AKTUELL
Von Zufall kann keine Rede mehr sein. Immer häufiger kriegen Journalisten Besuch vom Staatsanwalt. Und von mal zu mal werden die Übergriffe dreister. Der Eindruck verfestigt sich, daß es den Staatsanwälten wichtiger ist, Journalisten zu verfolgen, die Skandale aufdecken, als Jagd auf Ganoven zu machen, die Skandale verursachen. Verkehrte Welt. Erst jetzt ist das in Bremen wieder geschehen. Dort hat der Generalstaatsanwalt höchstpersönlich zugeschlagen. Mit einer Großrazzia, die unverhältnismäßig im Stil und in den Mitteln war. Ganz offensichtlich geht es darum, die Presse mit solchen Nacht- und Nebelaktionen einzuschüchtern. Und vor allen Dingen ihre Informanten. Ich finde aber, die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, wo es zum Himmel stinkt. Ganz besonders, wenn es sich um Steuergelder handelt - wie in Bremen.

Ein Bericht von Thomas Walde
Im Visier: Bremer Fernseh- und Zeitungsredaktionen. Gesucht wird: ein Informant.
Die Staatsgewalt rückt an und zeigt den Journalisten, wo der Hammer hängt.

Michael Geyer, Chefredakteur Radio Bremen TV:
Ich sehe da eine doppelte Einschüchterung. Erstens eine Einschüchterung der Medien und zweitens eine Einschüchterung potentieller Informanten etwa im öffentlichen Dienst, die gelegentlich immer wieder Anlaß sehen, uns über bestimmte Dinge zu unterrichten.

Dem entgegnet
Hans Janknecht, Generalstaatsanwalt Bremen:
Ich sehe nicht, daß die Pressefreiheit essentiell bedroht ist. Sie besteht nicht uneingeschränkt, das muß endlich zur Kenntnis genommen werden.

Es geht um ein Papier, ein Behördenpapier. Inhalt: angebliche Haushaltsverstöße eines Regierungsmitgliedes - es geht um Millionen. Das Papier wurde Journalisten zugespielt, vielleicht von einem Beamten. Das ärgert Politik und Behörden. Es folgen: eine Anzeige und ein Einsatz der Staatsanwälte. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Hans Janknecht, Generalstaatsanwalt Bremen:
Das ist der eigentliche Punkt, eigentlich auch der Punkt des Skandals, daß also vorzeitig irgend etwas an die Öffentlichkeit gezerrt wird, weil man Nachrichten braucht.

Und wo kämen wir da schließlich hin. Der Regierungsapparat hat ein Papier verloren - Ruhe ist die erste Journalistenpflicht. Pressefreiheit endet da, wo interne Papiere Fehlverhalten politisch Verantwortlicher entlarven könnten. Untertanengeist, für den deutsches Recht allemal einen passenden Paragraphen bietet.

Prof. Dian Schefold, Staats- u. Verfassungsrechtler, Universität Bremen:
Das erste Problem liegt jetzt schon darin, daß das Strafgesetzbuch in Fortentwicklung von Vorschriften, die aus der NS-Zeit stammen, diesen Schutz von Dienstgeheimnissen unter Strafe gestellt hat und damit allen Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit gegeben hat, im Fall eines Verrates von Dienstgeheimnissen bereits strafverfolgend tätig zu werden und damit eben auch presserechtliche Durchsuchungen anzuordnen.

Der Hebel ist da und immer öfter entscheidet sich die Staatsgewalt beim Abwägen von Strafverfolgung und Pressefreiheit für Verfolgung und gegen Freiheit. Eine Liste, von Gewerkschaften zusammengestellt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mal ist Verrat von Dienstgeheimnissen Anlaß für die Durchsuchung, mal braucht man Beweise gegen Straftäter, mal ein Bekennerschreiben.

Hans Janknecht, Generalstaatsanwalt Bremen
Es kommt immer wieder vor, und das ist richtig so, weil es diese Vorschrift gibt und sie muß auch eben angewendet werden.

Michael Geyer, Chefredakteur Radio Bremen TV
Wir mußten zur Kenntnis nehmen, daß wenn Journalisten die Aufgabe wahrnehmen, für die sie da sind, nämlich die Öffentlichkeit über wichtige Dinge zu informieren, daß dann in den Köpfen von Staatsanwälten etwas ganz anderes entsteht, und es entsteht ein Entschluß, ein Durchsuchungsbeschluß, der für mich ein Indiz dafür ist, daß die Pressefreiheit in einem konkreten Fall massiv eingeschränkt worden ist.

Strafverfolger und Politiker stehen da gerne Seite an Seite. Oft genug ärgern sich die Regierenden schließlich über journalistische Enthüller. Das gilt fast über alle Landes- und Parteigrenzen hinweg. Zusätzlicher Schutz für die Presse? Dafür mag sich kaum einer stark machen. Auch wenn er gegen Durchsuchungen protestiert. Deutliche Kritik äußerte der CDU-Landeschef, gesetzliche Änderungen will aber auch er nicht.

Bernd Neumann, CDU:
Ich glaube, daß eine gesetzliche Normierung bis in die Einzelheiten a) für den Schutz der Persönlichkeit nicht viel bringt und auch b) keine Anleitung, keine ernsthafte Anleitung für Staatsanwälte sein kann. Denn der Rahmen ist gesetzt.

Der Rahmen ist da, nur: der Inhalt muß immer wieder neu erkämpft werden. Auf jede Durchsuchung und Beschlagnahme folgen lautstarke Proteste von Redaktionen und Gewerkschaften. Aber: Staatsanwälte beeindruckt man nicht.

Hans Janknecht, Generalstaatsanwalt Bremen
Haben Sie heute Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder am Inhalt der Aktion? - Nein, nicht die leisesten.

Einige der jetzt durchsuchten Redaktionen wollen sich mit rechtlichen Schritten wehren, notfalls bis zum Verfassungsgericht gehen. Bislang sind solche Versuche aber nicht sehr von Erfolg gekrönt worden.

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