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Für die Gewerkschaften sind sie Raubritter, für die Regierung eine Kompanie von Maulhelden - gemeint sind die Bosse der Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft. Selbst aus den eigenen Reihen geraten sie unter Beschuß. Von Apparatschiks ist die Rede, die den Kontakt zur Wirklichkeit in den Betrieben verloren hätten. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts wollen 40 % der Unternehmen ihren Verband verlassen, falls das Ergebnis der nächsten Tarifverhandlungen nicht ihren Vorstellungen entspräche. Auch in der Öffentlichkeit sind die Wirtschaftsführer gegenüber den Gewerkschaften in die Defensive geraten. Seit dem gescheiterten Bündnis für Arbeit laufen die Spitzen der Wirtschaftsverbände der öffentlichen Diskussion nur noch hinterher. Und das ziemlich ungeordnet, wie der Streit um die Lohnfortzahlung gezeigt hat.
Das trieb selbst Kanzler Kohl zu einem wohlgezielten Wutausbruch: "Niemand habe die Arbeitgeber zum Vertragsbruch angestiftet", meinte der Kanzler und er kanzelte die Wirtschaftsführer öffentlich wegen ihrer ständigen Kritik am Standort Deutschland ab: "Der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an", so Helmut Kohl vor dem CDU-Wirtschaftsrat.
Als ob das nicht schon genug wäre, sind sich die Spitzen der Industrie- und Arbeitgeberverbände auch untereinander nicht grün. Hinter den Kulissen flogen in den letzten Monaten des öfteren die Fetzen.
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Ein Bericht von Alois Theisen und Thomas Fuhrmann Ein neuer Wirtschaftskrimi ist auf dem Markt, der
Standort Deutschland. In den Hauptrollen:Hans-Olaf Henkel, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, genannt der Hardliner;
Klaus Murmann, Boß der Arbeitgeberverbände, genannt das Weichei; und Werner Stumpfe, Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, genannt der Raubritter.
Folge I: "Jeder gegen Jeden." Der Mann hat durchaus Sinn für Stil, auch wenn Gegner in den eigenen Reihen das Gegenteil behaupten: BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, gestern morgen bei einer Tagung der Bertelsmann-Stiftung in Bonn.
Nach außen im Auftreten hanseatisch zurückhaltend, geht er mit anderen Wirtschaftsführern ganz schön ruppig um. Wegen zu hoher Tarifabschlüsse soll er die Spitzenleute im Arbeitgeberverband als Laumänner und Weicheier beschimpft haben. Auch wenn Henkel das bestreitet, eins ist klar: seit seinem Amtsantritt ist der Ton rüder geworden, gibt es persönlichen Streit unter den Spitzenleuten der Wirtschaft bis hin zum Grabenkrieg.
FRONTAL Wie würden Sie denn das Binnenklima zwischen diesen Verbänden kennzeichnen?
Hans-Olaf Henkel, Präsident BDI Das ist ganz ausgezeichnet. Werner Stumpfe, Präsident Gesamtmetall
Das könnte besser sein, als es tatsächlich ist und ich bedaure auch, daß es den Wirtschaftsführern nicht immer gelingt, die Sachdifferenzen, die sie haben, von persönlichen Geschichten freizuhalten.
Hans-Olaf Henkel, Präsident BDI Es sollte doch durchaus möglich sein, daß man auch mal kontrovers diskutiert, ohne daß man immer der Meinung ist, die würden sich nur persönlich behaken. Das ist überhaupt nicht der Grund. Wenn wir Probleme haben, dann muß man sie auch ansprechen, dann muß man darüber auch diskutieren dürfen, das muß man auch ertragen.
Persönlich unerträglich fand Arbeitgeberchef Klaus Murmann, Henkels Verhalten in seinem Fall. Murmann wollte Präsident der Europäischen Arbeitgeber werden. Henkel unterstützte ihn nicht. Bei Murmann bleibt Verbitterung, auch wenn er nach außen um Fassung bemüht ist.
Klaus Murmann, Präsident BDA Das liegt beides schon lange zurück, ich verhehle nicht, daß ich bedaure, daß wir Deutschen in Europa da mit unterschiedlichen Positionen aufgetreten sind und diese andere Formulierung bestreitet er, soweit ich weiß.
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Folge II: "Klassenkampf oder Kooperation"
Ohne klare Linie, reagieren die Bosse auf den Gewerkschaftsvorschlag "Bündnis für Arbeit". Während es die einen noch begrüßen, erklärt Metallführer Stumpfe das Bündnis schon für tot. In der Öffentlichkeit stehen die Wirtschaftsführer als Klassenkämpfer da, an denen der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit scheitert.
Werner Stumpfe, Präsident Gesamtmetall Bei der IG Metall ist unser Verhältnis schon davon geprägt, daß wir einer Gewerkschaft gegenüber stehen, die extrem änderungsfeindlich ist und sich allen auch selbst für notwendig gehaltenen Reformen zu entziehen versucht.
Klaus Murmann, Präsident BDA Die Gewerkschaften tragen eine große Verantwortung für den Arbeitsmarkt auch. Ich meine, die Tatsache, daß sie sich einem konstruktiven Dialog im Moment verweigern, sehr negativ zu beurteilen ist. Ich wünsche mir, daß dieser Dialog auf allen Ebenen wieder in Gang kommt.
Wie dramatisch die Situation ist, zeigt sich im Betrieb des Arbeitgeberpräsidenten selbst. Im Stammwerk in Neumünster arbeiten 550 Beschäftigte, früher waren es einmal 900. Auch Murmann hat Arbeitsplätze exportiert, zuletzt ein Werk in der Slowakei gegründet. Jeden Monat gehen im Bereich der Metallindustrie über 11.000 Arbeitspätze verloren. Ein gemeinsames Konzept für neue Arbeitsplätze haben die Wirtschaftsführer durchaus. Doch vor lauter Querelen wird das kaum wahrgenommen.
Hans-Olaf Henkel, Präsident BDI Auf eine gezahlte Lohnmark muß der Arbeitgeber in Deutschland 80 Pfennige zusätzlich an Lohnzusatzkosten bezhahlen. Wir müssen die Arbeitskosten senken. Das ist nicht nur eine Frage der Löhne, um Gottes Willen. Wir sehen hier drei verschiedene Quellen. Auf der einen Seite natürlich der Gesetzgeber, auf der anderen Seite die Tarifpartner, die natürlich auch was leisten können und auf der dritten Seite natürlich die Unternehmer selbst. Wenn wir die Lohnstückkosten um 20% senken können und jeder dieser drei Parteien übernimmt ein Drittel, dann haben wir auch eine Chance, diese Anzahl zusätzlicher Arbeitsplätze zu schaffen.
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Folge III: "Die Kompanie der Maulhelden."
Die Schlappe bei der Lohnfortzahlung hat die Führungsschwäche der Wirtschaftsführer deutlich offengelegt und den Streit zwischen den Wirtschaftsbossen weiter angeheizt. Nach nur wenigen Drohgebärden der Gewerkschaften brach das Unternehmerlager völlig auseinander. Die Konsequenz: 40 Prozent der Unternehmen erwägen inzwischen den Austritt aus dem Arbeitgeberverband.
Hans-Olaf Henkel, Präsident BDI Ja, man hätte es sicherlich ein bißchen besser koordinieren können, da gibt es gar keinen Zweifel, denn es gab ja in einigen Gebieten durchaus unterschiedliche Meinungen, ob dieses Gesetz nun eingeführt werden kann oder nicht. Aber in der Mehrzahl der Region ist das ohne weiteres möglich und insofern bin ich der Meinung, hätte man durchaus dem Gesetz folgen können und müssen.
Werner Stumpfe, Präsident Gesamtmetall Wissen Sie, wir leben in einer Gesellschaft, die unentwegt darüber diskutiert, erstens, daß etwas geändert werden muß, zweitens, was geändert werden müßte und drittens wie es eigentlich geändert werden sollte. Aber wir leben in einer Gesellschaft, die das Prinzip zum ersten Gebot erhoben zu haben scheint, Du darfst nicht handeln! Sobald jemand daran geht, diese Gedanken, die wir alle miteinander für richtig halten, an irgendeiner Stelle umzusetzen, erhebt sich Widerspruch bei der Regierung, bei den Gewerkschaften, in den Medien, in der Öffentlichkeit, das darf einen aber nicht davon abschrecken, an irgendeiner Stelle, wo man selber die Verantwortung trägt, mit dem Handeln zu beginnen.
Selbst Kohls Regierung spottet inzwischen über die Spitzenfunktionäre der Wirtschaft. Eine Kompanie von Maulhelden, heißt es. Auch beim geheimsamen Ziel der Kanzlerrunde, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren, sind die forschen Wirtschaftsbosse auf einmal wieder kleinlaut.
Werner Stumpfe, Präsident Gesamtmetall Ich habe Zweifel, ob das funktionieren wird. Vor allem weil wir in der Industrie im allgemeinen und in unserer Industrie im besonderen, auch was den Arbeitsplatzaufbau angehen wird, keinen Beitrag leisten können, sondern wir können nur den Arbeitsplatzabbau versuchen zu stoppen.
Hans-Olaf Henkel, Präsident BDI Am Anfang des Jahres erschien mir das Ziel durchaus noch machbar. Es ist bei dem derzeitigen Reformtempo wahrscheinlich nicht zu erreichen, aber ich bin davon überzeugt, wir sollen es weiter anpeilen.
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