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Der anwesende SPD-Vorsitzende, Oskar Lafontaine, applaudierte spontan, als der IG-Metall-Chef, Klaus Zwickel, auf dem DGB-Kongress Anfang April, die Durchsetzung der generellen 32-Stunden-Woche und der individuellen 4-Tage-Woche verkündete. Lafontaine wörtlich: "Klaus, das ist linke Politik, wir danken dir." Endlich habe man wieder ein gemeinsames Reformprojekt, das die linken Demokraten einen könne. Mit dem Beifall stand der saarländische Ministerpräsident ziemlich alleine, denn es hagelte von allen Seiten Kritik an diesem Vorschlag. Selbst in der eigenen Gewerkschaft mußte der Metall-Chef von seinem Stellvertreter erheblichen Widerspruch hinnehmen und auch in der DGB-Spitze schüttelte man den Kopf. Die Einführung der 32-Stunden-Woche, mit möglichem Lohnverzicht, halten auch die 6 führenden Wirtschaftsforschungsinstitute - wie sie in der vergangenen Woche bekanntgaben - für "nicht Erfolg versprechend". Dies laufe den Einkommensvorstellungen vieler Arbeitnehmer entgegen. Viele würden dann Zweit- und Dritt-Tätigkeiten nachfragen oder müßten in die Schwarzarbeit ausweichen.
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Ein Bericht von Uli Gack, Klaus Heckenhahn und Barbara Völkel Der IG-Metall-Chef hat laut nachgedacht. Klaus Zwickel wollte frischen Wind in die Arbeitszeitdiskussion bringen. Dafür hat er Sturm geerntet. Ein Griff in die Mottenkiste - viel zu starr und unflexibel, so die heftige Reaktion der Arbeitgeberverbände. Erstaunen aber auch bei überraschten Gewerkschaftern. Der eindeutige Trend: Nach dem Scheitern des von Zwickel initiierten Bündnisses für Arbeit wird die Konfrontation jetzt härter.
Klaus Zwickel, IG-Metall-Vorsitzender
Das ist die Notwendigkeit, sich auch in der Polarisierung zu bekennen, wahrhaftig zu werden. Da sehe ich in der Tat die Notwendigkeit, einen konkreten Vorschlag in die Diskussion zu bringen. Das habe ich gemacht, diese 32-Stunden-Woche, damit sich nun alle bekennen müssen, wie ernsthaft sie es mit der Bekämpfung meinen.
Wer über erfolgreiche Arbeitszeitverkürzung nachdenkt, solle laut IG Metall nicht immer nur zu VW nach Wolfsburg schauen. Im ehemaligen Schwermaschinen-Kombinat Karl Liebknecht arbeiteten früher knapp 10.000. Geblieben sind gut 300 im neu entstandenen SKL-Motorenbau. Mittlerweile gibt es, neben SKL, bundesweit etliche Betriebe, die ihre Arbeitsplätze durch eine kürzere Wochenarbeitszeit erhalten haben.
In dem hochautomatisierten Betrieb wird jetzt statt 38 Stunden, wie im Osten üblich, nur noch 34 Stunden ohne Lohnausgleich gearbeitet. Damit konnten 60 Arbeitsplätze gerettet werden. Die Maschinenlaufzeiten wurden deutlich verlängert, es wird rangeklotzt. Doch damit können Betriebsleitung und IG-Metall leben.
Michael Tiedens, Betriebsrat SKL Motorenbau Magdeburg
Anfänglich war die Reaktion nicht überwiegend positiv, weil jeder sein persönliches Entgeld sieht - was durchaus verständlich ist. Aber im Gegenzug die Sicherung der Arbeitsplätze festgeschrieben zu bekommen, ist ein überzeugendes Argument.
In Zukunft gehört Pappi dann wohl auch am Freitag der Familie. Wochenarbeitszeitverkürzung von der 40 über die 35 zur 32-Stunden-Woche. Für Klaus Zwickel ist das ein Signal für den Standort Deutschland. Bei zunehmender Automatisierung und internationaler Konkurrenz.
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Hier hat man hingegen von der IG-Metall die Nase gestrichen voll. Der Betrieb sieht sich in knallharter Konkurrenz zu anderen SONY - Töchtern in Europa. Er verlor 160 Arbeitsplätze nach Tschechien, weil sich die IG-Metall dagegen wehrte, statt 35 wieder 40 Stunden ohne Lohnausgleich arbeiten zu lassen. Dabei war die Belegschaft dafür.
Gerhard Henkel, Betriebsrat Sony-Wega
Wir haben im letzten Jahr 160 Mitarbeiter abgebaut. Und die mußten gehen, weil die Politik für die IG-Metall wichtiger war, als diese 160 Mitarbeiter.
In Fellbach sieht man schwarz. Eine 32-Stunden-Woche würde hier die Arbeitskosten erhöhen. Innerhalb des Konzerns wäre man dann noch weniger konkurrenzfähig.
Werner Student, Betriebsleiter Sony-Wega
Also, wenn wir beide uns jetzt hier privat unterhalten würden, würde ich sagen, diese Forderung ist hirnrissig. Aber da wir jetzt ja im Fernsehen sind, sage ich, die Forderung ist absolut marktfremd.
In Tokio habe man die nackten Zahlen - so wird argumentiert. Der IG-Metall-Vorschlag sei viel zu dogmatisch. Was für den einen Betrieb gelte, sei für den anderen noch lange nicht gut. Sarkasmus pur.
Werner Student, Betriebsleiter Sony-Wega
Also unsere Kollegen in England und in Spanien und natürlich auch die Kollegen der Slovakei und in Ungarn, die sind sehr fröhlich, wenn wir auf die deutsche Gewerkschaftspolitik zu sprechen kommen und sie erhoffen natürlich weitere Arbeitsplätze, die sie ja, wie sie sehen, regelmäßig von Deutschland bekommen haben.
Kritik kommt mittlerweile auch aus den Reihen der IG-Metall. So hält der Bezirksleiter Nordrhein-Westfalen, Harald Schartau, den Zwickel- Vorschlag für unausgegoren. Einer 32-Stunden-Woche steht er mehr als skeptisch gegenüber.
Harald Schartau, Bezirksleiter IG-Metall-NRW
Ich glaube, da ist ziemlich schnell klar, daß in den unteren Lohngruppen aufgrund der Brutto/Netto Situation im Augenblick dies überhaupt nicht geht. Das muß man sehen. Deshalb muß man die finanzielle Situation der unteren Einkommensgruppen auch im Auge haben, oder auch in der Eisen und Stahlindustrie ist das im Augenblick vollkommen undenkbar.
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![Student](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/student.jpg) |
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![gesang](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/gesang.jpg) |
- Letzten Freitag: Arbeitsplatzkongress für die neuen Länder in Magdeburg.
Auch hier Streit um die 32-Stunden-Woche. Daß aufmüpfige Bezirksleiter Kritik üben, läßt den IG-Metall-Boss vorerst kalt. Alles schon mal dagewesen.
Klaus Zwickel, IG-Metall-Vorsitzender
Auch davon bin ich nicht überrascht. Hier wiederholt sich sozusagen auch eine Diskussion, die wir Ende der 70ger, Anfang der 80ger Jahre hatten, wo wir uns damals mit der Frage ebenfalls auseinandergesetzt haben, welchen Weg wollen wir gehen- 35 Stunden Woche fordern, oder andere Arbeitszeitmodelle? Wir haben uns dann für 35 entscheiden, mit positiver Wirkung, sonst hätten wir heute mindestens 1 Million Arbeitslose mehr.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich der Autokonzern auf mittlerweile 33-Stunden-Wochenarbeitszeit zubewegt. Doch das funktioniert nur, weil mit Hilfe von 200 Arbeitszeitmodellen hochflexibel dafür gesorgt wird, daß die Maschinen laufen, auch Samstags. Doch das solche Paradebeispiele hochautomatisierter Autohersteller wie VW und BMW zu verallgemeinern sind, bezweifelt nicht nur Harald Schartau.
Harald Schartau, Bezirksleiter IG-Metall-NRW
Nach meiner bisherigen Einschätzung, nach den bisherigen Diskussionen würde ich sagen, werden wir große Schwierigkeiten bekommen, Beschäftigungseffektiven zu realisieren und vor allen Dingen die Unterstützung unserer eigenen Mittel zu bekommen.
Noch hat Klaus Zwickel weder die Öffentlichkeit noch die Metallbasis überzeugt. Tatsache ist, der IG-Metall-Chef hält eine Wochenarbeitszeitverkürzung auf ca. 32 Stunden nach wie vor für den besten Weg. Und dafür ist Klaus Zwickel notfalls auch zum Kampf bereit.
Klaus Zwickel, IG-Metall-Vorsitzender
Eine wirklich wirkungsvolle Arbeitszeitverkürzung mit Blick auf Sicherung und Schaffung von Arbeit wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nur durchzusetzen sein, wenn wir auch fähig sein werden, dafür letztenendes zu kämpfen.
Wer glaubt, daß der erfahrene Gewerkschaftsfuchs einfach nur mal laut gedacht hat, der unterschätzt ihn wohl.
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