Der Frontal-Reporter
Manfred Karremann
berichtet







Tierschützer fordern seit langem ein Verbot des Transports lebender Schlachttiere. Minister Borchert hält sie für vertretbar, es komme nur darauf an, wie transportiert werde.

Jochen Borchert, Bundeslandwirtschaftsminister
Unsere Verantwortung endet eben nicht an der deutschen oder an der europäischen Grenze, sondern für uns ist entscheidend, kommen die Tiere artgerecht transportiert im Empfängerland an, daß dies möglich ist, wird Tag für Tag von Transporteuren unter Beweis gestellt, die Zuchttiere transportieren über sehr viel längere Strecken artgerecht, ohne das es zur Tierquälerei kommt, ohne das es zu Verletzungen kommt. Das gleiche ist bei Schlachttieren möglich.

Teure Zuchttiere vielleicht, aber Schlachtvieh? Eine Praktikerin:

Dr. Anna Schmiddunser, Veterinäramt München
Ich bin Amtstierärztin und es gehört auch zu meinen Aufgaben die internationale Transportbescheinigung für Langzeittransporte auszustellen und ich war bei der Verladung der Tiere der Meinung, daß Transporte durchaus tierverträglich unter bestimmten Bedingungen durchgeführt werden können. Ich habe dann einige Transporte begleitet und kam zu der dempremierenden Erkenntnis, daß Langzeittransporte überhaupt nicht tierverträglich durchgeführt werden können.

Welche Konsequenz zieht die Tierärztin aus diesen Erfahrungen?

Dr. Anna Schmiddunser, Veterinäramt München
Die einzige Konsequenz kann also nur bleiben, daß Schlachttiertransporte über lange Strecken verboten werden und statt dessen Fleisch transportiert wird.

An ein Verbot allerdings ist nicht zu denken. Denn hier geht es nicht um Kleinvieh, sondern um richtig viel Geld.

Wolfgang Apel, Deutscher Tierschutzbund e.V.
Das ist natürlich so, daß hier eine unheimliche Lobby dahintersteht und diese Lobby auch Auswirkungen auf die Politik hat und die Politik nicht in der Lage ist, sich dieser Lobby zu entziehen, denn sonst hätte sie diese Prämie oder diese Exporterstattung längst gestrichen, wenn es ihnen um Tierschutz ginge. Und das finde ich ganz schlimm daran, daß nicht zumindestens, wenn man schon keine anderen Vereinbarungen zustande bringt, wenigstens diese Lockmittel für Schlachttiertransporte und zwar die Exporterstattung abgeschafft worden ist.

FRONTAL
Herr Apel, Sie haben für eine kurze Zeit unser Team in Beirut begleitet, waren bei einigen Dreharbeiten im Hafen von Beirut dabei, wie war Ihre persönliche Reaktion auf diese Bilder?

Wolfgang Apel, Deutscher Tierschutzbund e.V.
Zunächst einmal waren das die schlimmsten Tage und Nächte, die ich eigentlich miterlebt habe. Wenn sie dastehen und sehen wie schwer es ist, dem Tier helfen zu können, das dort verletzt liegt.

Wolfgang Apel hat uns einige Tage in Beirut begleitet, wir wollten einen Zeugen, er sich persönlich ein Bild von der Situation vor Ort machen. Anschauungsunterricht und Argument für die politischen Debatten in Bonn und Brüssel.
Ein Frachter mit australischen Schafen wird entladen. Auch solche Entfernungen kennt der Lebendtransport von Schlachttieren.
Unsere Dreharbeiten auf diesem Pier enden wie so oft - mit einem Rausschmiß.

No pictures - filmt gefälligst woanders, sonst ...

Bei diesem Thema fliegt man häufig raus - allein vier Mal an diesem Drehtag. Doch wir begegnen auch Leuten, die uns nicht so feindlich gesonnen sind. Manche Schiffe dürfen wir betreten.

Auf diesem modernen Frachter, der gerade mit deutschen Rindern an Bord aus Triest eingelaufen ist, treffen wir auf einen Schiffseigner, der uns vom sogenannten Shippingfieber berichtet.

Hadj Kamel Zahran, Schiffseigner
Die Rinder sind beim Transport wechselnden Temperaturen ausgesetzt: Sie kriegen Fieber, spucken Schleim. Nach 7 Tagen hören die kranken Rinder auf zu fressen und zu trinken, sie sterben. Dafür sind die Züchter und Händler in Deutschland verantwortlich, sie müßten die Tiere impfen. In den europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Österreich aber impfen viele die Tiere nicht, weil die Impfung teuer ist. Sie kostet etwa 20 bis 25 Dollar pro Tier. Wir handeln zum Beispiel mit der Firma Fleischimpex und anderen Firmen. Vielen der Händler ist die Impfung aber egal. Sie sollten die Rinder 15 Tage vor dem Transport impfen, damit die Tiere den Transport gut überstehen können. Dann hätten sie wenigstens eine Chance hier vielleicht einen Monat zu überleben.

Shippingfeaver - Eine Folge des Transportstresses, so ein deutscher Tierarzt. Der libanesische Schiffseigner war einer der Wenigen, die uns für diesen Film eine ehrliche Auskunft gegeben haben. In Italien - nur Lügen und Ausflüchte. In Deutschland ist eine ehrliche Auskunft kaum zu bekommen, die Branche hält eisern zusammen. Wir stellen dem libanesischen Schiffseigner die Frage, wieso aus jedem Schiff, das wir beobachtet haben, verletzte Tiere entladen wurden.

Hadj Kamel Zahran, Schiffseigner
Der Grund ist, daß die Tiere in diesen Lastwagen kommen, zum Beispiel aus Deutschland oder Frankreich. Ein Tier rutscht im LKW aus, und bricht sich ein Bein. So trifft die Ware im Hafen ein. Wenn es dann erst mal im Hafen in Slowenien oder Triest in Italien ist, darf es aus dem Zollbereich nicht mehr herausgebracht werden. Deshalb geben sie uns die verletzten Tiere mit, wir legen im Schiff je 2 bis 3 Rinder in ein eigenes Abteil. Dann kommen sie wenigstens lebend in Beirut an, und wir bringen sie ins Schlachthaus.

Ein anderes Schiff. Die Aussage des Schiffseigners bestätigt unsere Beobachtungen in Triest: In Italiens Renommierhafen werden entgegen allen offiziellen Auskünften sehr wohl verletzte Tiere auf Schiffe verladen - und das regelmäßig. Und der Schiffseigner erzählt weiter - man einige sich stets gütlich mit den Geschäftspartnern in Triest. Diese Horrorbilder aus Beirut entstehen also nicht etwa, weil im Libanon Tiere mehr gequält werden, als wo anders, sondern sie sind das Ergebnis einer europäischen Kosten/Nutzen-Rechnung.

Am selben Abend beobachten wir die Entladung eines Schiffes mit Rindern aus Deutschland. Der Kapitän will uns nicht drehen lassen. Wir gehen trotzdem an Bord.
Uns wird klar, warum man keine Kamera an Bord haben wollte. Verletzte Tiere liegen unmittelbar neben der Entladeluke. Wohl kein Zufall. Die haben wir in Triest schon so aufgeladen, erklärt ein Matrose dem Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes. Der Verschlag der verletzten Tiere ist für die Seilwinde des Schiffskrans leicht erreichbar. Irgendwie müssen wir sie schließlich wieder aus dem Schiff kriegen, hören wir auch von dieser Besatzung.

Ein gebrochenes Bein. Diesem Tier werden wir folgen. Bis zum bitteren Ende im Libanon, und zurück nach Deutschland, zu seinem ehemaligen Besitzer. Verzweifelt versucht der Bulle zu laufen - vergeblich. Zu groß sind die Schmerzen. Wir folgen dem LKW, der den verletzten Bullen und andere Rinder abtransportiert. Nicht im Hafen, sondern erst außerhalb, fragen wir die Fahrer, ob wir mitfahren können. Zuerst sind sie mißtrauisch, schießlich willigen sie ein.
Die verletzten Tiere werden am weitesten transportiert. Der Grund ist einfach: Sie sind billiger, werden deshalb in die Schlachthäuser im Süden des Libanon verkauft. Fast drei Stunden dauert die Fahrt, für die Rinder mit gebrochenen Beinen eine weitere Tortur. Eigentlich hätte man sie dort schon notschlachten müssen, wo sie sich die Beine gebrochen haben.
Am Ende einer langen Reise. Die völlig erschöpften Tiere verlassen mit letzter Kraft die Ladefläche des LKWs. Alle - bis auf zwei schwerverletzte Tiere. Eines davon der schwarze Bulle mit dem gebrochenen Hinterbein. Seinen Weg werden wir nach Deutschland zurückverfolgen.
Wir können diesem Tier nicht helfen, müssen ohnmächtig zusehen. Voller Trauer, aber auch voller Wut auf all jene, die bis hierher, zu dieser Endstation, an diesem Rind verdient haben. In diesem Moment fassen wir den Entschluß, jene aufzusuchen, die das Tier auf diese Reise geschickt haben, und dafür noch mit Steuergeldern belohnt werden.

Wir wollen sie mit diesen Bildern konfrontieren. Alle Tiere sind gekennzeichnet. Eine Plastikmarke im Ohr verrät den Herkunftsort der Rinder, und den ehemaligen Besitzer.
Wir fotografieren die Ohrmarke, beginnen in Deutschland zu recherchieren.

Mit Hilfe der Daten der Ohrmarke gelingt es uns, den Weg des verletzten Bullen von Beirut über Triest bis Perleberg in Brandenburg zurückzuverfolgen.

Unser Bulle kommt von einem Hof in Bresch, einem beschaulichen Ort in der Nähe von Perleberg. Es ist uns gelungen, den Züchter ausfindig zu machen. Aus diesem Stall kommt das schwarze Rind, aus Kettenhaltung, grüne Wiesen hat es nie gesehen. Nach langen Telefonaten ist der Bauer bereit, mit uns zu sprechen. Wir zeigen ihm Bilder von dem Bullen, den er erst vor anderthalb Wochen verkauft hat.

Der Landwirt
Sieht schlimm aus. Ja, das ist æne Katastrophe. Es handelt sich hier um Bullen, die wir exportiert haben, oder wir verkauft haben und exportiert worden sind, die hier bei uns im Prinzip sachgerecht verladen worden sind, im Beisein des Amtstierarztes und verzollt anständig. Und sind vernünftig verladen worden. Und wenn man solche Bilder sieht, dann kann sich als Landwirt, als Züchter und Mäster dieses Tieres im Prinzip nur - ja das ist eine Schande wie damit umgegangen wird. Dann muß man in Zukunft vielleicht auch darauf verzichten, Tiere in den Libanon zu exportieren, ja vielleicht auch generell in solche Staaten zu exportieren. Wenn so..., sicherlich werden wir unser Geld bekommen, aber dem ist damit eigentlich auch nicht genüge getan.

Das nächste Glied in der Kette: Der Viehändler. Ein Mann wäscht seine Hände in Unschuld.

Der Viehhändler
Wir sind ja auch nicht beim Hafen in Triest dabei. Das ist nicht unsere Sache. Wir sind Viehhändler oder Viehkaufleute, kaufen das Vieh und verladen es.

Die nächste Station. In der Nähe von Hannover finden wir die Firma, die den Bullen exportiert hat. Eine der großen Adressen in der Branche. Auch hier zeigen wir die Bilder.

Der Exporteur
Die haben mich ja vor zwei Tagen angerufen und haben mir gesagt, es wäre ein Bulle von uns, ob das sein könne. Wir haben das anhand der Ohrmarke rückverfolgt. Die Ohrmarke, die sie mir gegeben haben, demnach ist es ein Bulle von uns, aber aus sämtlichen Berichten ist mir nichts bekannt darüber, daß es unser Bulle wirklich ist. Wir setzen also nur super gute Spediteure ein, mit Selbsttränken und ich würde Sie gerne einladen, daß hatte ich ja schon angeboten, sich Schiffe anzugucken, mit denen wir dort dann die Tiere verbringen, die sind also absolut auf dem neuesten Stand.

Ohrmarke ja, Bulle fraglich. Fazit: Wir tun unser Bestes für die Tiere. Anzumerken bleibt, gegen diese Firma ermittelt die Staatsanwaltschaft Lüneburg auf Anzeige des Deutschen Tierschutzbundes wegen des Verdachts der Tierquälerei. Mit der Allianz-Versicherung liegt die Firma im Rechtsstreit, wegen des Todes von 319 Rindern auf dem Transportweg von Triest in die Türkei.

Anfrage beim Deutschen Vieh- und Fleischhandelsbund in Bonn, zur Situation beim Lebendtransport von Schlachttieren. Nach einer Woche hinhalten kommt folgende Antwort:
"Das Thema Tiertransporte ist, wie uns die Vergangenheit gelehrt hat, eine sehr emotionsbeladene Thematik. Mißstände in Drittländern, die in der Regel auf die Einstellung der dortigen Bevölkerung zum Tier zurückzuführen sind, werden häufig mit regionalen Transporten bei uns in Verbindung gebracht."

Schuld also an der Misere haben die Libanesen. Und daher, ganz konsequent formuliert: Der deutsche Vieh- und Fleischhandelsbund:
"Möchten wir von unserer Seite zum jetzigen Zeitpunkt auf Kommentierungen verzichten."

Ein Streicheln, eine hilflose Geste. Wir haben lange überlegt, ob wir ihnen, den Zuschauern, diese Bilder in dieser Länge und in dieser Dichte zeigen können, und zeigen dürfen. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß wir es müssen. Wir haben viel Grausames weggelassen, und manches, um einen Beweis zu liefern, ausführlich gezeigt. Vor Ort konnten wir dem sterbenden Tier nur mit einem Schluck Wasser helfen. Und weiterfilmen. Weiterfilmen, um zu informieren, denn wir sind der Meinung, daß nur der Druck der Öffentlichkeit dieses unnötige Leiden der Tiere endlich beenden kann.

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