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Schrot & Korn 11/96
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Kein Gen-Tofu im BioladenDie Gentechnik hat den Tofu erreicht. Der vielseitige Eiweißlieferant aus der asiatischen Küche kann künftig auch aus gentechnisch veränderten Sojabohnen hergestellt werden. Nicht jedoch in der Naturkostbranche - dafür wollen sich die Verbände stark machen.In diesem Monat trifft voraussichtlich die erste Ladung gentechnisch veränderter Sojabohnen aus den USA in Deutschland ein. Den Bohnen wurde ein zusätzliches Bakterien-Gen eingepflanzt, das sie gegen das Herbizid "Round up" widerstandsfähig (resistent) macht. Die EU-Kommission hat die Einführung genehmigt (wir berichteten). Rund 40.000 Tonnen des "Round-up"-Sojas werden, vermischt mit nichtbehandelten Bohnen, von den Welthäfen Rotterdam und Hamburg in deutsche Ölmühlen und Tofureien gebracht und für den konventionellen Markt weiterverarbeitet. Die meisten Nahrungsmittel enthalten Soja - auch TofuGroßzügigen Schätzungen zufolge enthalten zwei Drittel unserer Nahrungsmittel Soja: Die drei Wirtschaftsriesen Unilever, Nestlé und Danone verwenden das Öl beispielsweise in ihren Margarinen und Mayonnaisen. Auch Lecithin wird aus dem Rohöl der Sojabohne gewonnen; der stabilisierende Stoff wird gerne fetthaltigen Nahrungsmitteln wie Schokolade und Soßen beigegeben. Sojaschrot wandert in die Futtertröge der Viehwirtschaft oder dient der Industrie als Eiweißkomponente für Mehle, Fleischwaren und Light-Artikel. Aus Sojamilch schließlich wird Tofu (auch Sojakäse oder -quark) hergestellt - ein Produkt, das sich vom "Vegetarier-Fleisch" zum Tausendsassa der schnellen Küche entwickelt hat und vor allem bei Singles und jungen Familien sehr beliebt ist.Das neue gentechnisch veränderte Soja kann für all diese Erzeugnisse als Ausgangsstoff dienen. Besonders gekennzeichnet werden müssen die Waren nicht. Die EU-Kommission und der Ministerrat hielten eine entsprechende Deklaration für überflüssig. In Fetten, Ölen und Lecithin läßt sich tatsächlich keine Substanz nachweisen, die auf das eingeschleuste Gen zurückzuführen ist. Anders sieht es unter anderem bei Tofu aus: Das Gen hinterläßt hier seine Spuren. Bei Untersuchungen finden sich auch Abbauprodukte des Herbizids, das von der Sojapflanze aufgenommen wurde. Umstritten ist, wie sich solche Stoffe auf den Menschen auswirken. Gentechnikgegner befürchten allergische Reaktionen bei empfindlichen Personen. Umweltschutzverbände machen derzeit mobil gegen das Gen-Soja. Greenpeace beispielsweise ruft zu einer Postkartenaktion auf, die sich an die Adressen von Danone, Nestlé und Unilever richtet. Dabei machen die Hamburger Regenbogenkrieger die verunsicherten VerbraucherInnen allerdings nicht darauf aufmerksam, daß es zu den Genprodukten bereits eine Alternative gibt. Zwar bauen zur Zeit 20.000 amerikanische Landwirte das "Round-up"-Soja der Agrarfirma Monsanto an, Tendenz steigend. Der Bundesherstellerverband ökologischer Sojaprodukte Ökosoj e. V. versichert jedoch: Beim Anbau von Bio-Sojabohnen sei der Einsatz von Herbiziden und Pestiziden ausgeschlossen. Für den Biobauern sei daher auch die Verwendung herbizidresitenter Gen-Bohnen uninteressant. Außerdem untersagen die Richtlinien des internationalen Dachverbandes der ökologischen Anbauverbände IFOAM gentechnische Veränderungen am Bio-Soja. "Round-up"-Produkte sollen so gar nicht erst vom konventionellen Markt in die Naturkostbranche vordringen. Bei den sechs Mitgliedsfirmen von Ökosoj - Taifun, Life Food, Soto, Tofumanufaktur Nagel, Sojafarm, Alberts Tofuhaus und Viana - stammen die durchweg kontrolliert-biologischen Sojabohnen hauptsächlich aus Kanada, Frankreich, Österreich und Deutschland. Staatlich anerkannte Kontrollstellen überprüfen und zertifizieren bei ihnen genauso wie bei anderen Bio-Tofureien sowohl Anbau als auch Verarbeitung. Tofu wurde von chinesischen Mönchen erfundenIn Ostasien zählt Tofu zu den Grundnahrungsmitteln. Chinesische Mönche sollen Tofu vor rund 2.000 Jahren entwickelt haben - als Ersatz für Fleisch, das ihnen die Klosterregeln verboten. Als der Zen-Buddhismus nach Japan gebracht wurde, wanderte auch der Tofu mit. Noch heute zählt Sojaquark aus Kioto zu den besten. In Japan gibt es 35.000 Tofureien, ein Zeichen für die enorme Bedeutung von Tofu im Land der aufgehenden Sonne.In Deutschland begann die Produktion zögerlich Ende der 70er Jahre. In einer Landkommune im bayerischen Wald soll Rüdiger Urban mit einfachsten Mitteln den bis dato hierzulande kaum bekannten Sojaquark hergestellt haben: auf einer Holzfeuerstelle in einem großen Kessel, gepreßt mit Pflastersteinen, die er von der Straßenbaustelle vor dem Haus geklaubt hatte. Zunächst vermarktete er seinen hausgemachten Sojaquark nur in der Nachbarschaft, später dann auch in München. In den 80er Jahren etablierten sich Tofuprodukte in der Naturkostbranche. Zum Gerinnen werden Hilfsstoffe benötigtSein Name verrät die Basis-Rezeptur: "To" steht für "Bohne" und "fu" für "gerinnen". Tofu wird aus Sojabohnen hergestellt. Sie werden zunächst in Wasser eingeweicht und anschließend zermahlen. Der Brei, die sogenannte Sojamilch, wird erhitzt. Wie das am schonendsten geschieht, darüber scheiden sich die Geister. Die einen setzen auf das traditionelle Kochverfahren mit offenen Töpfen: Entstehender Schaum könne so untergerührt werden, das volle Aroma bleibe erhalten, Vitamine und Nährstoffe würden geschont. Andere Firmen arbeiten mit Dampfdruckkesseln und betonen den enormen Energiespar-Effekt.Ähnlich wie in der Käseherstellung wird die heiße Sojamilch zum Gerinnen gebracht. Die Chinesen verwendeten dafür gereinigten Gips, den sie in den Bergen abbauten. Chemisch gesehen handelte es sich dabei um Kalziumsulfat. Im Inselstaat Japan griffen die Tofuhersteller auf ein aus Meersalz gewonnenes Bittersalz zurück, das Nigari (chemisch Magnesiumchlorid). Auf diese Zusatzstoffe verzichten auch die modernen Bio-Tofureien nicht. Zwar ließe sich auch mit Zitronensaft gerinnnen, die Ertragseinbußen wären aber im Vergleich zu Nigari beträchtlich. Der entstandene Quark wird je nach Geschmacksrichtung naturbelassen, gewürzt oder geräuchert. Nachdem vor einigen Jahren das letztgenannte Verfahren in die Kritik geraten war, haben die Naturkost-Tofureien ihre Herstellung auf Emissionen und Rückstände überprüfen lassen. Buchenholz ist das bevorzugte Brennmaterial. Teer-, Formaldehyd- und Benzopyrenrückstände bleiben in den Bio-Räuchertofus unter der Nachweisgrenze. Zuletzt wird der Tofu zu Blöcken gepreßt, geschnitten und verpackt. Feste Bestandteile, die bei der Gerinnung ausflocken, gehen nicht verloren; dieses "Okara" kann beispielsweise als Tierfutter weiterverwendet werden. "Seidentofu" für die Suppe, "Baumwolltofu" für die PfanneJe nachdem, wieviel Wasser das Endprodukt enthält, gerät der Tofu weich oder fest. Der weiche Sojaquark heißt im Japanischen Kinugoshi Dofu, seidenartiger Tofu; der harte Momemgoshi Dofu, baumwollartiger Tofu. Diese Namen beziehen sich nicht nur auf die Beschaffenheit, sondern auch auf die traditionelle Herstellungsweise: Für weichen Tofu wurde zum Abtropfen ein Seidentuch verwendet, für die festere Form eines aus Baumwolle.Seidentofu zergeht auf der Zunge und erinnert in seiner Konsistenz an Eierstich. Zur Zubereitung in der Pfanne eignet er sich nicht, er zerfällt dabei zu einem weißen Brei. Als Suppeneinlage, für Süßspeisen und in der schnellen Küche ist er jedoch ideal. In Japan wird er in der Sommerhitze eisgekühlt mit frischem Ingwer und etwas Sojasoße gegessen. Eine erfrischende Kombination, die sehr beliebt ist. Die japanische Küche kennt neben Kinugoshi Dofu und Momemgoshi Dofu fünf weitere Sorten, die chinesische weit über 100. In der Küche ist der schnittfeste Tofu der Vielseitigere: Er eignet sich zum Braten, Kochen, Fritieren und Grillen und kann als eigenständiges Gericht genausogut serviert werden wie als Beilage. Bei uns ist vor allem der schnittfeste Tofu gebräuchlich, den es naturbelassen und in vielen Geschmacksrichtungen gibt, zum Beispiel gewürzt mit Kräutern oder Pfefferkörnern, mit Champignon- oder Haselnußstückchen, orientalisch oder geräuchert. Tofu wird zu zahlreichen Produkten weiterverarbeitet: Aufstriche und Tofu-Aufschnitt für die Brotzeit, Burger, Hot Dogs und Tofu-Tortellini für ein schnelles Lunch - alles in allem an die 300 Naturkostspezialitäten. Neuer Trend:
Die sechs Mitgliedsfirmen von Ökosoj verbuchen jährlich Umsatzsteigerungen
von 20 Prozent, im vergangenen Jahr waren das zehn Millionen Mark. Den Erfolg
verdanken sie nicht zuletzt den Fleischskandalen der letzten Jahre. Die
Bundesbürger waren verunsichert: Pro Kopf wurden 1995 fünf Kilo
Fleisch weniger verzehrt als noch 1990. Tofu bietet sich als gesunde Alternative
an. Immer mehr "One Day Vegetarians" wollen sich ein- oder zweimal
in der Woche etwas Gutes tun und essen fleischlos. Auch die Gastronomen
reagieren. Agnes Erkens von Ökosoj hat eine verstärke Nachfrage
der Großküchen nach Tofuprodukten beobachtet. |