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Hauser Es könnte zum Albtraum für die Mieter werden, was in dem Entwurf zur Steuerreform als Wohnungsbau-bremse drinsteht und bisher von den meisten übersehen wurde. Mit gut 30 Milliarden Subventionen ist der Bausektor wie kein anderer bisher vom Steuersystem begünstigt.
Das hat einerseits dazu geführt, daß über Steuererleichterungen Mieterhöhungen sozialverträglicher vonstatten gingen, andererseits hat das Subventionssystem dazu geführt, daß in Deutschland zu sehr hohen Kosten gebaut wird und wir deshalb am Ende der Eigentumsquote in Europa liegen. Mit dem Entwurf zur Steuerreform soll dieser Mißstand nun beseitigt werden. Durch radikale Kürzung der Abschreibungsmöglichkeiten für Investoren im Mietwohnungsbau bei gleichzeitiger intensiver Eigenheimförderung.
Doch was sich zunächst sinnvoll anhört, erweist sich bei näherem Hinschauen als äußerst problematisch. Denn die Rahmenbedingungen für diesen radikalen Wechsel der Wohnungsbaufinanzierung sind nicht vorhanden.

Hintersetzer Ein Bericht von Klaus Heckenhahn und Josip Soldo

Für Thomas Erlenkötter war es das schönste Erlebnis in seinem Leben. Der Münchner Bürokaufmann ist seit sechs Monaten Vater, doch seit die kleine Alisa da ist, geht seine Frau nicht mehr arbeiten. Jetzt muß er mit seinen 3.500,--DM netto allein die Miete für die 63qm kleine Wohnung finanzieren. Das geht an die Substanz.

Thomas Erlenkötter, Bürokaufmann
Ja das liegt grade so bei 20 Mark pro Quadratmeter, wir zahlen jetzt warm 1.720.- Mark Miete.
Das ist also, wieviel müßte man sagen, von Ihrem Netto-Einkommen gehen eigentlich nur allein für die Miete auf?
Ja das sind gut 45% meines oder unseres Nettoeinkommens.

An ein zweites Kind ist da vorerst nicht zu denken, denn für eine größere Wohnung ist im teuren München einfach kein Geld da.

Thomas Erlenkötter, Bürokaufmann
Ja, man hat uns eine Wohnung angeboten im Süden, die hat eine Netto-, also kalt, 1.900.- und mit den Nebenkosten ist man da schnell über 2.000.-, 2.500.- Mark und das können wir uns nicht leisten im Moment.

Daß die Mieten auf breiter Front gefallen sein sollen, das können die Erlenkötters, wie viele Familien und sozial Schwache, kaum nachvollziehen. Noch immer suchen Hunderttausende in den Ballungsräumen nach bezahlbarem Wohnraum. Und jetzt das: Mit den geplanten radikalen Kürzungen der Abschreibungsmöglichkeiten steht der freifinanzierte Mietwohnungsbau vor dem Kollaps. Konnten Investoren anfänglich 5% der Bausumme steuerlich geltend machen, in Zukunft sollen es jährlich nur noch 2% sein. Drastische Kürzungen mit dramatischen Folgen. So hat das Bonner Marktforschungsinstitut Empirica im Auftrag der VEBA-Immobilien durchgerechnet. Beispiel München.

Ullrich Pfeiffer, Marktforschungsinstitut Empirica, Bonn
Da entstehen denn Ertragslücken von 40%. Nun wird der Investor nicht versuchen, die Miete um 40% zu steigern, weil er weiß, dafür findet er die Nachfrager nicht. Er wird natürlich versuchen, eine möglichst hohe Mietsteigerung am Markt zu realisieren. Wo das genau endet, das hängt vom Einzelfall ab, das wissen wir nicht, das heißt, es wird Mietsteigerungen geben, aber es wird in keinem Fall gelingen, die ganze Ertragslücke durch Mietsteigerung wieder reinzuholen.

Das heißt konkret, entweder die Mieten steigen massiv oder was wahrscheinlicher ist, die Investoren ziehen sich in breiter Front vom Wohnungsbau zurück. So geht die Empirica Studie von etwa Einhunderttausend weniger gebauten Mietwohnungen aus, dies könnte dann aber auch Zweihunderttausend arbeitslose Bauarbeiter mehr bedeuten. Besonders betroffen werden die Ballungsräume wie München, Stuttgart oder Frankfurt sein. Investoren, Mieter- und Vermieterverbände sind in seltener Allianz gleichermaßen geschockt.

Ernst Uhl, Bayerische Hausbau GmbH, München
Wir werden uns das eine oder andere Objekt überlegen, ob wir es nicht noch hinausschieben, oder daß wir einfach nicht mehr so stürmisch bauen, wie wir das bisher gemacht haben. Aber wir glauben trotzdem, daß es weitergeht, allerdings, wie gesagt, sehr eingeschränkt mit den Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, die es immer hat, wenn er erschwert wird, das heißt, der Markt wird eng. Es wandelt sich vom Angebot zum Nachfragemarkt, das heißt, die Preise werden steigen.

Hans-Georg Rips, Deutscher Mieterbund, Köln
Also Verlierer sind eindeutig erstmal alle Mieterinnen und Mieter in Deutschland, denn als mittelbare Folge einer solchen Verschlechterung des Mietwohnungsbaus wird es natürlich auch zu einer verstärkten Eigentumsbildung kommen und das können sich nur diejenigen leisten, die über entsprechende Mittel verfügen. Und vor allem wird der Druck auf die Mieten in den Ballungszentren weiter zunehmen, so daß ich sage, die Mieter in den großen Ballungszentren in Deutschland werden die Hauptverlierer dieser Steuerreform sein.

Die vage Hoffnung der Bonner Finanzjongleure: mit dem drastischen Subventionsabbau sollen Baukosten und Baulandpreise massiv fallen, dadurch soll der Eigenheimbau angekurbelt werden. Doch wer glaubt, daß dies prompt geschieht, sollte sich einmal im Umland bundesdeutscher Großstädte umschauen. Beispiel: Königsdorf, 40 Kilometer vor München. So wie hier ist vorerst kaum damit zu rechnen, daß großzügig billiges Bauland ausgewiesen wird. Für Großstadtflüchtlinge ist der Weg nach Königsdorf unendlich weit. Sie müssen erstmal am Gemeinderat vorbei.

Alfred Stangler, Bürgermeister Königsdorf
Momentan ist laut Gemeinderatsbeschluß von 1991 die Lage so, daß sie nur an den sogenannten "Einheimischen" vergeben werden. Der ist bei uns so definiert, der muß 12 Jahre mit Hauptwohnsitz bei uns in der Gemeinde wohnen oder 15 Jahre im Gemeindebereich gearbeitet haben.

Wohl der Hauptgrund für viele Umlandgemeinden. Die Neubürger kosten die Kommune zunächst einen Batzen Geld. Da bleibt man lieber unter sich.

Alfred Stangler, Bürgermeister Königsdorf
Da sind in erster Linie natürlich Kosten der Infrastruktur. Als Beispiel, wir haben in den letzten drei Jahren unsere Schule erweitern müssen, Kosten: circa 6 Millionen Mark. Wir haben den Friedhof erweitern müssen, Kosten: circa 300.000 Mark. Und so gibtÆs dann weitere Kosten, die auf uns zukommen.

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Wohnsilo

Das heißt, die meisten Münchner Mieter werden vorerst in der Großstadt leben und sterben müssen. Allzuviele dürften kaum als stolze Eigenheimbesitzer den Mietwohnungsmarkt entlasten. Mittlerweile sieht auch der zuständige Bonner Minister, daß sich da wohl irgendjemand gewaltig verrechnet hat.

Klaus Töpfer, CDU, Bundesbauminister
Um es ganz klar und deutlich zu sagen, wir müssen alle diese Überlegungen, die im Zusammenhang mit der Steuerreform geäußert werden, mit Blick auf die Wohnungsbausituation, dieses extrem ernst nehmen. Es gibt keinen anderen Sektor der deutschen Wirtschaft, der so intensiv abhängig ist vom Steuersystem.

Und deshalb hält er es, man höre und staune, mit der Expertenkommission im Wohnungsbau. Die hatte statt zwei, vier Prozent alljährlicher Abschreibung gefordert. Damit sollte der Mietwohnungsbau gerade nicht zusammenbrechen.

Klaus Töpfer, CDU, Bundesbauminister
Ich glaube, wir müssen uns in dieser Richtung bewegen, zwei Prozent lineare Abschreibung ist zu niedrig.

Doch das muß Töpfer erstmal Theo Waigel klarmachen. Auf ihn käme dann ein weiteres Finanzloch in Höhe von 1,6 Milliarden zu. Nachtrag: es geht auch ohne Subventionschaos.
Hier im holländischen Kerkrade hat der deutsche Andreas Heine ein Eigenheim gekauft. In Holland verhindert der Staat Spekulationsgeschäfte mit Grundstücken und er fördert Eigenheime nur bis zu einer niedrigen Kostenobergrenze. Die Folge: es wird kostensparend gebaut. Dünne Wände, ohne Keller, freiliegende Rohre. Heines Eigenheim, 110 Quadratmeter groß, kostete vor sieben Jahren grade mal 100.000 Mark.

Andreas Heine, Städtischer Beamter
Also ich habe mich damals erkundigt, bevor ich nach Holland gezogen bin. Häuser in dieser Größenordnung und von diesem Alter, von der Baukonstruktion her, hätten mich sicherlich so etwa 250.000 bis 300.000 Mark gekostet.

Mittlerweile werden die preisgünstigen Holland-Häuser, wohlgemerkt als Alternative zur Mietwohnung, für etwa 200.000 Mark auch auf deutscher Seite gebaut. Die Nachfrage ist riesig. Doch Thomas Erlenkötter hilft das alles nichts. Den hat das Schicksal nach München verschlagen. Der Traum vom Eigenheim ist für ihn eher ein Albtraum. Sollten die drastischen Subventionskürzungen im Mietwohnungsbau tatsächlich umgesetzt werden, sieht er für sich ein völlig anderes Problem.

Thomas Erlenkötter, Bürokaufmann
Da müßte ich wahrscheinlich in eine kleinere Wohnung anstatt in eine größere. Und mit den Kindern, wir wollen noch ein Kind, wirdÆs dann schon sehr eng.

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