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Kienzle Unser Gesundheitssystem ist krank, schwer krank sogar. Für immer weniger Leistung zahlt der Patient immer mehr. Und der Gesundheitsminister traut sich das auch noch Reform zu nennen. Es gibt deshalb immer mehr Deutsche, die sich ihre ganz persönliche Gesundheitsreform verordnen. Im Ausland, wo Gesundheitsleistungen wesentlich billiger zu haben sind. In Tschechien, Rumänien, Ungarn und Slowenien kosten Kuren z. B. bis zu 40 Prozent weniger. Die Abwanderung dieser gesundheitsbewußten Deutschen vernichtet auch Arbeitsplätze hierzulande - schätzungsweise mehr als 10.000 pro Jahr, sagt die Bäderlobby. Die Landesversicherungsanstalten sind alarmiert. Rund 300.000 Betten werden in diesem Jahr leerstehen. Auch die Zahnärzte klagen. Viele Privatversicherte lassen sich nämlich ihr Gebiß im Ausland richten. Der "Zahntourismus" boomt. Und wie die Uni Jena feststellte - bieten die "Billigzahnärzte" durchaus europäischen Standard.

Hintersetzer Ein Bericht von Birgit Künzel und Klaus Heckenhahn

Der Weg ist eindeutig, der Trend ist klar. Wir Deutschen verlagern nicht nur unsere Arbeitsplätze ins Ausland, wer krank ist, der verlagert sich neuerdings gleich mit. Zum Beispiel hier nach Heviz in Ungarn, einem der Fluchtpunkte für all die, von Seehofers Reformen Gequälten, Mühseeligen und Beladenen.

So auch Franz Wurtinger, von Rheuma geplagter Rentner aus Landshut. In Heviz kann er sich kaum verlaufen, hier ist alles zweisprachig. Man spricht deutsch für mittlerweile hunderte von Gästen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. 14 Tage Kururlaub im Hotel - das ganze ist spottbillig. Drei Stunden im Hallenbad für 2,60 Mark, dafür gibt es in Deutschland gerade mal zwei Gläser Mineralwasser. Wer hier in wachsender Zahl im leicht radioaktiven Wasser planscht, der entspannt sich, den quält kein Gedanke an immer höhere Zuzahlungen für ambulante Badekuren in Deutschland.

Franz Wurtinger, Rentner
Zur jetztigen Zeit hat es auch mit den Kosten zu tun. Weil es bei uns immer schwieriger wird, irgendeine Kur zu bekommen, haben wir uns eben entschieden, hierher zu fahren.

In der Tat: Ungarn wird zunehmend zur Billigkonkurrenz für den von Einsparungen betroffenen Gesundheitsstandort Deutschland. Der geht im direkten Kostenvergleich eindeutig baden.

Lajos Martin, Verwaltungsdirektor Krankenhaus Heviz
Wenn ein kranker Mann oder eine kranke Frau nach Heviz kommt und drei Wochen in Kur bleibt, das kostet für ihn 1700 DM mit Vollpension, mit allen Behandlungen. Und wenn die das in Deutschland bezahlen müßten, sind das über 4000 DM.

Statt Tango schon vor dem Frühstück Fango. Der Schlamm lindert den Schmerz rheumageplagter Gelenke in ehemaligen Ostblockheilbädern genauso wie in westdeutschen Kurkliniken. Obwohl manch kritischer Patient sicherheitshalber zu Hause eine Ferndiagnose erstellen läßt.

Erich Schulz, Rentner
Ja, ich war schon bei uns beim Arzt und habe ihm davon berichtet und er hat sich - ich hatte mal so ein Prospekt mit, nicht wahr - und er hat sich das angeschaut und hat gesagt, daß ist schon eine gute Sache hier.

Eindeutiger Standortvorteil: in Ungarn sind die Löhne für Therapeuten und Pflegekräfte bekanntermaßen niedrig. Und auch die medizinische Qualität hat mittlerweile - obwohl oft bestritten - durchaus Westniveau.

Dr. Denes Cyimothy, Chefarzt Kurhotel
Schauen Sie,auch vorher haben wir auch immer Apparate vom Westen - auch in der Kommunistischen Ära - gehabt, aber wenige, wenige. Jetzt haben wir, man kann sagen, die ganze Apparatur vom Westen.

Vom Westen lernen, heißt in Ungarn auch verkaufen lernen. So bieten die findigen Magjaren in ihren Hotels einen besonderen Service: Zahnarztpraxen gleich neben der Minnibar.
Auch Paul Schaller aus Alpen am Niederrhein ist seit Jahren Stammgast in einem Budapester Kurhotel, inklusive eingebauter Zahnarztpraxis. Daß die Preise zwar niedrig, die Qualität eher dürftig sei, wird mittlerweile von besorgten Westzahnärzten gestreut. Nicht nur Paul Schaller hält das für Quatsch.

Paul Schaller
Ich habe hier oben und unten eine Protese, wissen Sie was die kostet? 1500 DM! Und dann ist die ja in ein paar Tagen fertig, das ist doch bequem.

Dr. Lantos Endre, Zahnarzt
Deutschland ist ein reiches Land. In Deutschland ist alles teuer, die Arbeitskräfte, auch die zahnärztliche Behandlung. Allerdings kann man durchaus sagen, daß die Preise in diesem Bereich, im Bereich der Zahnmedizin überteuert sind.

Mittlerweile hat selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO den Ungarn bestätigt, daß sie in der Zahnmedizin westeuropäisches Niveau haben und durchaus solide arbeiten.
Ein Schnäppchen können die von Gesundheitsreform gebeutelten Deutschen auch bei einem Besuch in ungarischen Apotheken machen. Altbekannte Medikamente deutscher und schweizer Pharmariesen sind hier deutlich günstiger. Richtig billig sind vor allem nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Das hat vor allem einen Grund:

Tünde Harangozo, Apothekerin
Die Hersteller bestimmen die Preise, aber sie haben sich an den ungarischen Markt angepaßt - auch an das Einkommensniveau. Damit sie in Ungarn überhaupt wettbewerbsfähig bleiben, müssen sie die Preise zwangsläufig an unseren Markt anpassen und dadurch sind die Medikamente dann eindeutig billiger.

Cyimothy









Wasserⁿbungen

Zimmer Drei Beispiele: Eine Zehnerpackung Aspirin kostet in Deutschland 7,90 in Ungarn 4,80 Mark. Die Drei-Monats-Packung dieser Antibabypille kostet in Deutschland 44,90 Mark, in Ungarn 18,30 Mark. Das Mittel gegen Hodenkrebs kostet in Deutschland 477,20 Mark in Ungarn 349 Mark.
Günstige Medikamente, gute Behandlung und auch die Zimmer sind längst nicht mehr im sozialistischen Einheitsdesign - was Wessis zu schätzen wissen.
  • Hier vorne ist ersteinmal ein großer Schrank, in dem alle Sachen untergebracht werden können. Es ist eine Minibar vorhanden, ein Schreibtisch haben wir hier, Spiegel, Fernsehgerät, Lampen, Sitzgruppe, das Bett. Ja, das Zimmer ist einfach, aber es ist sauber, und genügt eigentlich den Ansprüchen, man hält sich im Zimmer ja nicht allzulange auf.
Manches Kurhotel im Westen dürfte die neue Konkurrenz bald zu spüren bekommen. Auch der vielgerühmte Gesundheitsstandort Deutschland wird in die Zange genommen, nur die Krankenkassen, die dürfte das freuen.

Norbert Ahting, Kurgast
Ich bezahle alles selber und habe auch noch nie Kontakt mit der Krankenkasse aufgenommen, ob das irgendwie über die Kasse abgerechnet werden könnte.
Und wieso?
Weil es so preiswert ist, das kann man den Krankenkassen gar nicht antun, daß sie sich mit solch kleinen Beträgen abgeben.

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