers Konzept verfolgt der Anbauverband Naturland. Seit rund zwei
Jahren testet Naturland zusammen mit Sahnebub, einem regionalen Eiserzeuger,
die Akzeptanz von Bio-Eis in verschiedenen Naturkostläden in Nordrhein-Westfalen.
Probegeschleckt wurden drei Sorten in der Ein-Liter-Box aus Polyethylen
und in Pappbechern zu 100 Gramm. "Der Test", so Gabriele
Rempe vom Verband, "war ein Erfolg." 1997/98 sollen die
verschiedenen Sorten marktreif sein und mit einem Partner aus der Eisbranche
bundesweit vertrieben werden. Die Aufgaben sind klar verteilt: Der professionelle
Eispartner verfügt über Maschinenpark sowie Know-How, und Naturland
liefert die ökologischen Zutaten wie Milch, Sahne, Kakao oder Früchte.
Mit dieser Arbeitsteilung läßt es sich wirtschaftlicher arbeiten.
So wird das Naturland-Eis in der Liter-Box nur um etwa zwei bis drei Mark
teurer sein als herkömmliche Produkte.
Daß das Eis, wenn es sich durchsetzen soll, richtig süß
sein muß, ist auch Naturland klar. Deshalb machte Zucker aus Bio-Rüben
das Rennen. Denn "Eis ist ein Genußmittel - es soll schmecken
und einen leichten Schmelz haben", kommentiert Rempe den Verbrauchergeschmack.
Der Testlauf sollte unter anderem zeigen, ob die NaturkostkundInnen mit
Zucker im Produkt Schwierigkeiten haben. Das scheint jedoch kein Problem
zu sein. "Außerdem", so Rempe, "süß
ist süß, und Honig ist für die Zahngesundheit auch nicht
besser als Zucker." Selbst auf die Intensität des Eigengeschmacks
der Früchte wirkt sich der Zucker günstig aus. Die Fruchtzubereitung
ohne Aromen funktioniert durch die guten Trägereigenschaften des geschmacksneutralen
Zuckers sehr gut.
Einkaufen und sofort essen
Im Rahmen des Testverkaufs in Nordrhein-Westfalen hat Naturland interessante
Details erfahren. So besitzen zum Beispiel nur die Hälfte dieser Naturkostkunden
eine Tiefkühltruhe. Die Familienbox mit der 1-Liter-Füllung wird
in der Regel also nicht eingelagert, sondern direkt gegessen. Und wer glaubt,
daß Eis nur im Sommer Hochsaison hat, geht nicht mit der Zeit. "Eis",
weiß Gabriele Rempe, "hat immer Saison, ob im Sommer oder
im Winter." Diesen Trend haben die konventionellen Hersteller
eiskalt erkannt und mit einem entsprechenden Angebot unterstützt. Üppige,
gehaltvolle Wintersorten wie Mandel, Schokolade, Zimt und Nuß schmecken
besonders in der kalten Jahreszeit.
Öko-Eis aus Italien
Wenn eine Nation für eine fast schon legendäre Eisqualität
steht, dann ist das Italien. Und von dort kommt auch das Öko-Eis, das
auf der Naturkost- und Naturwarenmesse "BIO FACH '96"
präsentiert wurde. Es soll in diesem Sommer in rund 200 deutschen Naturkostläden
in sechs verschiedenen Sorten am Stil und in der 500-Milliliter-Familienpackung
zu haben sein. Das Gelato, hergestellt in einer Eisfabrik in Italien, die
daneben auch konventionelles Eis produziert, enthält gemäß
den Anforderungen an Bio-Eis keine Farbstoffe, Emulgatoren, Milchpulver
oder naturidentische Aromen. Es besteht zu 99,8 Prozent aus biologischen
Zutaten, und kann auf die Bio- Anerkennung per EWG-Zertifizierung verweisen.
Nur das verwendete Johannisbrotkernmehl, ein Naturprodukt, ist konventionell.
Die Eissorten enthalten "50 Prozent frische Bio-Milch, bis zu 25
Prozent, Bio-Sahne und einen Fruchtanteil von 40 Prozent" so Giorgio
Cozzolino, Chef der Münchner Vertriebsstelle. Rund zwei Jahre hat die
Cozzolino-Gruppe an dem neuen Projekt experimentiert. Neben Deutschland
wird das Bio-Eis auch in Österreich vertrieben. Frankreich und die
Schweiz haben ebenfalls Interesse an der Schleckerei bekundet und im Mutterland
Italien soll es das Bio-Eis auch mal geben.
Preislich liegt das Cozzolino-Eis etwa 20 bis 25 Prozent über dem,
was man für gutes konventionell hergestelltes Eis zahlen muß.
Keine Chance für Honig
Auch das italienische Bio-Eis ist mit Öko-Zucker plus weißem
Sirup aus Weizen gesüßt. "Honig", merkt Giorgio
Cozzolino an, "ist in Öko-Qualität nicht in ausreichender
Menge auf dem Bio-Markt vorhanden." Außerdem, so der italienische
Importeur, bringt der Honig unerwünschte Geschmacksveränderungen
mit sich. Und wie seine deutschen Kollegen bemängelt auch er die Konsistenz
bei Honigsüßung: "Das Eis wird zu fest, hat zu wenig
Schmelz."
Der Geschmack entscheidet
Der italienische Eisanbieter hat gute Chancen, mit seinem Öko-Eis die
Gaumen der Naturkostkunden zu erobern. Das weiß auch Giorgio Cozzolino.
Denn auf die Frage nach dem Besonderen an seinem Eis antwortet er mit einem
überzeugenden "Es schmeckt so gut".
Das bestätigt übrigens unabhängig davon Thomas Wiedemann
vom La Carotte. Er war eigens zur Verköstigung des damaligen Konkurrenzprodukts
nach München gereist. "Die werden es schaffen," so
seine Prognose, "Das Eis entspricht dem allgemein gewünschten
Geschmack, und sie haben günstige Voraussetzungen: Eine technisch gut
ausgerüstete Eisfabrik in Italien, Bio-Zertifizierung und einen unschlagbar
günstigen Preis."
Tip fürs Drumherum
Für Ihr selbstgemachtes Eis oder das Öko-Eis aus dem Bioladen
gibt es Waffeltütchen von der Vollkornbäckerei Rosmarin. Mit Zutaten
zu 99 Prozent aus kb-Anbau wie Weizenvollkornmehl, Vollrohrzucker, Kokosfett,
Meersalz und Sojalecethin passen die knusprigen Hörnchen zum hochwertigen
Bio-Eis.
Professionelle Eisherstellung
Eiscreme wird vor dem eigentlichen Gefrieren pasteurisiert, homogenisiert
und "reift" dann kurze Zeit. Sie wird auch durch dieses
spezielle Herstellungsverfahren definiert. Die Rohstoffe werden in der gewünschten
und vorgeschriebenen Menge glatt und geschmeidig miteinander vermischt.
Im Homogenisator wird dieses Vormix glatt und geschmeidig gemacht, indem
die Fett-Tröpfchen auf einheitliche Größe zerkleinert werden.
Beim Pasteurisieren, das sich anschließt, sollen bei 78 bis 80 °C
eventuell vorhandene Mikroorganismen abgetötet und die Keimzahl auf
ein zulässiges Maß reduziert werden. Die gesamte Masse wird dann
auf 0 bis 4 °C abgekühlt. Im Freezer läuft die Mischung in
Rohrleitungen, gefriert an den Innenwänden und wird von rotierenden
Schabern ständig verquirlt. Zusätzlich strömt Luft ein und
vergrößert das Volumen der Masse, die Sahne-ähnliche Konsistenz
entsteht. Durch kontinuierliches Abkühlen wird dann das Speiseeis gewonnen,
das noch in Form gebracht und bei besonders niedrigen Temperaturen gehärtet
werden muß.
Astrid Wahrenberg
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