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In den Visionen war es bereits eine Weltmetropole. Neben New York, London und Paris sollte sich Berlin nahtlos einreihen: Hauptstadtbeschluß, Regierungsumzug, Potsdamer Platz, doch über Gigantopolis kreist der Pleitegeier. Statt Goldgräberstimmung herrscht jetzt Katzenjammer. Selbst Optimisten der ersten Stunde müssen gestehen: die Lage ist verheerend. Die protzigen Bürobauten stehen leer, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau und in der Haushaltskasse klafft ein Milliardenloch. 5,3 Milliarden fehlten im März, die Berliner Finanzsenatorin verpaßte der Stadt eine drastische Sparkur, doch bereits fünf Monate später tun sich neue Lücken auf. Die bequeme Zeit am Bonner Subventionstropf ist vorbei, dem Pleitebär gehtÆs ans Fell.
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Ein Bericht von Rita Stingl Blau ist er - ungewöhnlich und teuer. Über eine Million Mark hat er gekostet. Und doch: eine winzige Kleinigkeit tut seiner Schönheit Abbruch: der Obeliskenbrunnen in Charlottenburg war noch nie in Betrieb: für das Wasser fehlt das Geld. "Janz Berlin ist Pleite."Michaele Schreyer, Bündnis 90/Die Grünen Wir haben jetzt die zweite Haushaltssperre in diesem Jahr. Es wurde im Februar/März dieses Jahres ein Nachtragshaushalt verabschiedet. Er wurde gefeiert als großer Neubeginn einer soliden Finanzpolitik, dieser Haushalt ist nach fünf Monaten schon Makulatur, das ist ein Armutszeugnis für die Finanzsenatorin ganz eindeutig. Hauptstadt - Weltstadt - Metropolis: Berlin, die Stadt der Superlative. Doch der Spitzenplatz gebührt den Hauptstädtern nur noch im Schuldenmachen. Jeder Einwohner steht statistisch gesehen mit 15.000 Mark in der Kreide. Jahrelang hat Berlin auf Stütze gelebt: Bonn zahlte - Berlin klotzte, in der Hoffnung auf den Boom: Als der ausblieb, begann der Schuldenberg in den Himmel zu wachsen - zumal seit der Wende der Bonner Milliarden-Quell versiegte wie die Berliner Brunnen. Michael Vesper, Deutsches Institut für Wirtschaft Bevor beide Stadthälften vereint worden waren, hatte Berlin ein Defizit von einer Milliarde DM, und nun 1995 waren es fast 11 Milliarden DM, und in diesem Jahr werden es wahrscheinlich noch mehr sein, ich schätze 11,5 Milliarden. Das ist natürlich eine wahnsinnige, eine dramatische Entwicklung und das Problem ist, daß ja nicht absehbar ist, daß diese Defizite in Kürze wieder abgebaut werden können. Mühsam ist das Geschäft, die verwöhnten Berliner auf Sparkurs zu trimmen. Die Finanzsenatorin versucht es - eisern und unerbitterlich. Anette Fugmann-Heesing,Finanzsenatorin Im Moment müssen wir von allen in der Stadt viel verlangen. Viel verlangen, weil die Gebühren steigen, weil Leistungen zurückgenommen werden... Viel verlangt sie von den Berlinern: Im März verpaßte sie der Stadt den dicksten Sparetat aller Zeiten: 5,3 Milliarden wurden gestrichen. Niemand blieb verschont. Die Hochschulen nicht, die Polizei nicht, und vor allem nicht der Bürger: Höhere Gebühren, Eintrittsgelder - jeder spürts in der eigenen Tasche. Eine Rentnerin Ich bin gezwungen arbeiten zu gehen, weil meine Rente gerade reicht für die nötigen Ausgaben, da bleiben mir im Monat zweihundert Mark. Ich meine, ich spreche nicht nur für mich alleine, sondern für alle Senioren, es stehen ja genug rum hier. Anette Fugmann-Heesing Die Konsolidierungsbemühungen, die wir in der Stadt jetzt umsetzen, belasten alle Bürger und Bürgerinnen in der Stadt, das habe ich von Anfang an gesagt, man muß sich die Frage stellen, welche Alternative gibt es dazu. Die Alternative wäre, in wenigen Jahren sehr viel drastischere Einschnitte treffen zu müssen, das würde auch alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt treffen, aber wir würden uns heute das Leben leicht machen und würden zukünftiger, nicht nur Generationen, sondern schon in wenigen Jahren die Menschen in der Stadt viel mehr belasten, und ich meine, das ist kein Weg.
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Wohnungsamt Neukölln - das größte Sozialamt Deutschlands wird der Bezirk gern genannt: 32.000 Anträge werden hier pro Jahr bearbeitet: Knapp 100 Millionen mußte der Bezirk seit März einsparen: Neukölln hat sein Soll erfüllt, nicht zuletzt durch massiven Personalabbau. Mit der neuen Sperre wird die Lage prekär. Michael Freibert, Stadtrat für Finanzen, Neukölln Wir haben bis auf Gefahrenabsicherung und gewisse Sicherheitsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verwaltung keine Ausnahme mehr zu erledigen, d.h. ich schließe nicht aus, daß zum Beispiel Straßen gesperrrt werden, wenn man sagt, das sind keine großen Hauptverkehrsstraßen oder auch daß Parkanlagen im Zweifel gesperrt werden, Räume in öffentlichen Einrichtungen, Kinderschulen dann ggfs. auch zugemacht werden müssen... Denn in ganz Berlin darf nur noch restauriert werden, was unbedingt notwendig ist: Das Poststadion. Große Pläne hatte man einst: Ausweichstadion für die Bundesliga. Erst wurde geplant, dann gestoppt. Erst einmal Millionen in den Sand gesetzt. Einschnitte bei Investitionen. Da wird selbst Kritik aus den eigenen Reihen laut: die Stadt werde kaputtgespart. Volker Liepelt, Fraktionsgeschäftsführer CDU Wenn ich noch weiter bei öffentlichen Investitionen reduziere, dann allerdings habe ich eine negative Auswirkung auf die Wirtschaftsbetriebe, auf die Bauwirtschaft als Lokomotive für kulturelle Vorwärtsentwicklung, dann habe ich dort Pleiten, habe ich mehr Arbeitslose und das kann sich die Stadt nicht leisten, denn mehr Arbeitslose heißt ja weniger Nachfrage und das bedeutet sozusagen ein Elendsszenario für die Stadt. Ich muß also dafür sorgen, daß wirtschaftliches Vorangehen, daß wirtschaftlicher Aufschwung in Berlin zu verzeichnen ist und da muß ich mit Investitionen den öffentlichen Teil dazu beitragen.
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Staatliche Fürsorge oder bewährte Versorgungsmentalität: Fest steht, das Wachstum Berlins blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Der Bau-Boom täuscht - die Arbeitslosigkeit liegt bei 16 Prozent - die Stadt kann nur begrenzt gegensteuern. Ohnehin steigt das Kreditvolumen bis 1999 um 50%: Wir können nicht noch mehr tun , sagt die Senatorin und bleibt hart. Anette Fugmann-Heesing Man hat sich in Berlin auch historisch bedingt darauf eingestellt, daß ein großer Teil der Aufträge von der öffentlichen Hand kommen. Wir werden uns hier auch dem anpassen müssen, was es in anderen Ländern der Bundesrepublik gibt. Mit ihrem Vermögen ging die Stadt nicht immer so konsequent um. Die ehemalige Finanzverwaltung in der Nürnberger Straße: zum Teil leergezogen. Für den normalen Bürger nicht unbedingt nachvollziehbar - auch nicht für die Pförtnerin. Die Pförtnerin Da zieht einer hin und her. Einer zieht, der andere kommt. Jeder Umzug kostet doch Geld, weiß ich nur. Ja, wenn man umzieht, irgendwas geht kaputt, alles wird wieder renoviert, alles wird neu gemacht. Ja das begreife ich an und für sich nicht. Das müßte man ja mal klären. Michaele Schreyer, Bündnis 90/Die Grünen In den letzten Jahren wurde in Berlin im Immobilienbereich für die öffentliche Verwaltung die Poitik betrieben: Leerzug von landeseigenen Gebäuden, Anmietung von privaten Flächen, das bedeutet natürlich, daß das Leerstandsrisiko auf die öffentliche Hand verlagert wurde, da haben wir eine ganze Menge Beispiele in Berlin. Seit gestern (Montag, 02. September 1996) ist in Neukölln die Einbürgerungsstelle für einen Monat geschlossen.Über 3.000 Akten haben sich aufgetürmt: Der Bezirk will sie durchforsten - sucht effizientere Methoden der Bearbeitung. Ganz Berlin wird umdenken müssen: Mit Sparen allein ist die Misere nicht mehr in den Griff zubekommen. Michael Vesper In naher Zukunft werden die Steuermehreinnahmen kaum mehr ausreichen, um die zusätzlichen Zinslasten, die sich jedes Jahr auftun, zu finanzieren. Und damit wird eine Haushaltslage entstehen, die mindestens ebenso bedrohlich ist, wie die in Bremen und im Saarland. Und deswegen wird wahrscheinlich der Bund, mit dem Gedanken wird man sich vertraut machen müssen, ob man will oder nicht, einspringen müssen.
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