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Kienzle Demokratie ist in der arabischen Welt nicht gerade weitverbreitet. Jordanien erweckt ganz zaghaft einen parlamentarischen Anschein, auch im Libanon und in Ägypten gibt man sich ein bißchen demokratisch. Ansonsten herrscht orientalische Despotie.
Deshalb waren die Hoffnungen der Weltöffentlichkeit ganz besonders auf das neue Palästina gerichtet. Aber im Kampf um Frieden und Menschenrechte sieht es dort nicht gut aus. Die Israelis blockieren im Augenblick den Fortschritt in Richtung Frieden und das neue Palästina des Jassir Arafat nimmt es mit den Menschenrechten nicht so genau. Die palästinensische Polizei geht ziemlich brutal mit Gegnern um. Auf Menschenleben - so belegt Amnesty International - wird kaum Rücksicht genommen.

Hintersetzer Ein Bericht von Udo Frank


Totenmarsch in Nablus - Westjordanland. Die ehemaligen Kämpfer der Intifada tragen ihren ermordeten Helden Mahmoud Dschmeil. Sein letzter Weg wird zu einer mächtigen Demonstration gegen seine Mörder. Denn die sind in den eigenen Reihen. Mahmoud wurde nach siebenmonatiger Haft von palästinensischen Polizisten im Gefängnis zu Tode gefoltert.
Jetzt klagt die Familie an:

Jamal Dschmeil, Vater von Mahmoud
Er wurde am 18. Dezember 1995 verhaftet. Der Führer der Sicherheitskräfte in Nablus bat mich darum, Mahmoud zu schicken. Ich sagte, in Ordnung, ich werde euch Mahmoud schicken, denn niemand befürchtete etwas. Er ging nach Jericho und sie sagten ihm, daß er auf Befehl des Präsidenten verhaftet worden sei. Er war damals während der Intifada ein Kämpfer der Fatah-Jugend. Dabei hat er herausbekommen, daß der Bürgermeister von Nablus ein israelischer Spion sein soll. Mahmoud war in Nablus eine bekannte Persönlichkeit. Als er jetzt bei den palästinensischen Wahlen kandidieren wollte, haben sie ihn ohne Angabe von Gründen verhaftet: ohne Anklage, ohne Gericht, ohne Anwalt. Ich weiß, der Bürgermeister von Nablus, Shakaa, hat gute Gründe dafür. Er hat Geld bezahlt, damit diese miesen Sicherheitskräfte Mahmoud ermorden.

Der Bruder von Mahmoud
Es gibt keinen Gefangenen, der in einem israelischen Gefängnis so behandelt wurde wie Mahmoud. Ich wundere mich darüber, daß Palästinenser Palästinenser so foltern können. Mahmoud war siebenmal in israelischer Haft. Dort hat er niemals das gesehen, was er in palästinensischen Gefängnissen gesehen hat. Wir erleben eine neue Art der Besatzung. Es gibt weder eine Kontrolle der Behörden, noch der Sicherheitskräfte.

Die Polizei in Nablus - so bestätigen Menschenrechtsorganisationen - ist mehr und mehr zum politischen Herrschaftsinstrument des Bürgermeisters geworden. Willkürliche Verhaftungen, Einschüchterung und Unterdrückung sind hier Alltag. Dem Bürgermeister statten wir einen Spontanbesuch ab, wir wollen Antworten. Er schickt seinen Leiter für gerichtliche Angelegenheiten, Fatih Naser (Chief of legal affairs).

Was können sie zu dem Fall Mahmoud Dschmeil sagen?
Ich denke, daß der Legislative Rat hierzu eine Untersuchung gemacht hat, mit dem Ergebnis, daß Herr Shakaa nichts mit dem Fall zu tun hat.
Also, er war kein Agent und hat all die Leute beseitigen lassen, die davon wußten?
Absolut nein.
Sind sie sicher?
Natürlich. Der Untersuchungsausschuß ist unabhängig. Am Ende fand man heraus, daß er nichts mit dem Fall zu tun hat.

Untersuchungsausschüsse werden vom palästinensischen Rat in solchen Fällen immer gern eingesetzt. Schuld und Verantwortung der Polizeibehörden bei Übergriffen und Folter werden meist zurückgewiesen. Menschenrechtler bezweifeln ihre Unabhängigkeit, denn oft sollen die Täter selber alles aufklären.
Suleiman Dschaleita - ein anderer Fall. Nach zwei Tagen Folter war er tot. Auch hier wird angeblich noch untersucht.

Manal Dschaleita
Mein Mann wurde am 15. Januar 1995 verhaftet und war zwei Nächte später tot. Nicht die Behörden, sondern Mitbürger haben mir das mitgeteilt. Eine Untersuchungskommission hat es nie gegeben. Ich weiß bis heute nicht, warum man ihn überhaupt verhaftet hat. Eine Anzeige habe ich nicht gemacht. Was soll ich tun? Ich habe Angst. Bis heute habe ich keinen Totenschein. Die Behörden versprachen mir Geld, damit ich mit meinen drei Kindern überleben kann. Bis heute habe ich nichts bekommen.

Die Folteropfer werden hinterher oft als Kollaborateure diffamiert, ihre Familien werden allein gelassen. Hilfszahlungen könnten als Schuldeingeständnis verstanden werden.
Die Macht der palästinensischen Elite und der politischen Nomenklatur im Westjordanland und Gaza wird von einem Mann gesichert. Er wird verantwortlich gemacht für Polizeiwillkür und Folter: Djibril Radjub - von Arafat eingesetzter Polizeichef. Seine "Preventiv Security Force" ist gefürchtet. Nach Insiderberichten Arafats Geheimdienst innerhalb der Polizei. Djibril Radjub, der Polizeichef, nutzt seine Kräfte, um mit Gewalt und Willkür jede Opposition, jede kritische Stimme zu unterdrücken.

Bassem Eid, Menschenrechtler
Das heißt, sie verhaften Leute ohne Grund. Halten sie im Gefängnis für eine lange Zeit, ohne sie einem Gericht zu überstellen. Verhören sie, foltern sie, und manchmal nach einem Monat, manchmal nach zwei, drei Monaten, lassen sie die Leute wieder frei, ohne sie überhaupt anzuklagen.

Folteropfer
Bassam Eid Nicht nur aus politischen Gründen wird von der palästinensischen Polizei gefoltert. Manchmal reicht ein Verdacht. So wie hier vorgeführt, wurde dieser Mann, der unerkannt bleiben möchte, mehrere Stunden im Gefängnis traktiert. Wegen des Verdachtes ein Auto gestohlen zu haben, zog man ihn nackt aus, verbrannte ihn mit Zigarren und Plastik, schlug auf seine Geschlechtsteile.

Bassem Eid, Menschenrechtler
Dieser junge Mann wurde in Jericho verhaftet, wegen eines Verkehrsdeliktes. Was heißt das, Verkehrsdelikt? Er verursachte nicht etwa einen Unfall. Er hat lediglich die Vorfahrt eines plästinensischen Polizeichefs mißachtet. Er wurde für eine halbe Stunde verhaftet und in Jericho auf die Polizeistation gebracht. Dort begannen ihn zehn Polizisten mit Stöcken, mit Ketten und Eisenstangen zu schlagen. Eine halbe Stunde schlugen sie ihn. Dann ließen sie ihn frei.

Festnahme auf palästinensische Art. In Ost-Jerusalem prügeln auf offener Straße Mitglieder der "Preventiv Security Force" Verdächtige erst einmal gründlich zusammen, bevor sie ins Gefängnis überführt werden. Dort gehen die Mißhandlungen in aller Regel weiter.

Bassem Eid, Menschenrechtler
Es ist ein Polizeistaat. Wir haben inzwischen neun Sicherheitsorganisationen, aber ich habe jetzt gehört, daß es sogar elf sind. In den Osloer Verträgen ist festgelegt, daß die Palästinensische Behörde ca. 45.000 Polizisten haben kann. Tatsächlich hat sie inzwischen die doppelte Anzahl. Etwa 90.000 palästinensische Menschen arbeiten für die Sicherheitsorgane, so daß man auf jeden Fall von einem Polizeistaat reden kann.
Andererseits gibt es ein Defizit an Kontrolle zwischen der palästinensischen Behörde und all den Sicherheitskräften - es gibt praktisch keinerlei Kontrolle der Sicherheitskräfte. Niemand weiß genau, was diese Leute eigentlich machen.
Acht Palästinenser sind inzwischen ermordet. Nach jedem Mord erklärte der Oberstaatsanwalt der palästinensischen Behörden den auskländischen Medien, daß wir einen Ausschuß gründen, der alle Umstände des Mordes untersuchen wird. Aber seit dem ersten Mord bis hin zum achten hörten wir nichts von irgendwelchen Ermittlungen oder irgendwelchen Schlüssen all dieser Komitees.

Die Macht kommt aus den Gewehrläufen. Mit diesem Prinzip wird auch im Westjordanland und Gaza Politik gemacht. Demokratische Grundsätze und Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke.

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