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Kienzle Er sitzt noch immer. Und wie es aussieht, wird er den Hochsicherheitstrakt bei Medellin nicht so schnell verlassen. Trotz der Fürsorge aus dem Kanzleramt. Für die Kolumbianer ist Superagent Mauss zur Zeit nämlich der Lieblingsstaatsfeind, angeblich die größte Gefahr für die innere Sicherheit. Der Schattenmann im Knast wirft immer längere Schatten auf seinen Gönner in Bonn, den Geheimdienstkoordinator Schmidbauer. Zwei Brüder im Geiste, die voller Naivität den Friedensdialog mit den Guerillas und den Drogenbaronen suchten. Aber aus der Friedensmission ist eine Räuberpistole geworden, die viele Fragen aufwirft. Stimmt es - wie die kolumbianische Polizei behauptet - daß Mauss Entführungen selbst inszeniert hat?
War er wirklich der politische Pate, der die linksradikalen Guerillatruppen mit seinen Lösegeldern groß gemacht hat?
Und das mit Wissen des Bonner Geheimdienstkoordinators? Ist die BASF von offizieller Seite gezwungen worden, Lösegeld zu bezahlen? Fragen über Fragen und bislang wenig Antworten.

Werner Mauss Ein Bericht von Thomas Fuhrmann

Das Hauptquartier der kolumbianischen Polizei in Medellin. Mit Genugtuung stellen die Beamten hier aus, was sie für den größten Fang seit langem halten. Werner Mauss, Geheimagent aus Deutschland, beschäftigt das Land geradeso, als ob der Staatsfeind Nummer eins gefaßt worden sei. Der geheimnisvolle Top-Agent, weltweit operierend, lange ein Mann ohne Gesicht - jetzt hat er sogar eine Stimme bekommen.
Seine ersten Anrufe aus dem Gefängnis - mitgeschnitten von der kolumbianischen Polizei - hier klingt die Stimme des Topagenten ratlos. Der Gesprächspartner gehört zur deutschen Botschaft in Bogota.

Tonbandmitschnitt kolumbianische Polizei
Okay, hoffentlich schaffen wir die Brücke, das wir hier wenigstens mal rauskommen, ne. Denn sonst wird es schwierig. Ja, die haben jetzt die Pässe und das ganze Zeug und das Notizbuch und was weiß ich nicht alles. Okay.

Für Polizeipräsident Salgado hat Mauss nicht nur in 19 Fällen Geiseln freigekauft, nach kolumbianischem Recht strafbar, nein, der Mann geht noch weiter. Salgado hält Mauss für den Drahtzieher der Entführung durch die Guerillagruppe ELN. Seit 10 Jahren arbeite Mauss für die ELN, er sei quasi der Finanzverwalter in Europa. Vollmundige Erklärungen, Vermutungen, endgültige Beweise aber kann der Polizeipräsident nicht bieten - trotz punktueller Erfolge.
Die Polizei kann vergangene Woche diese fünf Männer als Tatverdächtige im Entführungsfall der Deutschen Brigitte Schoene präsentieren. Der Herr ganz rechts, Mariano Humberto, genannt Jimmy, ist nach FRONTAL vorliegenden Informationen eindeutig als Anführer der Kidnapper identifiziert worden. Seinem Geständnis zufolge stammen die knapp 40.000 Dollar, die die Polizei sicherstellte, aus dem Lösegeld des Entführungsfalls Brigitte Schoene. Aber: mehr als das Mauss in der Guerillagruppe ELN bestens bekannt ist, wußte der Mann auch nicht mitzuteilen.

Als Bilder von "Spiegel TV" am vergangenen Wochenende über die kolumbianischen Bildschirme flimmern, gilt das als weiterer klarer Beweis für die Kumpanei von Mauss mit der Guerilla. Herzliche Begrüßung mit den meistgesuchten Terroristen des Landes - agiert so ein aufrechter, unabhängiger Vermittler, wird in Kolumbien gefragt.

Daß Mauss und Ehefrau in selbstverfassten Schriften von Frieden in Kolumbien sprechen, den sie dem Land bringen wollen, halten die Kolumbianer für völlig abwegig oder zumindest größenwahnsinnig.
Ob die Friedensmission Mauss einzige Triebfeder war, oder Revolutionsromantik seiner Frau, oder schlicht profitabler Gelderwerb - eines ist klar bei allen Fragen: Mauss hat seit Jahren mit der Billigung und Unterstützung der Bundesregierung in Südamerika agiert. Das geht aus Unterlagen hervor, die bei Mauss beschlagnahmt wurden.

Ein Beispiel: Bei der Befreiung von drei europäischen Mitarbeitern eines kolumbianischen Zementwerks im September diesen Jahres reist Mauss mit einem Schreiben der deutschen Botschaft durchs Land, quasi ein Freibrief: Klauss Seidel alias Mauss und seine Frau, schreibt die Botschaft, seien in offizieller Mission unterwegs, dem Paar möge von Seiten der kolumbianischen Behörden alle Hilfe gewährt werden. Das alles geschieht ganz offensichtlich mit Deckung des Geheimdienstkoordinators Schmidbauer.
Als zu Beginn des Jahres drei Mitarbeiter einer argentinischen Stahlfirma verschwinden, wird Mauss unter dem Decknamen "Atlanta" engagiert. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß Schmidbauer sellbst bei einem Treffen mit dem argentinischen Botschafter in Bonn die Forderungen von Mauss überbringt. Die Firma akzeptiert danach die geforderten 3,5 Millionen Dollar Lösegeld, weitere Einzelheiten sollen zwei Direktoren der Firma Anfang Juni mit Schmidbauer besprechen.

Bleibt zu fragen, in welchem Interesse der deutsche Geheimdienstkoordinator hier handelt: In dem des deutschen Staates oder in dem seines Dutzfreundes Mauss.

Die besondere Form der Schmidbauerschen Außenpolitik hat in Kolumbien auf jeden Fall zu einer ziemlichen Verstimmung geführt und im Zuge der Mauss-Verhaftung Siemens einen lukrativen Auftrag gekostet. Für knapp 100 Millionen Dollar sollte der Weltkonzern das Meldewesen in Kolumbien auf den neuesten Stand bringen. Bei Mauss gefundene Unterlagen und seine Verbindungen zu kolumbianischen Politikern reichten, um den Auftrag zu stornieren und das Angebot neu auszuschreiben.

Hintersetzer
Schoene





Fragen an Mauss haben nicht nur die Kolumbianer, auch das Ehepaar Schoene ist alles andere als glücklich über das Verhalten von Werner Mauss und seinem Mentor Schmidbauer.

Ulrich Schoene, Ex-BASF-Manager
Es fällt mir außerordentlich schwer, keine harte Kritik zu üben. Inzwischen wissen wir alle so viel mehr von Herrn Mauss, daß sich daraus viele Fragen ergeben, auch viele Fragen an das Kanzleramt.

Für Schoene hat sich Mauss massiv in den Entführungsfall seiner Frau hineingedrängt. Nach einem ersten Treffen in Bogota mit Mauss lehnt Schoene dessen Dienste ab. Mauss schwärmt ihm zu sehr von der ELN, garantiert zwar eine schnelle Freilassung, verlangt selbst auch nichts, hält aber ein Lösegeld von rund 1,5 Millionen Dollar für notwendig. Schoene hat über eine eigene Gruppe vielversprechende Kontakte zu den Kidnappern. Mitte Oktober soll seine Frau für ein viel geringeres Lösegeld freikommen. Doch nach seiner Absage an Mauss reißen diese Kontakte zu den Entführern plötzlich ab und Mauss meldet sich erneut: Er wisse nun, wo Brigitte Schoene sei, innerhalb von drei Tagen erhält der Ehemann - vermittelt durch die Botschaft - ein Lebenszeichen. Widerwillig bittet Schoene bei der deutschen Botschaft Ende Oktober nun doch um Mauss Dienste.

Ulrich Schoene, Ex-BASF-Manager
Anfang November, etwa drei Tage nach dem ich die Botschaft gebeten hatte, nunmehr Herrn Mauss als Hilfe zur Befreiung meiner Frau einzusetzen, bekam ich zu meiner Überraschung die Antwort, daß Herr Mauss natürlichen Personen nicht zur Verfügung steht, sondern nur Firmen.

Erst als der frühere Arbeitgeber von Schoene, BASF, bei Schmidbauer interveniert, übernimmt Mauss offiziell. Jetzt geht alles ganz schnell. Nach FRONTAL-Informationen treffen sich am 12. November in Bonn Schmidbauer, Mauss und zwei hochrangige BASF-Manager. Die letzten Details sollen besprochen werden, es gibt die Löselgeldforderung von 1,8 Millionen Dollar. Welche Vereinbarungen konkret getroffen wurden, ist bisher nicht bekannt. Für Ulrich Schoene bleibt die Unterscheidung zwischen Personen und Firmen aber nur schwer verständlich.

Genauso wenig versteht Herr Schoene, warum aus 400.000 Dollar, die ursprünglich gefordert wurden, auf einmal über 1,5 Millionen Dollar wurden, die Werner Mauss veranschlagte. Noch sind viele Fragen offen. In Kolumbien jedenfalls hat die Affäre gerade erst begonnen.

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