Schrot & Korn 9/96
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Ökoverbände wagen sich in unbekannte Gewässer
Bio-Fisch
Fisch gilt als gesundes Nahrungsmittel und ist für viele, die
kein Fleisch mehr essen möchten, eine Alternative. Dem stehen Aquakultur
mit Massentierhaltung und umstrittenes Fischfutter als kritische Punkte
gegenüber. Grund genug für die ökologischen Anbauverbände,
eigene Konzepte zu entwickeln. Doch bei der Um-setzung gibt es Fischspezifische
Probleme.
Wer frischen Fisch kauft, geht zumeist davon aus, daß das eiweißreiche
Nahrungsmittel naturbelassen und unverfälscht ist. So kommt mancher
Naturkostkunde ins Grübeln, wenn er im Laden Bio-Forellenfilet oder
Bio-Lachs im Kühlregal entdeckt. Wer sich näher mit der Thematik
beschäftigt, stößt allerdings schnell auf die Gründe,
die für eine Zertifizierung sprechen.
Mißstände in der -konventionellen Aquakultur
Viele erliegen dem Irrtum, der im konventionellen Handel angebotene Fisch
stamme aus wildlebenden Beständen in Seen, Bächen oder Meeren.
Das ist aber oft nicht richtig. Da in den freien Gewässern viele Speisefische
durch radikale Überfischung knapp werden, kommen heute beliebte Sorten
wie Lachs, Forelle, Karpfen, Schleie, Zander, Hecht, Wels, Heilbutt, Kabeljau,
Steinbutt, Dorade oder Aal immer häufiger aus der Aquakultur. Und die
entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als mindestens genauso problematisch
wie die konventionelle Massentierhaltung an Land. Die Fische dümpeln
in engen Behältnissen dicht an dicht, oft dazu noch in ihren eigenen
Exkrementen. Sie werden mit Kraftfuttercocktails so schnell wie möglich
auf ihr Schlachtgewicht gebracht.
Von den Auswüchsen dieser Zucht berichtete 1994 der Spiegel: So hat
in Südostasien die Fischmast mittlerweile industrielle Maßstäbe
erreicht. Über sechs Millionen Tonnen Karpfenfische wurden hier 1991
gehalten und geschlachtet. Gut im Geschäft sind besonders Küstenländer.
Zu den Hauptfischproduzenten gehören China, Thailand, Taiwan, Indonesien,
Vietnam, Bangladesch und Indien. Norwegen leistet seinen Beitrag mit etwa
700 Lachsfarmen, die jährlich etwa 150.000 Tonnen des begehrten Fischfleischs
erzeugen. Die Aquafarm-Ernte lag 1991 weltweit bei etwa 16 Millionen Tonnen
Fisch, die Prognosen für ein weiteres Wachstum sind günstig. Gezüchtet
wird neben gängigen Sorten wie Lachs und Forelle auch Exotisches wie
Stör, Dorsch oder Bonito.
Die Masttierhaltung wirkt sich auf die Tiergesundheit aus: Die Fische sind
in dem geschlossenen System krankheitsanfällig, Erreger können
sich blitzschnell ausbreiten und den ganzen Bestand vernichten. Die hohe
Besatzdichte führt zu Streß und damit ebenfalls zu erhöhter
Anfälligkeit. Das Futter wird deshalb prophylaktisch mit Antibiotika
angereichert. Zum Teil gibt es bereits Impfungen, die die anfälligen
Tiere vor bestimmten Krankheiten schützen sollen. Wachstumshormone,
Mastbeschleuniger, synthetische Vitamine, Farbstoffe und Mittel gegen Parasiten
gehören ebenso zu den gängigen Futtermittelzusätzen und Medikamenten.
Schnelle Mast und Mangel an Bewegung zeigen sich schließlich an der
geschmacklichen Qualität. Das eigentlich zarte Fleisch wird ölig
oder tranig und wabbelig.
Nicht nur die Fische selbst, auch die Umwelt leidet. Große Mengen
oftmals ungeklärter Abwässer fließen in Küstenregionen
und Flüsse ab, und es kommt es zu einer überreichen Nitrat- und
Phosphatdüngung mit den bekannten Nebeneffekten.
Fische haben
keine Stimme
Fische haben keine Lobby. Sie sind weder niedlich, kuschelig oder zutraulich
noch wecken sie Beschützerinstinkte. Über ihre Leidensfähigkeit,
ihre Lebensweise und ihre Bedürfnisse wissen die wenigsten Bescheid.
Noch diskutieren Experten zwar darüber, wie schmerzempfindlich Fische
sind - wohl fühlen sich die Tiere unter den Bedingungen auf den Aquafarmen
aber keineswegs.
Tierschützer machen deshalb auf das stille Leiden aufmerksam. So fand
im Herbst letzten Jahres eine Demonstration der Aktion Konsequenter Tierschutz
gegen tierquälerische Techniken und das Töten in der Fischwirtschaft
statt. Die Forderung der Tierschützer: Den stummen Fischen soll endlich
eine Stimme verliehen werden.
Gründe genug für den ökologischen Landbau, sich der Wassertiere
anzunehmen. Noch ist Bio-Fisch für die Anbauverbände ein neues
Thema. So gibt es beispielsweise von der AGÖL, der Arbeitsgemeinschaft
Ökologischer Landbau, noch keine Bio-Fisch-Reglements. Es ist aber
nur eine Frage der Zeit, bis das nachgeholt wird, denn, so vermeldet die
AGÖL, "die Anfragen nach Bio-Fisch häufen sich". Bioland,
Demeter und Naturland zum Beispiel haben den Handlungsbedarf erkannt. Die
Verbände haben verbindliche Richtlinien für die Karpfen-Teichzucht
erlassen. Der rein pflanzlich lebende Fisch bereitet weder bei Haltung noch
in punkto Futter Kopfzerbrechen.
Anders die Raubfische: Die beliebten Salmoniden Forellen und Lachs sind
ausgesprochene Fleischfresser. Ihre Verdauung und Stoffwechsellage sind
auf eiweißreiche und kohlenhydratarme Nahrung abgestimmt. Sie brauchen
auch in der Teich- und Meerwirtschaft das hochwertige Eiweiß der Artgenossen
und werden über Fischmehl beziehungsweise Fischöl im Futter damit
versorgt.
Zuchtversuche an der Uni Bonn mit Forellen zeigten zwar, daß eine
Fütterung ohne Fischmehl bestehend aus Getreide-Kleberkomponenten,
zugesetzten Aminosäuren Lysin und Methionin, pflanzlichen Fetten, Stärke,
Mineralstoffen und einem Minimalanteil Fischöl möglich ist, diese
Fütterung kommt für die Anbauverbände jedoch aus zwei Gründen
nicht in Frage. Zum einen sind die beiden kristallinen Aminosäuren
synthetisch hergestellt und deshalb im Bio-Bereich nicht zugelassen. Zum
anderen ist das spezielle Futtermittel relativ teuer und deshalb für
den gewerblichen Bereich nicht zu tragen.
Nach aktuellem Wissensstand gibt es noch keine Alternative zu Fischmehl
und
-öl im Futter. Ob daneben eine rein vegetarische Lösung grundsätzlich
sinnvoll ist, darf angezweifelt werden - die auf Fleischernährung
gepolten Flossentiere würden es freiwillig nicht tun.
Eine deutsche Bio-Zertifizierung für Salmoniden gibt es wegen des Fischmehl-
-beziehungsweise Fischöl-Zusatzes bislang noch nicht. Die Verbände
zögern - schließlich gehört das generelle Tierkörpermehl-Verbot
im Viehfutter zu den festen Richtlinien-Grundsätzen. Es zeichnet sich
jedoch ab, daß in diesem speziellen Fall Fischmehl von den Verbänden
zugelassen werden wird."
Naturland betreut
Lachs-Pilotprojekt
Recht weit gediehen sind die Richtlinienbestrebungen für Salmoniden
beim Anbauverband Naturland. Die Münchner betreuen gemeinsam mit Meeresbiologen
der Clare Island Seafarm seit gut einem Jahr ein Pilotprojekt zur Entwicklung
anerkannt ökologischer Lachserzeugung. Zehn Kilometer vor der irischen
Westküste wachsen die Lachse in Hochseegehegen unter natürlichen
Bedingungen auf. Die Erfahrungen aus diesem Projekt sollen in den Richtlinienkatalog
für die Bio-Fisch-Erzeugung einfließen.
Wichtige Kriterien sind unter anderem Wasserqualität, Abwässer,
Fütterung, Gesundheit, Zucht, Herkunft und Handel mit lebenden Fischen.
Ähnlich wie bei der Tierzucht und Mast an Land, werden im Richtlinienentwurf
Fragen der artgerechten Haltung und Fütterung sowie ökologische
Zusammenhänge berücksichtigt werden.
Die Futterration der Clare-Island-Lachse enthält einen bestimmten Anteil
an Fischmehl. Auf dieser kritischen Futterkomponente liegt das Hauptaugenmerk
von Naturland. Für Mildred Steidle vom Verband ist völlig klar,
daß Bio-Lachs nur unter bestimmten Voraussetzungen mit Fischmehl beziehungsweise
Fischöl gefüttert werden darf: Der Anteil in der Ration wird begrenzt
sein. Außerdem muß die Herkunft des Fischmehls sowie das Herstellungsverfahren
überprüft werden. Es muß ausgeschlossen sein, daß
für die Herstellung des Fischmehls oder -öls eine Ausbeutung und
damit langfristig eine Zerstörung der marinen Ressourcen in Kauf genommen
wird (siehe Kasten).
Daß sich der Verband trotz des Futterproblems auf die Salmonidenproduktion
eingelassen hat, sei im ökologischen Zusammenhang zu sehen, erklärt
Mildred Steidle. Die konventionelle Fischzucht habe nun mal negative Auswirkungen
auf den Regelkreis Umwelt - Tier - Mensch. Eine ökologische
Aquakultur mit der Zielsetzung, ein gesundes Lebensmittel unter ökologisch
verträglichen Bedingungen zu erzeugen, sei deshalb sinnvoll. Und da
es keine Futter-Alternative zum Fischmehl gibt, versuche Naturland das Beste
aus der Situation machen. Der Anbauverband nimmt diesen Punkt besonders
ernst und vergewissert sich bei den Fischmehlzulieferern direkt vor Ort
von der Herkunft.
Bio-Fisch im Naturkosthandel - wo kommt er her?
Zu den Pionieren in Sachen Bio-Fisch zählt die Firma Isana. Die Süddeutschen
haben sich als erstes Unternehmen an das Thema herangewagt und sind in Europa
die einzigen, die Bio-Fisch vermarkten. Sie führen in ihrem Programm
zum Beispiel Norwegischen Fjord-Lachs, Forellen-Filet aus Italien und den
noch nicht zertifizierten Clare-Island-Lachs aus dem Naturland-Pilotprojekt,
der bei Isana unter dem Namen Aran-Lachs vermarktet wird. Den italienischen
Fisch zertifiziert die Kontrollorganisation AgriEcoBio, den norwegischen
Lachs die Debio. Die Richtlinien für deren Bio-Fisch-Haltung und Erzeugung
entsprechen den Grundsätzen der artgerechten Tierhaltung an Land und
somit auch dem geplanten Salmoniden-Richtlinienentwurf von Naturland.
Die fürs Futter notwendige Fischmehlration erlauben Debio wie AgriEcoBio,
wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So dürfen die norwegischen
Bio-Lachszüchter nur Fischmehl füttern, das ausschließlich
aus Abfällen von wildlebenden Speisefischen aus den sauberen Regionen
des Atlantiks stammt. Die italienischen Öko-Forellenzüchter lösen
das Problem besonders elegant: Sie verarbeiten die nicht eßbaren Reste
der bei ihnen geschlachteten Forellen zu Mehl und verfüttern dieses
wiederum als Eiweißkomponente an die Nachzucht. Somit stammt also
auch das Fischmehl aus kontrolliert-biologischer Erzeugung.
In diesem Zusammenhang ist dem Importeur Isana jedoch ein Lapsus unterlaufen.
Im Kundenprospekt und auf der Verkaufspackung ist zu den carnivor (fleischfressend)
lebenden Forellen die vielversprechende Aussage zu lesen: "Auf die
sonst übliche Fütterung von Tiermehl bei Süßwasserfischen
wird gänzlich verzichtet."
Ein Anruf klärt die Sache jedoch schnell. Bereitwillig gibt Thomas
Hörl von Isana die Futterzusammensetzung inclusive Fischmehl bekannt.
Auf die Tatsache angesprochen, daß Fischmehl ein Tiermehl ist und
somit die Verkaufsaussage schlichtweg falsch, entgegnet Hörl spontan
völlig erstaunt: "Fische sind doch keine Tiere!" Er habe
bisher mit dem Begriff Tiermehl ausschließlich Mehle von Landtieren
wie Rindern in Zusammenhang gebracht. Daß die Wasserbewohner dennoch
zum Tierreich gehören, sei ihm jetzt klar. Ab sofort will er die Deklaration
ändern.
Aus Wildfisch:
Konserven oder Frischfisch
Fischkonserven aus Wildbeständen hat zum Beispiel Fontaine im Programm.
Der Naturkosthersteller versichert, daß die Atlantik-Fische garantiert
nicht aus der Treibnetz-Fischerei stammen. Die Zutaten, mit denen die verschiedenen
Fische mariniert oder eingelegt sind, wie die Öle oder das Gemüse
stammen aus kontrolliert-biologischem Anbau.
Frischen und geräucherten Fisch bietet der demeter-Versand Futura Feinkost
an. Die Süß- und Salzwasserfische stammen nicht aus der Zucht
und müssen vorbestellt werden.
Astrid Wahrenberg
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