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Zwiebeln
(Schrot und Korn 1/95)

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Zwiebeln

Obwohl die Zwiebel uns oft genug die Tränen in die Augen treibt, wird sie von den meisten Völkern als unverzichtbares Würzmittel geschätzt. Doch die scharfriechende Knolle ist weitaus mehr als nur ein vielseitig verwendbares Küchengemüse, sie ist auch eine seit Generationen bekannte Medizin. Nur wenigen Pflanzen werden derart vielfältige Heilwirkungen nachgesagt. Welchen inneren Werten die Zwiebel ihre Beliebtheit verdankt, erfahren Sie auf den folgenden Seiten.

"Hat sieben Häut", beißt alle Leut", dieses alte Sprichwort kennt hierzulande fast jedeR. Zusammen mit der Tomate ist die Zwiebel das Lieblingsgemüse der Deutschen. Etwa 20 Pfund davon verzehren sie jährlich pro Kopf, als würzige Beigabe in deftiger Hausmannskost ebenso wie in erlesenen Gerichten für Feinschmecker. Glaubt man der Statistik, so verwenden 90 Prozent der Bundesbürger regelmäßig Zwiebeln in der Küche, jedes zweite Gericht wird damit aufgepeppt.

Seit vier Jahrtausenden Lebens- und Heilmittel

Die Zwiebel war ursprünglich in Westasien beheimatet und fand im gesamten Orient sowie im Mittelmeerraum Verbreitung. Seit mindestens 4000 Jahren wird sie gezielt angebaut und ist damit eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. In Ägypten, Assyrien und Babylonien hatte sie gleichzeitig den Ruf eines Lebens- und Heilmittels, außerdem diente sie häufig als Opfergabe. Beim Bau der Cheopspyramide bekamen die Sklaven Zwiebeln neben Knoblauch und Rettich zur Stärkung gereicht, Alexander der Große gab sie seinen Soldaten vor der Schlacht, um ihre Streitlust zu erhöhen. Nur Sokrates beschrieb sie geringschätzig als "widerwärtige Stinkpflanze", allein geeignet für Kampfhähne und Raufbolde.

Obwohl in Europa schon Griechen und Römer die Zwiebel kultivierten, gelang ihr der große Durchbruch erst im Mittelalter. Römische Legionäre hatten am Siegeszug der "Zipolle" (von altlateinisch "cepula") entscheidenden Anteil. Im 19. Jahrhundert hatte sich die Knolle in Deutschland endgültig etabliert, alte Namen wie Braunschweiger Dunkelrote, Stuttgarter Riesen oder Zittauer Gelbe gehen auf diese Zeit zurück. Heute werden Zwiebeln auf einer Fläche von insgesamt 4500 Hektar fast überall angebaut, bevorzugt aber in der Südwestregion zwischen Mainz und Karlsruhe. Als gut lagerfähiges Gemüse sind heimische Zwiebeln praktisch das ganze Jahr über zu haben, doch wegen der immensen Nachfrage (etwa 500.000 Tonnen Verbrauch bei maximal 200.000 Tonnen Ernte im Jahr) wird seit jeher ausländische Ware aus Frankreich, Italien und Spanien zugekauft. Importe aus Osteuropa und Übersee gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Große Sortenvielfalt in Farbe und Geschmack

Botanisch gehört die Zwiebel zur Gruppe der Liliengewächse und ist mit Tulpen und Narzissen ebenso verwandt wie mit Lauchgewächsen und Spargel. Allium cepa (lateinischer Name) ist einkeimblättrig wie Getreide und Gräser und fällt durch geringe Wurzelbildung auf. Die Blätter sind fleischig, hohl und wasserreich und schwellen am unteren Ende zur eigentlichen Zwiebel an. Die Blüten wirken eher unscheinbar und verströmen einen scharfen, intensiven Geruch.
Die wichtigste Rolle in unseren Küchen spielt eindeutig die Speisezwiebel, die vorwiegend gelb- und braunschalig, aber auch in weißen oder roten Varianten auf den Markt kommt. Sie wird entweder als Frühlingszwiebel zusammen mit dem Grün im April/Mai geerntet oder von Juli bis März als Trockenzwiebel reif und ohne Laub verkauft. Etwas milder und leicht süßlich im Geschmack ist die Gemüsezwiebel, die sich für Rohkostsalate gut eignet und auch gerne im Ofen überbacken wird. Die sehr viel kleineren Perl- und Silberzwiebeln (bis maximal 28 mm Durchmesser) sind im Grunde nur für die Sauerkonserven-Industrie interessant. Zu nennen wären noch die Essigzwiebeln (bis 35 mm) und die würzigen Metzgerzwiebeln, die in Feinkostsalaten Verwendung finden.

Schalotten: Beliebt vor allem bei den Gourmets

In Frankreich, der traditionellen Heimat der KochkünstlerInnen und Gourmets, genießt die Schalotte (allium ascalonicum) höchstes Ansehen. Wegen ihres auffallend feinen Aromas ist die auch als Schlotte, Eschlauch oder Kartoffelzwiebel bezeichnete Delikatesse aus den Tempeln der gehobenen Gastronomie nicht mehr wegzudenken. Im Gegensatz zu den übrigen Sorten bildet die Schalotte bis zu 15 ovale Einzelbulben (Nebenzwiebeln), sogenannte Aggregate. Unser westliches Nachbarland produziert per anno 30.000 Tonnen dieser Zwiebelart, in der Bundesrepublik findet sie sich vornehmlich in Hausgärten.

Kleine Direktvermarkter bevorzugen Stecklinge

Vor allem in großen landwirtschaftlichen Betrieben werden Zwiebeln meist in Reihen ausgesät (sechs pro Beet), seltener gesteckt. Im Bio-Anbau mit seiner überdurchschnittlich hohen Zahl kleiner Direktvermarkter werden Stecklinge - vor allem bei den Frühlingszwiebeln -bevorzugt. Im Winter genießen Saatzwiebeln wegen ihrer besseren Lagerfähigkeit Priorität. Je nach Sorte läßt man/frau die Pflanzen zwischen vier und elf Monaten wachsen, wenn der Zwiebelhals welk wird, eintrocknet und abknickt, ist sie schließlich reif für die Ernte. Manchmal wird das Laub auf eine Länge von zehn Zentimetern abgeschlagen, bevor spezielle Erntemaschinen (Siebkettenroder, Scheibenroder) zum Einsatz gelangen. Danach bleiben die Zwiebeln noch einige Zeit auf dem Feld liegen, um nachzutrocknen, wodurch sich ihre Haltbarkeit erhöht.

Rund 80 Prozent der
Bio-Ware aus der BRD

Die Lagerstätte sollte unbedingt schattig, kühl und trocken sein, mit einer Temperatur um null Grad und einer Luftfeuchtigkeit von circa 70 Prozent. Regelmäßige Luftzufuhr und kurze Wärmebehandlung (34 Grad) vor der anschließenden Kühlung sind üblich. Konventionelle AnbauerInnen greifen auch gern zur chemischen Keule, um das drohende Auskeimen auf möglichst billige Weise zu verhindern. In der Bio-Branche ist derartiges nicht erlaubt. Hier wird auf synthetische Dünger und Herbizide selbstverständlich verzichtet, das Jäten erfolgt von Hand. Bevor die Zwiebel aus dem Boden hervorsprießt, räumen Gas-Abflamm-Geräte die Konkurrenz ("Unkraut") aus dem Wege. Klassische Mischkulturen mit Möhren gibt es fast nur noch bei HobbygärtnerInnen, weil sie auf dem Feld rationelle Erntemethoden behindern. Etwa 80 Prozent der Bio-Ware, so schätzt der Wetterauer Gemüsegärtner Thomas Wolff, stammt aus heimischer Ernte, gelbe Speisezwiebeln dominieren mit einem Anteil von 90 Prozent. Wenn Zwiebeln Flecken aufweisen oder anfangen zu keimen, zählen sie nach dem Gesetz zur Handelsklasse II. Ware der Klasse III geht fast ausschließlich an die weiterverarbeitende Industrie. Stark auskeimende Zwiebeln werden zur Freude der Regenwürmer oft auch kompostiert.

Hemmt Bakterien und senkt Blutzucker

"Die Zwiebel ist so viel wert wie eine ganze Apotheke", sagte schon Paracelsus. Der berühmte französische Naturarzt Maurice Messegue setzt sie gemeinsam mit dem Knoblauch als Heilpflanze auf Platz eins. Die starke antibiotische Wirkung verdankt die Zwiebel dem stechend riechenden Allicin, das sich erst beim Anschneiden aus dem eher geruchlosen Alliin bildet. Außerdem bilden sich durch den enzymatischen Abbau noch schwefelhaltige Säuren (Allylsulfensäure), die den unangenehmen Tränenfluß beim Menschen auslösen. Auch Ketone, Aldehyde und Mercaptane sind an Schwefel gebunden, die Verteilung ätherischer Schwefelöle ähnelt der des Knoblauchs, nur ist die Menge geringer. Englische WissenschaftlerInnen entdeckten in der Zwiebel einen fibrinauflösenden Wirkstoff, der die Blutgerinnung verzögert, finnische ForscherInnen die Thiosulfate, wichtige bakterienhemmende Substanzen. Bedeutsam scheinen zudem die Glucokinine, insulinähnliche Hormone, die helfen, den Blutzuckerspiegel zu senken. Die ätherischen Öle regen ganz allgemein die Verdauungsdrüsen an und wirken desinfizierend auf die Darmflora. Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen zählen die Vitamine A, B und C, Kalium, Mangan, Kobald, Fluor, Magnesium und Kieselsäure. Aufgrund des hohen Energiewertes, der wenigen Kalorien und der gut resorbierbaren Zucker gelten Zwiebeln bei manchen Hochleistungssportlern als "gesundes Dopingmittel".

Rohe Knollen gegen Husten und Würmer

Den therapeutischen Nutzen der Zwieb