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Frage: warum hat keiner der Sportler aus Mexico bei den olympischen Spielen in Atlanta im Laufen oder Springen die Goldmedaille gewonnen? Antwort: derjenige, der schnell laufen und hoch springen kann, ist schon über die mexikanische Grenze nach Amerika abgehauen. Ein böser politischer Witz, der im amerikanischen Wahlkampf eine Rolle spielt. Fünf Millionen Ausländer leben illegal in den USA. Immer mehr Amerikaner sagen, jetzt ist es genug und verlangen nach schärferen Grenzkontrollen, vor allem gegenüber Mexico. Besonders in Kalifornien ist der Strom der illegalen Mexikaner eines der Hauptthemen für die Präsidentschaftswahl im November. Doch wer Präsident werden will, darf Kalifornien nicht verlieren. Deshalb wetteifern Regierung und Opposition in Washington zur Zeit darum, wer die härteste Hand hat gegen die Illegalen. Wir waren einen Tag und eine Nacht an der Grenze zu Mexico.

Ein Bericht von Klaus-Peter Siegloch


Mitten im Wasser taucht er plötzlich auf, der eiserne Vorhang zwischen USA und Mexiko. Befreundet sind beide Länder und der Handel zwischen ihnen ist so eng wie in der Europäischen Union (Hintergrund: NAFTA). Und dann dieser Zaun aus Stahlblech: 3 Meter hoch und 22 Kilometer lang. Er trennt nicht Staaten, sondern Welten. Er soll das reichste Land der Erde schützen, vor der Flut der Armen aus dem Süden.

Gut gesichert, fast wie im Gefängnis, der Grenzübergang in Tijuana. Viele Tausende warten hier jeden Tag auf eine Chance, nach Norden zu kommen, dorthin, wo man harte Dollars verdienen kann, als Gärtner oder Putzfrau in den Häusern der wohlhabenden oder auf den Plantagen irgendwo in Kalifornien.

Zurück an den Pazifik - dort, wo der Zaun ein Urlaubsparadies durchtrennt. Ein Mann ist über den Zaun geklettert und läuft nun mit seinem kleinen Bündel Richtung Norden. Scott Marvin, von der Border Patrol, den wir begleiten, informiert die Kollegen.
Die Skyline von San Diego, der ersten US-Stadt nach der Grenze, ist schon zum Greifen nahe. Doch der Geländewagen der Border Patrol ist schon am Strand: wieder ist einer gescheitert.

Besonders viel Angst flößt der Grenzzaun den mexikanischen Kindern offenbar nicht ein. Denn Stacheldraht, Minen und Schießbefehl gibt es hier nicht. Nur diese Grenzschützer, die vor einem Jahr einfach überrannt wurden. Doch nun haben die USA hier die Grenze dicht gemacht.

Ein illegaler Grenzgänger
Ich versuche es schon seit einem Monat. Ich schaffe es einfach nicht. Dreimal bin ich schon geschnappt worden. Wenn sie mich jetzt wieder kriegen, stecken sie mich ins Gefängnis - als Illegalen. Und das nur, weil ich Arbeit suche.

Scott ist froh, daß die Border Patrol nun endlich richtig ausgerüstet wurde. Mit Nachtsichtgeräten, neuen Geländewagen und fast 50% mehr Personal.

Unwegsames Gebirge ist der größte Teil der 3.200 km langen Grenze zwischen den USA und Mexiko. Schon 25 Autominuten von Tijuana entfernt ist vom Grenzzaun nur noch wenig zu sehen.

Oscar Canedo, US-Grenzbewohner
Das ist die große Mauer von Tecate. Ich bin hier in den USA - ein Schritt, und ich bin in Mexiko. Jede Nacht schleichen viele hier über die Grenze, rüber in die Berge. Mein Haus steht dahinten. Manche bestehlen mich dann. Sie sind alle auf dem langen Marsch Richtung Los Angeles und San Francisco.

Zurück in Tijuana sind wir in den Altstadtgassen mit einem Coyoten verabredet, einem der Menschenschmuggler, die für viel Geld ihre Hühnchen, wie sie sagen, über die Grenze lotsen.

Der "Coyote"
Dreißig Tausend habe ich schon nach drüben gebracht in den vergangenen Jahren. Früher ging das einfacher. Heute ist es schwieriger und damit teurer. Rund 500 Dollar pro Person.

FRONTAL
Das ist doch kriminell!

Der "Coyote"
Was ist denn daran kriminell, wenn ich denen helfe, Arbeit zu finden?

Jimmy zeigt uns den Weg zum Adlernest. Scott von der Border Patrol hat uns gewarnt, dort hinzugehen, zu gefährlich sei das. Hier 22 km von der Küste entfernt, endet ganz unvermittelt der Zaun, der die USA vor der Menschenflut schützen soll.
Jeden Abend versammeln sich hier am Ende des Zauns Hunderte, um sich auf den beschwerlichen Zwei-Tage-Marsch durchs Gebirge in die USA zu machen. Mit nichts als einer Wasserflasche gegen die Hitze des Tages und einer Jacke gegen die Kälte der Nacht. Voll Angst vor Banditen, die ihnen alles Ersparte rauben könnten und vor den Reitern der Border Patrol.
Die Reiterstaffel der Grenzwächter reitet meist die schwer zu zähmenden Mustang-Pferde. Dafür kennen sie sich aus in den Bergen. Selbst bei totaler Finsternis und dem steilsten Gelände bewegen sie sich mit schlafwandlerischer Sicherheit. Unten in Tijuana leuchten die neuen Grenzscheinwerfer das Gelände aus - fast wie früher in Ostberlin.

Nachts:
Der Zaun ist jetzt ein schwarzer Balken. Nur mit unserer Spezialoptik können wir ohne Lampe weiterfilmen. Und sie zeigt überall Hochbetrieb hinterm Zaun. Für die Grenzgänger unsichtbar wartet Scott und beobachtet sie. Da klettern die ersten unter dem Zaun durch, sind sicher, daß niemand es sieht. Scott löst Alarm aus und rennt los. Bald hat er die ersten gestellt. Über uns dröhnt plötzlich ein Hubschrauber der Border Patrol. Seine Suchscheinwerfer erleuchten die Hügel taghell.
Drei Minuten später sind 14 Mexikaner festgenommen. Die Bondensensoren im Hügel zeigen, keine Bewegung mehr. Es ist also keiner entkommen. Auf Waffen werden alle kontrolliert und auf Rauschgift. Denn das ist das neue Geschäft hier an der Grenze. Noch viel lukrativer als der Menschenschmuggel. 15 Minuten nach dem Alarm werden die letzten eingeladen. Es war ein kurzer Traum vom besseren Leben.

Mit Hilfe der kleinen Videokamera in der Sammelstelle der Border Patrol kommen Bild und Fingerabdruck des Grenzverletzers in die Computer-Akte: Auf Wiedervorlage beim nächsten Versuch. Kriminelle werden festgenommen, alle anderen wieder nach Hause geschickt. Die Drohung, wer hier mehrmals geschnappt werde, komme ins Gefängnis, kann man nicht wahrmachen. Alle Haftanstalten Kaliforniens sind schon jetzt überfüllt.

Zurück in die Berge, wo das Nachtsichtgerät die Finsternis absucht. Auf dem Monitor im Geländewagen werden alle Wärmequellen weiß gezeigt. Kein Mensch oder Tier kann sich vor diesem Infrarot-Auge verstecken.
Und da tauchen die Gruppen wieder auf, die am Adlernest losmarschiert sind. Pferde kreisen die völlig verblüfften Mexikaner ein. Der lange Marsch ins Dollarparadies ist zu Ende.
Die Nacht ist fast vorüber in Tijuana. Wir fragen Scott, wieviele Mexikaner die Border Patrol denn heute geschnappt hat.

Scott Marvin, US-Grenzpolizei
Rund 12500 haben wir in den vergangenen 24 Stunden festgenommen.

FRONTAL
Was ist das für ein Gefühl: Festnehmen, freilassen, und am nächsten Tag sind sie wieder da?

Scott Marvin, US-Grenzpolizei
Das frustriert. Aber wir können nicht die Lösung des Immigrationsproblems sein. Wir machen hier unseren Job, und das 24 Stunden am Tag.

Und 100 Meter weiter blicken sie sehnsüchtig auf die Lichter von San Diego, auf das Traumland Amerika. Diese Nacht haben sie es nicht geschafft, aber morgen sind sie wieder da.

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