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Hauser In den Milliardenlöchern des Bundeshaushalts wäre fast die Bonner Koalition untergegangen. Es ging um die Gretchenfrage, wie stopfen wir das Milliardenloch. Finanzminister Waigel wollte Steuererhöhungen, die FDP konnte das verhindern mit der Drohung, das sei das Ende der Koalition. Der Kompromiß aber ging voll zu Lasten der Liberalen. Die Absenkung des Solidaritätszuschlages wurde um ein Jahr verschoben. Doch die Probleme sind nicht gelöst, nur vertagt. Ein erneutes Umfallen kann sich die FDP-Führung nicht leisten, will sie ihr selbstgewähltes Profil als Steuersenkungs-Partei nicht vollends ruinieren. Während die Sozialdemokraten mit einer Troika an der Spitze schlechte Erfahrungen gemacht haben, regiert ein Dreigestirn die FDP, und das ist ziemlich mächtig. Der Parteivorsitzende Gerhardt als Integrator, der Fraktionsvorsitzende Solms als Machtpraktiker und Generalsekretär Westerwelle als Lautsprecher.

Hintersetzer Ein Bericht von Alois Theisen

Guido Westerwelle, FDP-Generalsekretär
Bei uns gibt es eine Troika, die ist sich einig.

Wolfgang Gerhardt, FDP-Bundesvorsitzender
Wir sind befreundet. Wir haben eine gute Arbeitsteilung.

Hermann Otto Solms, Vorsitzender FDP-Bundestagsfraktion
Wir haben uns im Laufe der letzten Jahrzehnte angefreundet. Man telefoniert, man entscheidet politische Sachverhalte gemeinsam. Wir müssen eigentlich gar nicht so viel kommunizieren, wir verstehen uns.

Er gilt als der perfekteste Strippenzieher der Liberalen seit dem großen Genscher, Hermann Otto Solms, der Chef der FDP-Bundestagsfraktion. Für viele ist er heute der mächtigste Mann bei den Liberalen.
Dabei hätte Solms bis vor kurzem spielend jeden Wettbewerb um die graueste Maus von Bonn gewonnen. Solms ist sicher kein politisches Showtalent. Ganz nach dem Motto: mehr sein, als scheinen, gibt er sich heute noch bescheiden, spielt seinen politischen Stellenwert eher herunter.

Hermann Otto Solms
Wolfgang Gerhardt ist der erste Mann in diesem Dreigestirn, er ist der Parteivorsitzende, er hat für die Partei in der Öffentlichkeit Vertrauen zurückgewonnen.

Solms gilt als Manager der Macht, seine Position in der Bundestagsfraktion ist unumstritten. In der vergangenen Woche wurde er bei nur fünf Gegenstimmen in seinem Amt als Chef bestätigt. Dabei gibt es dort durchaus Kritiker, die ihm vorwerfen, er sei der Hauptschuldige am mangelnden Profil der FDP.
So lasse sich Solms von CDU-Fraktionschef Schäuble immer wieder über den Tisch ziehen. Er vertrete zu wenig reine FDP-Positionen, sei der wandelnde Koalitionskompromiß. Tatsächlich hatte Solms bei der Diskussion um die Milliardenlöcher im Haushalt einer Erhöhung der Mineralölsteuer schon zugestimmt, bis FDP-Chef Gerhardt ihn zurückpfiff.

Hermann Otto Solms
Nun, erstens bin ich auch in den Verhandlungen härter geworden, jeder lernt ja dazu. Das ist ja nicht so einfach, in allen Problemen präsent zu sein, die notwendigen Argumente zu beherrschen und dann aber auch die unterschiedlichen Positionen zu vertreten, aber irgendwo auch zu einem Kompromiß zu führen, bei dem allerdings die eigenständige Haltung der FDP sichtbar werden muß. Ich glaube, das ist mir in den letzten Monaten besser gelungen, als in den ersten Monaten meiner Amtszeit als Fraktionsvorsitzender und das werden vielleicht einige Kollegen erkannt haben.

Solms ist nach eigener Erkenntnis nicht der Mann für den großen Auftritt, ein intimer Rahmen ist ihm lieber - so wie hier beim Wirtschaftsforum der FDP in Hamburg. Nicht nur hanseatische Vornehmheit schützt ihn hier vor dem sogenannten "Mischnik-Effekt", benannt nach seinem Vorgänger als FDP-Fraktionschef. Das heißt, viele Abgeordnete verlassen den Plenarsaal, sobald Solms im Bundestag ans Rednerpult tritt. Hier in Hamburg spricht Solms eineinhalb Stunden lang frei über sein Lieblingsthema, die Steuerreform.

Hermann Otto Solms
Wenn man ein Thema hat, bei dem man Meinungsführerschaft errungen hat, darf man das Thema nicht fallen lassen. Das wäre ein ganz gewaltiger Fehler. Und es ist für eine kleine Partei heutzutage sehr schwer in einem Thema Meinungsführerschaft errungen zu haben. Schauen Sie sich den Erfolg der Grünen an, der basiert heute noch immer nur auf dem Thema Ökologie. In keinem anderen Thema wird sie ernst genommen. Sie sehen, wie ein Thema alleine auch tragen kann.

Er ist ganz klar die Nummer Eins unter den liberalen Männerfreunden. Wolfgang Gerhardt, der Partei-Vorsitzende gefällt sich gegenüber dem Koalitionspartner gerne in der Rolle des Freundlichen. Daß er auch kräftig austeilen, hart zuschlagen kann, bewies Gerhardt jetzt beim Streit um das Milliardenloch. War das alles nur ein Affentheater um mal ein bißchen widerspenstige Abgeordnete auch in den eigenen Reihen zu zähmen?

Wolfgang Gerhardt
Solche Turbulenzen vermeidet man eher, aber sie waren dann auch mal unumgänglich in der Auseinandersetzung, weil es im Kern schon um die Frage ging, ob man überhaupt noch glaubwürdig einen Steuersenkungskurs fährt. Und eine Entscheidung zur Erhöhung - welcher Steuer auch immer - in diesem Fall Mineralölsteuer, hätte die FDP schwer beeinträchtigt. Und deshalb war ich bereit, auch diesen Konflikt auf mich zu nehmen. Er war im Kern ein strategischer Konflikt, ob man wieder in die alte Einnahmeverbesserung hinein-geht, wenn staatliche Haushalte Probleme bereiten, oder ob man es durchhält, Steuersenkung zu bekommen. Ich wußte, daß das auch für die FDP nicht einfach ist, denn ich habe ja ein Opfer auf Zeit gebracht mit der Verschiebung des Solidarzuschlags, aber ich wollte am Ende strategisch in der Steuersenkungspolitik bleiben. Und das haben wir geschafft.

Gerhardt verblüfft in diesen Tagen alle - durch Fleiß. Bisher galt er eher als faul. Parteiinterner Spottname: Der schnarchende Löwe von Hessen. Am vergangenen Samstag ist er in Bayern unterwegs, zuerst bei einem Kreisverband, dann hier bei einem Bezirksparteitag in Kaufbäuren, zuvor ein Empfang im Rathaus. Gerhardt weiß: als Partei ohne Kommunalen Unterleib kann die FDP nicht überleben.

Wolfgang Gerhardt
Wir könnten in Bonn nicht arbeiten, ich selbst auch nicht, ohne Freunde, die kommunalpolitisch an der Basis tätig sind. Vielleicht gäbe es die FDP noch vier Jahre im deutschen Bundestag, wenn sie in Kommunen nicht wieder stärker Fuß fassen kann, dann wird sie sich auch in Bonn nicht behaupten können.

Meisterlich sind die Liberalen noch lange nicht. Im letzten Jahr waren sie in Meinungsumfragen, wie sie selbst zugeben, oft kaum meßbar. Gerhardt hat die Partei schlanker gemacht. Der rechte und der linke Flügel wurden zurückgestutzt. Die FDP verkümmere zu einer Ein-Punkt-Partei, sagen Kritiker. Die Liberalen hätten sich zu lange mit Randthemen befaßt, entgegnet Gerhardt.

Wolfgang Gerhardt
Natürlich spielen wir auf dem Center Court - und das ist die Arbeits-losigkeit. Und da müssen wir unsere Vorschläge machen, das ist das dringenste Problem und da ist dann Steuerpolitik, Wirtschaftspolitik vorne.

Er spielt in der liberalen Troika den Prügelknaben, Guido Westerwelle. Der FDP-Generalsekretär aber teilt weniger aus, sondern steckt vor allem ein. Westerwelle ist ganz eindeutig das Leichtgewicht des liberalen Dreigestirns. Der Kanzler hatte ihn von den Beratungen zum Milliardenloch sogar ausgeschlossen.

Guido Westerwelle
Wie wendefähig ist denn die FDP? Ist sie schon wieder wendefähig? Die FDP will den Erfolg dieser Koalition und ich will diesen Erfolg in der Koalition auch ganz persönlich. Da soll sich niemand täuschen. Ich bin der Auffassung, daß die Reformpolitik weniger Staat nur durchgesetzt werden kann, in einem bürgerlichen Bündnis.

Westerwelle selbst sieht sich als Vordenker, in Wirklichkeit ist er vor allem der Verkäufer der FDP-Politik. Vor der Parteizentrale demonstrierten vergangene Woche Bergleute.
Westerwelle ficht sowas nicht an. Sein Vorbild ist der ehemalige CDU-Generalsekretär Geißler. Dessen Motto: Hauptsache Streit.

Guido Westerwelle
Wir hatten ja nun auch mal Zeiten, da erschien die FDP relativ beliebig, man könnte auch sagen, sie hatte kein Profil. Heute ist es so, daß sich jedes FDP-Mitglied und vor einem dreiviertel Jahr lagen wir noch als zuckender Leichnam auf dem Sterbebett, das wollte ich nur auch mal wieder erwähnen, es ist ja so, jetzt haben wir mal wieder drei Wahlen gewonnen und prompt fangen die ersten an auf dem Eis Polka zu tanzen, das ist ja wirklich bemerkenswert, wie schnell das geht, das Eis ist so dünn.

Und wie lange hält das liberale Männerbündnis an der Spitze der FDP? Kenner vermuten: wohl nur so lange, bis das dünne Eis bricht.

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