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![Hauser](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/hauser.jpg) |
Was die SPD in den letzten Monaten als einziges in der Steuerfrage einte, war die Blockade der Steuerpläne der Regierung. Bei den Alternativen waren sich die Sozialdemokraten nicht einig. Rudolf Scharping hatte "nichts dagegen", den Spitzensteuersatz für private Einkommen auf unter 40 Prozent zu senken. Für Hamburgs Bürgermeister Voscherau war die Senkung "unausweichlich". Parteivorsitzender Lafontaine dagegen, will den jetzigen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Außerdem schien Schröder im Gegensatz zu Lafontaine eine ökologische Steuerreform abzulehnen und hatte auch bei der Kilometerpauschale eine andere Meinung als seine Partei. Einige SPD-Ministerpräsidenten hatten auf Mehreinnahmen aus einer Erhöhung der Mehrwertsteuer gehofft, während die offizielle Parteilinie sich gegen Mehrwertsteuererhöhungen ausspricht. Ein geschlossenes Reformkonzept gegen das Regierungspapier konnten die Sozialdemokraten nicht vorlegen. Sie betonten nur immer, was sie nicht wollten und ließen dabei die Gegenfinanzierung offen.
Das Durcheinander auf SPD-Seite fiel in der Öffentlichkeit nicht besonders auf, weil der Streit in der Regierungskoalition über Steuer- und Rentenreform alles überlagerte. Doch nun - knapp eine Woche vor dem Steuergipfel beim Kanzler - gilt es für die SPD, Farbe zu bekennen.
Was will die SPD im Steuerpoker?
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Ein Beitrag von Thomas Fuhrmann Die SPD und die Steuerreform - wo ist ihr Konzept?
Hohn und Spott - selbst beim potentiellen Bündnispartner.
Jürgen Trittin
Die SPD sagt zwar, sie hat ein Konzept, aber sie spricht nicht darüber und dieses ist keine in der politischen Auseinandersetzung besonders überzeugende Position.
Hier in der Parteizentrale im Erich-Ollenhauer-Haus muß das Konzept wohl liegen, doch seit Tagen will oder kann die SPD nichts präzises vorlegen. Nur Eckdaten gibt es: keine Mehrwertsteuererhöhung zur Gegenfinanzierung, keine Besteuerung von Nacht- und Feiertagszuschlägen, keine Absenkung des Spitzensteuersatzes unter 40% und - kein präzises Gegenkonzept der SPD.
Ein Verhandlungsteilnehmer der Sozialdemokraten bei der geplanten Kanzlerrunde erklärt die Strategie:
Henning Voscherau
Die Regierung hat immer wieder gesagt, legt Eurer Konzept vor. Warum? Weil sie es brauchte. Für das Vorgehen: "haltet den Dieb". Und deswegen sage ich, helfen wollen wir - im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Vorführen lassen wollen wir uns nicht. Wir sind in Bonn die Opposition, aber blöd sind wir nicht.
Vergangene Woche, politischer Aschermittwoch der SPD in Rheinland-Pfalz. Dem einfachen Parteivolk ist die Strategie nicht ganz einsichtig, die Regierung nur zu attackieren ohne die eigenen Pläne auf den Tisch zu legen. Der dicke Mann aus Oggersheim muß weg, sagt Scharping, eigene Vorschläge präsentiert er kaum - den Zuhörern ist das zu wenig:
Die Aussagen, die kennen wir ja alle. Es ist nichts neues. Ja, er soll mal klar die SPD-Vorschläge auf den Tisch legen. Was sie gesagt hat, das ist alles, was wir schon immer gehört haben, und absolut nichts neues.
Nicht detailliert genug. Man muß die Sache noch etwas ausarbeiten, es sind mit Sicherheit noch genügend Punkte, die man noch erörtern muß.
Doch nicht nur an der Basis gibt es Kritik, auch in der Bundestagsfraktion ist die Strategie umstritten.
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Freitagabend in Hamburg: junge SPD-Abgeordnete aus Bund und Ländern treffen sich, wollen ihre steuerpolitischen Vorstellungen abstimmen. Der Einstieg in die Ökosteuer jetzt, da sind sich die jungen Abgeordneten einig. Eine von ihnen, Ute Vogt, 32. Für sie - keine ausgewiesene Steuerexpertin, aber Wahlkreisarbeiterin - sind Eckdaten alleine zu wenig:
Ute Vogt
Es ist natürlich nicht immer einfach, wenn man jetzt von den Bürgerinnen und Bürgern angesprochen wird. Die wollen am liebsten heute schon wissen: wie sieht es aus, wollen sie auch zum Beispiel Lebensversicherungen besteuern, oder wie sieht es aus mit Einzelleistungen? Da ist es manchmal etwas schwierig, da kann man noch keine konkrete Antwort geben kann. Aber ich muß sagen, insgesamt ist es mir so sehr viel lieber, das wir uns erst intern einigen, als das es so läuft, wie bei der CDU und der FDP, daß es einen Vorschlag gibt und ein riesen Affentheater herrscht.
Gestern mittag (Montag, 17.02.1997), Präsidiumssitzung der SPD in Bonn: der Kurs für die Steuergespräche soll abgestimmt werden. Da der Vorsitzende krank im Bett liegt, fallen keine Beschlüsse. Offenen Widerspruch zu der von Lafontaine vorgegebenen Route gibt es nicht, auf die Zwischentöne kommt es an und hier positionieren sich die einzelnen Interessen.
Hamburgs Bürgermeister, Voscherau, nach FRONTAL-Informationen SPD-Teilnehmer an der Kanzlerrunde, will die Lohnnebenkosten stark entlasten, dafür die Mehrwertsteuer massiv erhöhen und so auch die Ökosteuer einführen:
Henning Voscherau
Meine Priorität Nummer eins ist: Arbeitsplätze sicherer machen, die Arbeitslosigkeit bekämpfen, Arbeit in Deutschland billiger und wettbewerbsfähiger machen und zwar durch Herabsetzung der Abzüge, der Beiträge zu den Versicherungsanstalten, daß muß umfinanziert werden, in das Steuersystem, deshalb Beginn der Ökologischen Steuerreform, d. h. Absenkung der Lohnnebenkosten, Umfinanzierung in indirekte Steuern.
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![Henning Voscherau](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/vosche~1.jpg) |
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![Gerhard Schroeder](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/schroe~1.jpg) |
Für diese Position gibt es in der Partei auch durchaus Unterstützung.
Kurt Beck, Ministerpräsident Rheinland-Pfalz
Weg mit Belastungen auf die Sozialversicherungssysteme, die dort nicht hingehören und dafür Steuern einzusetzen, auch Verbrauchssteuern, wenn es sein muß. Durchaus ein gangbarer Weg.
Von einer Ökosteuer hält dieser Mann nun herzlich wenig. Gerhard Schröder schießt deshalb - wie so häufig - quer, betont die Wettbewerbsfähigkeit zu allererst und stichelt gegen das SPD-Verhandlungsteam.
Gerhard Schröder
Ich hoffe und ich gehe auch davon aus, daß die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bei einer Ökologisierung des Steuersystems ganz oben ansteht. Jedenfalls erwarte ich das von denen, die für die SPD verhandeln und das ist sicher keine überzogene Erwartung. Von daher denke ich, daß man jetzt weder öffentlich noch intern den Kreis der Themen einengen sollte. Wo käme ich denn da hin, schließlich sind das wirklich klasse Leute, die für uns da verhandeln.
Klasse Leute? Was wie ein Lob klingt, enthält die klare Botschaft, "meine Vorschläge sind viel besser, ohne mich läuft gar nichts in der SPD".
Bei aller Positionierung, in den eigenen Reihen ist für die SPD bei den Steuergesprächen natürlich entscheidend, welche Ausgangssituation sie für die Wahl æ98 erreicht.
Der potentielle Partner, die Grünen, sind sauer, weil die SPD sie nicht einbindet und droht unverhohlen mit Ablehnung in den rot-grünen Länderkoalitionen.
Jürgen Trittin
Die Stärke der SPD besteht ja nicht in der Gloriosität ihres Vorsitzenden und der Intelligenz ihrer Bundestagsfraktion, sondern sie beruht in der Position, die sie in den Ländern hat. Diese Position in den Ländern hat sie aber nur, weil in vier Ländern die Grünen mitregieren. Wenn die Grünen jetzt nicht bei Tische sitzen, soll man auch hinterher sich nicht beklagen. Bei Verabredungen, wo man nicht dabei gewesen ist, ist man auch nicht dazu verpflichtet.
Eine grüne Drohgebärde aus Angst vor einem schwarz/roten Steuerflirt als Vorgeplänkel einer großen Koalition. Für Oskar Lafontaine geht es jetzt darum, die Interessen der SPD zusammenzubinden, sonst wäre die Bundesregierung im Vorteil bei den kommenden Steuergesprächen.
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