AKTUELL |
|
|
Wir alle müssen sparen, die Beamten machen auch mit, in fünf Jahren, vielleicht. 0,2 Prozent des Zuwachses ihres Gehaltes sollen die Staatsdiener also ab 2001 bereits abgeben, so ein erster zaghafter Vorschlag des Bundesinnenministers. Es wird wieder das Beamtenrecht diskutiert, die Unkündbarkeit, das rhythmisch wachsende Einkommen, die volle Alimentation im Alter. Das sind echte Privilegien, und Privilegien können auch ausgenutzt werden. Der nächste Beitrag ist eine Art Lehrfilm. Drei Lehrer erteilen uns Nachhilfeunterricht in Sachen Schulschwänzen. Das sind natürlich Extremfälle. Die meisten der 700 000 Pauker Deutschlands marschieren tagtäglich in die Schule, machen einen guten Job und halten ziemlich lange durch. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Und so werden Sie gleich sehen, daß in manchem dienstunfähigen Frühpensionär noch ungeahnte Kräfte schlummern.
|
|
|
Ein Bericht von Hans Werner Conen Weißenhorn im bayerischen Landkreis Neu-Ulm. Das neue Müllkraftwerk auf der grünen Wiese gehört zu den modernsten im Lande. Es ersetzt gewaltigen Deponieraum voll stinkender Müllberge, erzeugt Energie und trägt durch leistungsfähige Filter praktisch nichts zur Luftbelastung bei. Obwohl der Schornstein nicht raucht, ist die Anlage vom ersten Planentwurf bis heute heftig umstritten. Es bildet sich eine der größten deutschen Bürgerinitiativen, an der Spitze stehen beamtete Lehrer. Die Initiativler sind seit Jahren betroffen, protestieren und prozessieren - mit Hingabe, aber vergeblich. Die Seele der Bewegung ist die Lehrerin Erika Barwig. Deren unermüdlicher Einsatz bei Ämtern, Gerichten und Demos füllt ganze Bände der Lokalpresse. Der Protest ist offensichtlich über Jahre ein anstregender Job. Sie will nicht vor die Kamera, dennoch ein Kontaktversuch. Erst neuerdings ist die Beamtin auf Journalisten nicht gut zu sprechen. Die wollen nämlich wissen, warum sie zwar eine Bürgerinitiative und ein Volksbegehren organisieren und obendrein Wahlkampf machen und ein Mandat ausüben kann, aber ihrer eigentlichen Arbeit in der Schule seit nun neun Jahren fernbleibt. Im zarten Alter von 46 wird sie nämlich pensioniert - wegen schwerer Krankheiten. Der frühere Landrat, ihr liebster Feind, findet das merkwürdig. Franz Josef Schick, Landrat a.D. Also, außerordentlich aktiv und ich würde so sagen, sie war die Mutter der Kompanie oder die, die den ganzen Schwung dieser Bewegung gegeben hat. Die Grund- und Hauptschule Bellenberg. Hier soll die Beamtin ab 17. September dieses Jahres wieder etwas tun für ihr Geld. Schon 1988 ergibt eine Untersuchung beim Amtsarzt, daß es mit dem Siechtum der Öko-Aktivistin und früheren Kommunal-Politikerin nicht so weit her ist. Das Verwaltungsgericht Augsburg erkennt in den Leiden der Erika B. - nach ihren eigenen Angaben oben "vertrocknete Tränendrüsen" und unten "imperativer Stuhlgang" - nur einen minderschweren Fall. Das Urteil: Ab zur Arbeit in die Schule! Nichts da, ruft von zuhause aus die Dienstentwöhnte, "Schule: Nein danke", legt Berufung ein und ein neues Attest vor, das für die nächsten sechs Monate allerlei Gebrechen bescheinigt, Nervenschwäche etwa. Ob die Symptome, die sich kaum objektiv beweisen lassen, einen Krankheitswert haben, kann man glauben oder nicht. Dr. Jochen Hofmann-Hoeppel, Rechtsanwalt Dieser "imperative Stuhlgang", also verbunden auch mit einer häufigen Frequenz zum Wasserlassen ist in den neurologischen Gutachten des Oberarzt Dr. Flor, im Rehabilitationskrankhaus Neu-Ulm dargestellt und auch entsprechend gewürdigt worden. Ich bin kein Mediziner, ich kann mit mit meiner laienhaften medizinischen Sphäre nur vorstellen, daß es der Aufrechterhaltung der sogenannten Unterrichts-disziplin im Rahmen eines vier- oder fünfstündigen Unterrichts vielleicht abträglich ist, wenn die Unterrichtsperson während einer Unterrichtsstunde zwei-, dreimal das Klassenzimmer verlassen muß, um die Toilette aufzusuchen.
|
|
|
Dem Dienstherrn, der Regierung von Schwaben, und dem Gericht kann Hektik bei der Durchsetzung der Interessen der Steuerzahler wohl nicht vorgeworfen werden. Jetzt aber hat man in Augsburg Barwigs Faxen dicke. Christine Hagen, Regierung von Schwaben Wenn jemand eine Krankmeldung bringt, dann hat die Regierung als Verwaltungsbehörde nicht die Möglichkeit darüber zu befinden, ob die Krankmeldung jetzt rechtens ist, oder in Ordnung ist, oder nicht. Dafür haben wir einen ärztlichen Dienst, einen amtsärztlichen Dienst, und dieser amtsärztliche Dienst wird in solchen Fällen eingeschaltet, um eben zu überprüfen ob diese Krankmeldung in Ordnung geht und ob diese Dame nun dienstfähig ist oder nicht. Ehemann Horst Barwig, auch Lehrer und Öko-Kämpfer, ist jetzt ebenfalls krank. Mit 55 winkt die Rente. Hier zuhause ist es eben doch am schönsten. Derweil holt die moribunde Schulmeisterin zum finalen Schlag gegen den Dienstherrn aus: wegen ihrer Öko-Mission sei sie "Staatsfeind Nummer eins" und werde verfolgt wie zu Nazi-Zeiten die Widerstandskämpfer Geschwister Scholl. Vielleicht ist die Beamtin ja wirklich krank? Der Behördenflur als Königsweg ins Freizeitglück. Viel Widerstand auf dem Weg raus aus dem Job, hin zur Frühpension, muß der Beamte nicht fürchten, die Vorgesetzten sind schließlich auch Beamte. Zu krank für die Schule, topfit fürs Hobby: Selbstverwirklichung leichtgemacht.
|
|
|
|
|
|
Hans Schiele zeigt stolz seine Verdienstnadel. Er ist trotz seines schweren Beamtenschicksals ein positiv denkender Mann. Im Jahre 83 - da ist er gerade 53 - beantragt er die Frühpension: für den Job als Studiendirektor ist er einfach zu krank. Schließlich ist der Ex-Schulmeisterozialdemokrat schon im Jahre 77 Zweiter Bürgermeister von Neu-Ulm geworden und dazu Oberturnwart und technischer Leiter beim TSV 1880. Anstrengende Wahlkämpfe, der Job im Rathaus, die Ämter im Sport - da bricht das Leiden just in der Schule durch. Der sieche Ruhestands-Pädagoge hält bis 1990 als Bürgermeister aus. Seinen Wählern will er die Wahrheit über seinen Zustand nicht zumuten - wer wählt schon einen Invaliden. FRONTAL Wenn ich Ihnen dabei folge, dann haben Sie im Rathaus eigentlich so gut wie nichts gemacht? Hans Schiele, Studiendirektor a.D. Nicht viel. Im Rathaus selbst, da bin ich gelegentlich mal gewesen und habe nach dem rechten geschaut, vielleicht dann, wenn Dr. Böbel nicht da war, mal eine Stunde länger, aber ich war nicht beschäftigt im Rathaus. FRONTAL Wissen denn die Bürger von Neu-Ulm, daß da jahrelang jemand gesessen hat, der nichts gemacht hat? Hans Schiele, Studiendirektor a.D. Sicherlich darf man das so nicht sehen, sondern ich war ja irgendwie dann bei den Beratungen und soweiter war ich ja dabeigesessen und wenn es auch wieder nur eine halbe Stunde war oder eine Stunde. Aber ich war nie irgendwie, sagen wir mal, auch gefragt für längere Zeit.
|
|
|
|
|