Die Frontal-Reporter
Rita Stingl, Beate Thorn und Alois Theisen
berichten


Die kopflose Aufdeckungsarbeit im Fall Worms führt zu immer neuen Geschichten. Zusammen mit einem Kind besucht Frau Plass ein Lokal. Dort mußte das Kind angeblich Spinat essen, empfand das als eklig. Bei Frau Plass wird aus Spinat Sperma - Beweis für Oralverkehr. Tatort: Stevens Corner. Die Kneipe wird auch für die Staatsanwaltschaft zum Geheimtreff des großen Pornorings. Die ehemalige Wirtin zeigt den Platz der angeblichen Massenschändung, einen Miniraum.

Die Wirtin von Stevens Corner
Nach meinen Wissen, was ich gehört habe, wurden wohl die Kinder in diesem Billardraum zum Warten geschickt und wurden dann - ob einzeln weiß ich nicht genau - hier in diesen Raum reingeführt, in diesen winzig kleinen Vorraum, hier hat eine braune Cordcouch gestanden, wo Gäste immer gesessen haben, sich unterhalten haben, auf dieser Couch soll der eigentliche Mißbrauch wohl stattgefunden haben.

Eine braune Couch wie in Stevens Corner spielt auch im Verhör des kleinen Kevin eine Rolle. Eine braune Couch gibt es auch bei dem Jungen zu Hause.

Nicole M., betroffene Mutter
Es wurde dann also so langsam auf die Couch übergegangen, aber in Gedanken war der Kevin bei unserer Couch zu Hause, das hat man daran gesehen, daß er erzählt hat, ja da guckt er immer Mogli und die Frau Fischl war eigentlich bei der Couch im Stevens Corner. Und so gab das dann eigentlich ein Wirrwarr.

Im Keller von Stevens Corner sollen die Kinder zur Prostitution gezwungen und dabei gefilmt worden sein. Nach diesen Pornos hat die Staatsanwaltschaft zwei Jahre lang im In- und Ausland gesucht. Gefunden wurde nichts. Möglicherweise trübte auch hier Übereifer den Blick für die Realität. Beispiel: Oma Lissy.

Lissy H., betroffene Oma
Das Stevens Corner kenne ich auch nicht. Ich soll unter anderem eine Isabell geholt haben, mit dem Auto dazu gesagt, ich besitze keinen Führerschein.

Bei jedem Verdacht auf Kindesschändung gibt es eine medizinische Untersuchung. Denn dieses Verbrechen hinterläßt oft schwerste körperliche Schäden. Im Fall Worms schickte Wildwasser die Kinder zunächst in die Praxis der Doktoren Sievers und Veit. In vielen Fällen sind die Befunde eher dürftig oder zeigen keine Spuren von sexuellem Mißbrauch, obwohl die beiden Ärzte die kleinen After und Scheiden unter der Lupe genau betrachten. Bei keinem der kleinen Mädchen, auch nicht beim sechs Monate alten Baby ist das Jungfernhäutchen zerstört, obwohl die Kinder immer wieder vergewaltigt worden sein sollen. Nur ein einziges Mal findet Dr. Veit nach eigener Aussage angeblich einen spezifischen Beweis für einen sexuellen Mißbrauch: Spermaspuren in der Scheide eines Mädchens. Doch dieser so wichtige Beweis ist angeblich in der Praxis Veit verloren gegangen. Als Hinweis auf sexuellen Mißbrauch werten die Ärzte auch folgenden Befund: unter anderem eine 2 mm breite und 2 mm tiefe, glatt überhäutete Fissur, also eine winzige Furche und eine V-förmige Rhagade, das ist ein kleiner Einriß. Der vom Gericht bestellte medizinische Sachverständige wertet solche Spuren anders.

Prof. Dr. Reinhard Urban
Das ist jetzt ein Schema, das vielleicht so ein bißchen erläutert, welche unterschiedlichen Befunde wir zu erwarten haben und wie schwierig es vielleicht auch sein kann, solche Befunde zu interpretieren, auch im Hinblick auf die Beweiskraft für bestimmte Vorgänge die in diesen Bereichen abgelaufen sind, gerade wenn es sich um kleine Kinder handelt.

Risse und Narben an Po und Scheide können nach Ansicht des Wissenschaftlers auch andere Ursachen haben.

Prof. Dr. Reinhard Urban, Gerichtsmediziner Universität Mainz
Zum Beispiel durch Eigenmanipulationen, zum Beispiel durch auch ein unglückliches Hinfallen im Einzelfall, das muß man dann natürlich jeweils sehen, ob so etwas dem zuzuordnen ist oder nicht; zum Beispiel auch durch entzündliche Prozesse, die in diesen Bereichen durch Schmierinfektionen oder andere Möglichkeiten auftreten können und dann solche Hautrötungen, Hautveränderungen hervorrufen können.

Verformungen des Jungfernhäutchens, die Kinderarzt Veit für höchst verdächtig hält, sind für Prof. Urban auch natürlich erklärbar. Massive Vergewaltigung hinterläßt andere Spuren.

Prof. Dr. Reinhard Urban, Gerichtsmediziner, Universität Mainz
Wenn hier ein Geschlechtsverkehr im eigentlichen Sinne stattfindet, das heißt ein Eindringen des erregten männlichen Gliedes in diese kleine Scheidenöffnung der 4-jährigen oder des noch kleineren Mädchens, dann muß man erwarten, daß es hier zu Deflorationsverletzungen kommt und gegebenenfalls auch zu einer übernatürlichen - für dieses Alter - Aufweitung des Scheideneingangs, der dann letztlich auch eine bleibende Komponente hat, das heißt, das bildet sich nicht wieder vollständig zurück wie zum ursprünglichen Zustand, sondern das kann man auch im nachhinein diagnostizieren.
Frage"Ich muß es noch einmal wiederholen, Sie haben bei all diesen 16 Kindern keine spezifischen Merkmale für sexuellen Mißbrauch finden können."
Prof. Dr. Reinhard Urban, Gerichtsmediziner, Universität Mainz
Nein.

Wie schnell Menschen seinerzeit im Wormser Ermittlungsfieber verdächtigt wurden, zeigt das Beispiel von Irene und Siegfried A. und ihrem Pflegekind Michelle.

Famillie A.
Das sind Bilder von unserem letzten gemeinsamen Urlaub auf Rhodos im Sommer æ94. Das war Michelle, da hatten wir gemeinsam Kos besucht, von Rhodos aus. Das sind so die letzten Bilder, die ich eigentlich von ihr habe. Wir kamen ja vom Urlaub zurück samstags, und wurden montags dann verhaftet.

Angeblich - so erzählt ein Kind nach vielem Fragen - gehörte zu den Kinderschändern auch eine Erzieherin. Irene A., die Pflegemutter von Michelle, war 15 Jahre Kindergärtnerin. So geraten Frau A. und ihr Mann ins Blickfeld der Wildwasser-Mitarbeiterin. Wenig später wird gegen sie ermittelt. Michelle kommt am Tag, als die Polizei die Eltern holt, in ein Heim. Zuvor führt das Kind die Staatsanwältin durch die Wohnung. Dabei erzählt das Kind von Geistern und Gespenstern. Familie A. beklagt heute, daß dem vierjährigen Mädchen von Staatsanwaltschaft und Heimbetreuern sexuelle Phantasiegeschichten eingeredet wurden.

Siegfried A. mit einem Beispiel.
An diesem Tag war die leibliche Mutter dort gewesen, bei Michelle, da ist Michelle auf die leibliche Mutter zugegangen und hat gesagt, ich darf ja nicht mehr zum Siggi, weil der Siggi mir ja an Po und Scheide weh getan hat. Und da hat die Mutter gesagt, die leibliche Mutter, wer sagt denn das, sagst du das? Und da hat die Michelle in ihrer Art, die ist sehr explosiv, gesagt, so etwas sage doch ich nicht, das hat mir die Katrin gesagt, die Katrin sagt so etwas!
Und das ist für mich ein eindeutiger Beweis.

Michelle wird wohl nie wieder in ihre Pflegefamilie zurückkehren. Sie ist inzwischen zu ihrem leiblichen Vater nach Amerika gebracht worden. Das Jugendamt hat dies so entschieden, obwohl das Verfahren gegen die Adamskis von der Staatsanwaltschaft längst eingestellt worden ist. Doch das Wormser Jugendamt interessiert das wohl nicht. Siegfried A. über ein Gespräch mit dem Amtsleiter.

Siegfried A.
Wir sind unschuldig, wie sollen wir das beweisen. Ja das interessiert ihn nicht, das ist ihm alles egal. Für ihn bin ich schuldig und bin der Täter. Da ist mir die Spucke weggeblieben. Ich konnte nichts mehr sagen.

Friedliche Musik - feindliche Lager. Wildwasser Worms feiert - auch die Gegner sind gekommen. Sie demonstrieren gegen den Mißbrauch mit dem Mißbrauch. Tausende Familien - so wird von ihnen behauptet - werden durch Falschbeschuldigungen zerstört. Einzelfälle - kontert Wildwasser und bleibt bei seinem Aufdeckungskonzept.

Luise Schlieter, Vereinsvorsitzende "Wildwasser" Worms
Wir also hatten das Tabu des sexuellen Mißbrauchs öffentlich und uns dafür stark gemacht, daß denen von sexueller Gewalt betroffenen Frauen und Kindern Hilfe angeboten werden muß. Und wir lassen uns von nichts und von niemandem einschüchtern.

Kinderschutz muß oberstes Gebot bleiben - soviel steht fest. Aber - darf er Vereinen übertragen werden, die gelegentlich auch selbsternannte Kinderschützerinnen ohne Fachausbildung beschäftigen? Fragen an die rheinland-pfälzische Familienministerin.

Frontal: "Wenn das Land Personalkosten für eine Mitarbeiterin finanziert, wird es sich doch auch über die Qualifikation dieser Mitarbeiterin informieren?"

Dr. Rose Götte, SPD Familienministerin Rheinland-Pfalz: Das ist richtig. In der Regel sind die Kinderschutzdienste dafür verantwortlich wen sie einstellen.

Frontal: "Kommen wir noch einmal zu der generellen Frage: Darf eine staatliche Behörde, ein Jugendamt, eine Stadt, ein Land hoheitliche Aufgaben an einen parteilichen Verein - gleich welcher Art - übertragen?"

Dr. Rose Götte, SPD Familienministerin Rheinland-Pfalz:Wir brauchen für die Kinderschutzdienste Träger und wir haben ganz unterschiedliche Träger gewählt, um auch unterschiedliche Erfahrungen damit zu bekommen. In der Regel sind die Träger der Kinderschutzdienste Caritas, Diakonie, ...

Frontal: "Die bezeichnen sich nicht ausdrücklich als parteilich-feministische Vereinigungen, weder Caritas noch die Diakonie. Meine Frage geht an die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf parteiliche Vereine."

Dr. Rose Götte, SPD Familienministerin Rheinland-Pfalz:Wir übertragen die Aufgaben an die Kommunen und die Kommunen entscheiden dann, wer weiter Träger sein soll.

Frontal: "Das entbindet das Land aber nicht der Aufsichtspflicht."

Dr. Rose Götte, SPD Familienministerin Rheinland-Pfalz:Das ist sicher richtig und die nehmen wir ja auch wahr.

Liegt der schwarze Peter also beim Wormser Jugendamt, das ganz eng mit Wildwasser zusammenarbeitet ? Unsere Anfragen um ein Fernsehinterview lehnt Behördenleiter Oberamtsrat Furler entschieden ab. Wenn staatliche Behörden mit parteilichen Vereinen zusammenarbeiten, begeben sie sich unter Umständen auf ein gefährliches Gleis. Frauenforscherin Karin Walser hat sich mit der Ideologie von Wildwasser auseinandergesetzt.

Prof. Dr. Karin Walser, Frauenforscherin FH Fulda
Sie gehen ja auch zum Teil sehr agressiv vor, also wenn man etwas anderes meint, dann wird man sofort als Feind identifiziert und als nicht auf dem richtigen Weg seiend, also es gibt keinen Spielraum des Denkens. Es gibt nur eine Verengung und geradlinig auf das eine Thema. Alles wird durch dieses Nadelöhr gepresst, ob ich mit dem Auge zwinkere, ob eine Frau sagt, mir tut der Bauch weh, ob ein Mädchen sagt, mein Teddybär ist kaputt, es ist ganz egal, was man sagt, es ist alles darauf gerichtet. Das meine ich mit sektenartig.

Der Fall Worms - ein Lehrstück - wie die Aufklärung von Kindesmißbrauch nicht laufen darf. Eines der angeklagten Elternpaare hat seine Kinder inzwischen wieder bei sich zu Hause. Ganz gleich, wie das Verfahren letzlich ausgeht: Opfer bleiben beide - Eltern und Kinder.

Nicole M., betroffene Mutter
Die zwei Jahre, die ich meine Kinder vermißt habe, die ich meine Kinder nicht hatte, die kann mir keiner mehr wiedergeben, keine Ute Plass und auch keine Staatsanwaltschaft mehr. Mein Mann traut sich heute noch nicht, die Kinder zu duschen und sonst etwas. Der sagt, nein, ich habe 21 Monate da drin gesessen und ich habe unheimliche Angst davor, also so lange sie angezogen sind und sonst was, er knuddelt mit ihnen, er spielt mit ihnen, aber umziehen, baden usw. das ist absolut mein Ressort.

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