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Kienzle Der Berliner Reichstag ist ihm zum Verhängnis geworden. Die Firma eines ostdeutschen Unternehmers ist pleite. Ein indirektes Opfer der Bundesbauverwaltung. Der Jungunternehmer hatte vor fast 2 Jahren den Reichstag verhüllt. Nicht wie Christo, sondern nur mit einem Baugerüst. 36 Meter hoch mit Überdachung. Spitze in Europa. Aber gerade dieses Gerüst hat ihn ruiniert. Denn, als es stand, begann ein irrwitziger Rechtsstreit: wem gehört dieses Gerüst? Dem Bauherrn oder dem Unternehmer? Noch ist der Streit nicht endgültig entschieden, die Firma aber pleite. Der tiefe Fall eines Gerüstbauers.

Hintersetzer Ein Bericht von Rita Stingl

Eigentlich hat er alles geschafft, von ganz unten nach ganz oben. 80 Mann hören auf sein Kommando. Nach der Wende hat er so richtig aufgerüstet. Vom Volkseigenen Kohlenkutscher aus Bernau zum selbstbewußten Unternehmer in der Bauhauptstadt Berlin. Sein Erfolgsrezept.

Karsten Held
Man kann nicht mehr einfach Larifari, nur hier (zeigt auf seinen Arm) und hier nicht(zeigt auf seinen Kopf), sondern heute müssen es die Gerüstbauer hier und hier haben. Das ist eigentlich ganz wichtig.

Und alles läuft nach Plan. Im Auftrag des deutschen Volkes mit Köpfchen und dem besten Konzept rüstet er den Reichstag ein. Ein Prestige-Projekt, Millionen schwer. Karsten Held, ein gemachter Mann, der zeigen kann, was in ihm steckt. Das war vor zwei Jahren. Das Gerüst steht noch immer. Doch statt Ruhm, Geld und Ehre, nimmt seine Erfolgsgeschichte einen unerwarteten Verlauf. Karsten Held im Sommer 97.

Karsten Held
Ja, ich bin richtig pleite. Ich habe nichts mehr.

Nichts ist ihm geblieben außer einigen Planken und rund 12,5 Millionen Mark Schulden. Dabei hatte die Bernauer Gerüst-Brigade in Rekordzeit den Berliner Reichstag überdacht und eingerüstet. 36 Meter hoch, eine der größten und kompliziertesten Konstruktionen Europas. Dafür gibt es viel Lob von der Fachwelt - doch Karsten Held hat seine Rechnung ohne den Auftraggeber gemacht, denn der Gerüstbauer verheddert sich im Vertragswerk der zuständigen Bundesbaugesellschaft. Diese zahlt zwar für Aufbau und Konstruktion 3,1 Millionen Mark, doch für die Gerüstmiete gibt es keinen Pfennig.

Karsten Held
Es ist ja nicht nur, daß ich hier die Leistung gebracht habe, sondern ich habe auch das Material hierher geliefert und habe das an die Bundesbaugesellschaft vermietet. Ja, aber die Bundesbaugesellschaft hat sich dann zurückgelehnt und hat gesagt: æWir sind nicht Ihr Auftraggeber und Mieter, wir sind doch Eigentümer der GerüsteÆ. Und das ist eigentlich eine Sache, die hat es in Deutschland überhaupt noch nicht gegeben.

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Deutsche Baubürokraten beanspruchen ein millionenteures Gerüst. Einmalig. Der Bund als stolzer Gerüstbesitzer, mietfrei und auf Kosten eines Mittelständlers. Dazu schweigt die Bundesbaugesellschaft, kein Kommentar vor der Kamera. Wir sind nicht zuständig, heißt es lapidar. Der schwarze Peter wird weitergereicht, an den beauftragten Generalunternehmer, die Arbeitsgemeinschaft Reichstag. Wir stellen der Geschäftsführung die Gretchenfrage: æWem gehört das Gerüst?Æ - Die schriftliche Antwort macht nur eins klar, sie weiß es auch nicht. Wörtlich: æWäre dies in den Verträgen klar und deutlich formuliert, könnten sie davon ausgehen, daß die wechselseitigen Streitigkeiten nicht bestehen würden.Æ
staunen Karsten Held ist entrüstet. Er schreibt Briefe, appelliert an Politiker, denn es geht um seine nackte Existenz, um Mietausstände von mittlerweile über 10 Millionen Mark. Doch ob Rita Süßmuth, Günter Rexrodt oder Helmut Kohl: Statt Unterstützung gibt es nur wohlfeile Tips.

Karsten Held
Ich mache eine ordentliche Arbeit, und da braucht man kein Querulant zu sein. Ich fühle mich ganz einfach vom Bund betrogen und belogen.

Karsten Held hofft hier auf die Wende. Endstation Justitia. Die Streitparteien vom Reichstag rüsten zum letzten Gefecht. Der Beschluß ergeht nach einem Jahr Prüfung: Darin neigt das Gericht zur Annahme:

Zitat
"daß der Vertrag wegen eines wesentlichen Einigungsmangels nicht zustande gekommen ist."

Doch für die Firma kommt das alles viel zu spät. Konkurs vor wenigen Tagen, 80 Gerüstbauer stehen auf der Straße. Die bittere Bilanz.

Karsten Held
Ein Flop, ganz einfach ein Flop, ich habe kein Geld gekriegt, und da-durch ist meine Firma den Bach runter gegangen, ich mußte Gesamtvoll-streckung beantragen.

Die Bundesbaugesellschaft vermeldet jüngst, der Reichstag werde um 20 Millionen Mark billiger als geplant. Ergebnis konsequenter Managementpolitik. Getreu dem Motto: koste es, was es wolle.
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