AKTUELL
Hauser Es geht um eine ganz besondere DDR-Hinterlassenschaft - konkret um eine Viola, zwei Violoncelli und 18 Violinen, die sich im Besitz des DDR-Ministeriums für Kultur befanden - die sogenannten DDR-Staatsgeigen. Begabte Musiker, vor allem Studenten, konnten sich um ein solches Instrument bewerben, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu sein. Zum letzten Mal geschah das 1990. Seither verhandeln Bund und neue Länder nun aber darum, ob die Instrumentensammlung nach Einigungsvertrag Verwaltungs- oder Finanzvermögen ist. Gehören sie ausschließlich dem Bund, den neuen Ländern oder beiden zur Hälfte.
Die Klärung dieser Frage scheint Kulturpolitikern in Bonn und ostdeutschen Landeshauptstädten wichtiger zu sein, als die Instrumente ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Wieder einmal sind es vergleichsweise unbedeutende Dinge, die den Zustand des Ganzen anschaulich machen. Und man muß sich nicht wundern, wenn die Leute über manche Auswüchse von Politik am Ende verständnislos den Kopf schütteln.

Hintersetzer Ein Beitrag von Eckart Gaddum

Das ist der arme Markus mit einer billigen Hochschulgeige, Fachleute sagen mit einem Brett: Und das ist der glückliche Markus mit einer Gagliano-Geige für 250.000 Mark.
Der Unterschied ist unüberhörbar - Geige ist eben nicht gleich Geige.

Musikhochschule Franz Liszt in Weimar. Mit einem Brett kann man kein Meistergeiger werden - das wissen die Studenten hier. Aber im Osten der Republik fehlt das nötige Kleingeld für Spitzeninstrumente, Sponsoren sind rar. Viele junge Begabte gucken in die Röhre. Die Einheit hat den Wettbewerb härter gemacht. Von gleichen Chancen für Ost und West - keine Rede. Da mag sich Prof. Jost Witter, der schon zu DDR - Zeiten die ostdeutsche Geigenelite formte, nostalgisch erinnern an die 21 staatseigenen Geigen der DDR. Von Stradivari, Gagliano und Guarneri und anderen wurden sie geschaffen - in Obhut des DDR-Kultusministeriums wurden sie an begabte Musikstudenten verliehen, - das waren noch Zeiten!
Die DDR-Staatsgeigen - wo sind sie geblieben?

Die Spur führt ins Bonner Innenministerium. Hier wurde das sozialistische Geigengut von strengen Bürokraten eingezogen und zum Schweigen gebracht. Nach der Wende erfahren die neuen Länder, daß der Bund "im Oktober 1990 übergangsweise die Verwaltung von 21 Musikinstrumenten übernommen" hat.

Seitdem streiten die Juristen. Wem gehören die Staatsgeigen - Bund oder neuen Ländern?
Die Objekte selbst vegetieren derweil im Berliner Instrumentenmuseum vor sich hin. Nach dem Motto "einkassieren, konservieren, rumlavieren" lagern sie streng abgeschottet und ungespielt. Filmen dürfen wir sie nicht - alles streng geheim.
In Thüringens Kulturministerium sitzt seit kurzem der Ex-Kanzler der Musikhochschule München. Der Mann ist schockiert:

Martin Henkel-Ernst, Thüringer Ministerium für Kultur
Der Skandal ist eigentlich, daß man bisher in für mich völlig unverständlicher Art und Weise, die Instrumente irgendwo eingesperrt hat. Diese Instrumente liegen jetzt seit Jahren irgendwo im Panzerschrank oder in einem Institut, in einem Museum, ich weiß es nicht so genau. Wenn aber ein Streichinstrument nicht kontinuierlich gespielt wird, dann lassen die Eigenschaften des Holzes nach, das Holz verliert seine Resonanzfähigkeit, das Holz verliert auch in bestimmter Weise, die Fähigkeit Schall weiterzuleiten...

Das läßt unsere Bürokraten offenbar kalt, obwohl man sich nach einem Papier des Innenministeriums schon 1993 klar darüber war, "die Instrumente schnellstmöglich neu zu vergeben. Der Bedarf an den Hochschulen sei sehr groß."

FRONTAL
Geigen Auf die Frage, ob die Geigen nicht einfach an die neuen Länder zurückgehen können, betont die Bonner Vertreterin, daß der Bund diesen Vorschlag nicht befürwortet. "Statt dessen schlägt man sich gegenseitig den Einigungsvertrag um die Ohren. Jeder will Recht haben.
An ostdeutschen Hochschulen holt man derweil mit großem Talent das Letzte aus dem vorhandenen Material heraus. Wir haben uns von Bonn viel zu viel gefallen lassen, heißt es resigniert. Und der Professor, der ja nur das Beste für seine Studenten und Geigen will, versteht die Welt nicht mehr.

Prof. Jost Witter, Franz-Liszt Musikhochschule
Also wenn eine Geige gespielt wird, dann bleibt sie am Leben und wozu soll eine Geige liegen, sie ist ja dann stumm, ein Sänger muß auch singen und so ist es bei einer Geige auch.

Als wüßte er von nichts, genießt Bundesinnenminister Kanther vergangene Woche die Gedenkfeier für Ludwig Erhard. man schmückt sich mit dem Kammerorchester der Musikhochschule Weimar - aber die begehrten DDR Staatsgeigen bleiben unter Verschluß.
Überhaupt will man sich in Bonn zu diesem heiklen Fall lieber nicht vor der Kamera äußern. Nur schriftlich verkündet man uns am 20. Januar: Jetzt sei eine pragmatische Lösung geplant. Frontal hat recherchiert: Nach sieben Jahren Rechtsstreit ist man auf eine geniale Idee gekommen. Die Rechtsfrage wird vorerst ausgeklammert.

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