AKTUELL |
|
![Hauser](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/hauser.jpg) |
Die verheerende Krankheit ist in Deutschland. Fast auf den Tag genau, vor einem Monat, brach im ostwestfälischen Brakel die Galloway-Kuh "Cindy" tot zusammen. BSE - so die erschreckende Diagnose. Das noch schlimmere an dieser Nachricht aber war, "Cindy" war wahrscheinlich in Deutschland geboren und auch in Deutschland an der tödlichen Seuche erkrankt. Der erste Fall von Rinderwahnsinn in Deutschland, der offensichtlich nicht importiert wurde. Auch vier Wochen nach demTod des Tieres sind noch viele Fragen offen: Wurde "Cindy" von der Mutter angesteckt? Wurde illegal importiertes, mit dem Erreger verseuchtes Tiermehl, an "Cindy" verfüttert? Oder gibt es gar völlig neue, unbekannte Übertragungswege? Wo blieb der Rest der Herde - landete er - wie "Cindys" Mutter - im Kochtopf?
FRONTAL machte sich auf Spurensuche. Hier das Protokoll einer Recherche mit vielen offenen Fragen und Ungereimtheiten.
|
|
![Hintersetzer](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/28011.gif) |
Ein Bericht von Udo Frank, Winfried Schnurbus und Beate Thorn Das ist Peter Hall, 20 Jahre alt. Einer der ersten, dessen Tod direkt mit der Rinderseuche BSE in Verbindung gebracht wird. Die tödliche Gehirnerkrankung ließ den Abiturienten innerhalb von sechs Wochen körperlich verfallen. Peter Hall starb im Koma. Mindestens 14 Briten und ein Franzose wurden inzwischen Opfer der Seuche. Das Besondere: Sie waren alle außergewöhnlich jung. Experten befürchten. Dieses Schicksal kann Zigtausende auf der Insel treffen, denn fast 40.000 Rinder, so stellte man 1993 fest, sind an BSE erkrankt.
Das Drama der verrückten Kühe wurde lange Zeit verharmlost. Erst 1996, nachdem wissenschaftliche Hinweise auf die Verbindung der Rinderseuche und dem Tod junger Menschen nicht mehr geleugnet werden konnten, begannen die Briten zögernd mit der teilweisen Vernichtung der Herden. Die offizielle Politik blieb hart und rührte die Werbetrommel. Der britische Landwirtschaftsminister mit Töchterchen als "beaf-eater" im Selbstversuch. Ein ähnliches Bild in Deutschland, ganz aktuell: Borchert mit Big Mac.
Zu diesem Zeitpunkt ist längst bekannt: In dieser Herde auf der deutschen Ökofarm in Brakel gibt es einen starken Verdacht auf BSE. Ein Rind aus der Herde ist zusammengebrochen, liegt zuckend mit Kopfstarre am Boden.
Kurze Zeit später fallen Schüsse auf dem Ökohof des Bauern Mikus im west-fälischen Brakel. Jetzt ist nichts mehr zu verheimlichen. Die Kuh Cindy hat BSE. Mit der Giftmischung "Hellabrunn" werden die Tiere getötet und zum staat-lichen Veterinäruntersuchungsamt Detmold transportiert. Es beginnt eine fieberhafte und schwierige Suche: denn der Kopf der wahnsinnigen Cindy war dort weggeworfen worden. Jetzt soll der Rest der Herde zeigen: wo kamen die Rinder her? Wurden sie wirklich in Deutschland infiziert?
Jochen Borchert, Bundeslandwirtschaftsminister, CDU am 27.01.1997 Also hier gibt es nach wie vor Unklarheiten, ob dieses Tier, das verendet ist, also Cindy, die Tochter eines Tieres ist, das aus Großbritannien importiert worden ist. Oder ob Cindy möglicherweise selbst importiert worden ist. Weder das eine noch das andere läßt sich im Augenblick sicher sagen.
Dr. Klaus Meyn, Arbeitsgemeinschaft Dt. Rinderzüchter Das Muttertier war mit Sicherheit nicht infiziert Denn es stammt von einem Betrieb, das kann ich Ihnen hier nachweisen, welcher BSE nie gehabt hat. Das ist dieser Betrieb von Cassen G&R in Brodley in Schottland. Das Tier ist dann von einem Händler aus Süd-Niedersachsen verbracht worden nach Mecklenburg-Vorpommern und hat offensichtlich 1992 gekalbt und die Cindy produziert.
Dieses Dokument beweist: Cindy wurde am 25. Juli 1992 auf einem deutschen Hof geboren. Eine verhängnisvolle Affäre.
Dr. Klaus Meyn, Arbeitsgemeinschaft Dt. Rinderzüchter Was seit dieser Woche eben auch bedeutend geworden ist, daß wir den Status der BSE-Freiheit verloren haben. Denn die ersten vier BSE-Fälle waren alles Fälle bei Tieren, die nach Deutschland eingeführt wurden. Und deshalb waren wir nach den Regeln des internationalen Tierseuchenamtes noch BSE-frei. Und jetzt ist der erste Fall eines Tieres eingetreten, welches in Deutschland geboren wurde. Und damit wird es schwieriger werden, Lebendvieh, Rindfleisch, Milch und Milchprodukte und auch Rindersperma in Drittländer zu vermarkten.
Fleisch aus Deutschland - nein Danke! Kroatien hat die Einfuhr bereits verboten. Auch bei uns ist der Verbrauch von Rindfleisch zurückgegangen. BSE sitzt den Leuten in den Knochen.
|
|
|
Verbraucher
Ich hab Angst und ich möchte nicht das die Familie, vor den Spätfolgen... Nee!
Also ich hab heute nicht vor, Rindfleisch zu kaufen. Und ich hab auch von meiner Frau den Auftrag, kein Rindfleisch zu bringen.
Weil mir einfach das Risiko zu hoch ist. Ich weiß ja nicht, was kommt. Nee, das kann ich meinen Kindern nicht zumuten. Das mache ich einfach nicht.
Die BSE-Krise. Milliarden hat sie Bauern und Handel bereits gekostet. Mit verstärkten Kontrollen sollen weitere große Verluste aufgehalten werden.
Kurt Flur, REAL-Fleischeinkauf Es ist ja für uns eine Überlebensfrage, daß das ein sicheres System ist. Und wir kontrollieren stichprobenweise jede Woche einen unserer Lieferanten, indem wir von unserem Markt zurückverfolgen bis zum Bauern, wie die Sache funktioniert.
Diese gut und ernst gemeinten Kontrollen versagen jedoch, wenn kriminelle Energie im Spiel ist. So möglicherweise auch im Fall der deutschen BSE-Kuh Cindy. Mitten in die Phase der BSE-Verunsicherung meldet sich in Mecklenburg-Vorpommern die Tochter des Mannes zu Wort, auf dessen Hof Cindy geboren wurde. Was sie der deutschen Presseagentur sagt, klingt unglaublich, Zitat:
Die kleine Herde von rund 40 Galloway Rindern die er 1992 von einem Betrieb in Utzedel kaufte war mehr Hobby denn wirtschaftliches Standbein. Es sei nie ein Galloway vermarktet worden. Der Betrieb habe jedoch strengen Kontrollen unterlegen. Denn Rinder anderer Rassen seien vor allem an den Kindernahrungshersteller ALETE gegangen. (dpa 22.1.97)
Noch am selben Tag stellt Alete fest, Zitat: Die Geschäftsbeziehungen mit der fraglichen Ökofarm bestanden nur in der Zeit von September 1994 bis Februar 1995. Zu dieser Zeit befanden sich keine Galloway oder andere englische Rinder auf der Farm.
Die Tochter korrigiert sich wenig später .Die Farm der Mutter habe mit ALETE gearbeitet. Wir wollen das genauer wissen. Doch der Mann, dem dieser Hof und die Galloway Herde gehörte, ist tot. Seine Tochter gibt keine weitere Auskunft. Die Ökofarm des Dr. Meyer-Bodemann ist in Konkurs gegangen. Hier wurde das BSE-Rind Cindy geboren.
Sonntag 26.1.1997 Auf einem Hof nahe Bayreuth finden wir schließlich den Viehhändler, der bei Meyer-Bodemann gekauft hat und genau darüber informiert ist, was mit englischen Rindern auf der Ökofarm passierte.
Reiner Jobst, Viehhändler Da kann ich ihnen die Einkaufsrechnung zeigen, da stehen sämtliche Nummern drauf.
Die Nummern, die der Viehhändler Jobst meint, gehören zu acht Galloway Rindern, die er 1995 von Meyer-Bodemann gekauft hat. Ohne jeden Zweifel gehörte auch die BSE-kranke Cindy dazu, mit der Ohrnummer 5570. Daß die Ökofarm des Meyer-Bodemann einen großen Bestand englischer Rinder hatte, beweisen tierärztliche Atteste. Von Jobst wollen wir wissen, wie Meyer-Bodemann seine Galloways verwertet hat und wer sein Partner war.
|
|
![Riesenburger](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/burger.jpg) |
|
|
|
![Rinderhirn](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/hirnze~1.jpg) |
Reiner Jobst,Viehändler
Ja nu. WennÆs jetzt die Galloways betrifft, hat er mir schon erzählt, daß die einer Verwertung zugehen, speziell die jungen Kälber. Und wenn er dann einmal ein Tier hatte, daß sich mal den Fuß brach und er wollte das für sich verwenden, da hat er ja die dollsten Schwierigkeiten auf sich nehmen müssen, bis er das rausgekriegt hatte, bis er das selber für sich kochen durfte. Dagegen die Kälber, die liefen da alle freiweg in den Vertrag weiter hinein, hat er mir gesagt. Da gabÆs keine Probleme mehr.
Irgend jemand hat doch dieses Rindfleisch von Meyer-Bodemanns Farm gegessen?
Bestimmt. Denn zum Hobby hält man ja die net. Die sind verkauft worden und Meyer-Bodemann hat auch erzählt er habe einen Vertrag. Ist das so?
Ja, hat er gesagt. Vertrag heißt hier, er hatte einen festen Abnehmer? Ja. Und das abgenommene Rind wurde dann als Fleisch für die Lebensmittelherstellung weiterverarbeitet? Ist das so?
Ja. Ganz klar. Den Namen des Lebensmittelkonzerns wollte er nicht preisgeben. Aber die Tochter von Meyer-Bodemann hatte ja ALETE genannt.
Montag 27.1.1997 Wir sind bei ALETE in München. Im Vorgespräch bestätigt ein Konzernsprecher die Geschäftsaufnahmen zu Meyer-Bodemann im Januar 1994. Im Interview relativiert er das Verhältnis.
Thomas Mettke, ALETE Wir können insofern sicherlich nicht von einem Hof sprechen, Sie wissen, daß es sich um eine ursprüngliche landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft aus der früheren DDR war, die in viele verschiedene Betriebsstätten aufgeteilt waren, so daß hier von einem einheitlichen geschlossenen Betriebssystem und von einem Hof gar keine Rede sein kann. Vielmehr ist es so wie ich gesagt habe: Diese ganze Beziehung Alete-Rinder waren auf einem ganz anderem Gelände, als ursprünglich die Galloway-Rinder von Herrn Bodemann.
Eine Stunde nach dem Interview erreicht uns dieses Fax.Zitat: Mit der Ökofarm Düwelsoorbarg haben wir nie etwas zu tun gehabt.
Der Konkurshof des Dr.Meyer-Bodemann. Obwohl ALETE Geschäftsbeziehungen jetzt bestreitet, legt die Firma uns diesen Brief des Ökobauern vor. Darin heißt es, Zitat:
Ökofarm, Angusfarm und Ökomilch halten, züchten und mästen also keine Galloways. Mit diesem Brief versuchte Meyer-Bodemann offenbar ALETE zu täuschen.
Das sind Galloways von Meyer-Bodemann, die zum Zeitpunkt der von ALETE zunächst eingeräumten und kurz danach dementierten Geschäftsbeziehungen zu Meyer-Bodemann auf der Ökofarm lebten. ALETE legt Wert auf die Feststellung, daß niemals ein Galloway Rind in seine Gläschen gewandert ist.
Das ist der Halb-Bruder von Cindy dem BSE-Kalb. In einem Labor im hollän-dischen Lelystat wird das Gehirn des Halb-Bruders vom BSE-Kalb Cibdy jetzt analysiert. In Kürze wissen wir, ob Cindy ein Einzelfall war.
|
|
|
|
|