LINDENSTRASSE PRIVAT

GEORG UECKER (G.U.) IM GESPRÄCH MIT ANNEMARIE WENDL (A.W.)

FOLGE 7





Wichtige Anmerkung: Die Interview-Teile stammen aus den Originalfolgen von "LindenstraßePRIVAT". Die Texte wurden wegen der besseren Lesbarkeit an manchen Stellen geringfügig verändert - ohne den Inhalt zu verfälschen. Außerdem haben wir versucht, den Live-Interview-Charakter auch sprachlich zu erhalten. übrigens: Alle Interview-Teile, die sich nur auf vorhergehende oder nachfolgende Einspielfilme beziehen, wurden weggelassen

G.U.: Annemarie, warum ist "Else Kling" so böse?

A.W.: Was heißt "böse"? "Else Kling" ist, wie man heute so schön sagt, frustriert. Jedenfalls ist das meine Version von der "Else Kling": Die war nach dem Krieg, wie man es so nennt, ein "Amiflietscherl". Dann war sie schon 29 Jahre alt, also, wie wir sagen in Bayern, schon ein "bißl überstandig" und dann hat sie den "Egon" kennengelernt. Der war berufslos und war ein bißchen jünger wie sie und der hat sie dann grade noch "derheirat". Der "Egon" ist ihr aber unterlegen, weil sie hat ja gemeint, sie ist zu Höherem geboren und kriegt mehr als so einen gewöhnlichen Arbeiter. Und daß sie dann nur Hausmeisterin geworden ist, das ist für sie natürlich gar nichts.

G.U.: War das denn so im Drehbuch oder hast du dir das selber ausgedacht?

A.W.: Nein, das ist nicht im Drehbuch gestanden. Das ist meine Rolle, wie ich sie mir vorgestellt habe, und sie ist deshalb so, weil sie eben unzufrieden ist - aber ihr Terrain, ihr Leben, ist ihre äLindenstraße" und da ist sie die Königin, und sie kennt alles, was es da gibt und was dort ist.

G.U.: Hast du denn reale Vorbilder?

A.W.: Nein, das brauche ich nicht. Das ist alles meine Phantasie, ich habe mein ganzes Leben lang viel Phantasie gehabt.

G.U.: Aber deine Biographie ist ganz anders. Du warst verheiratet, und dann ist dein Mann im Krieg gefallen und du warst alleinerziehende Schauspielerin.

A.W.: Was heißt "alleinerziehend"? Ich habe schon sehr viele Hilfen, meine Eltern und meine Schwiegereltern gehabt. Ich habe es nicht schwer gehabt, so daß ich das Kind da allein an der Hand habe nehmen müssen und mit in die Garderobe schleppen. Nein, so war es nicht.

G.U.: Wie wir ja alle wissen, hat "Else Kling" ein sehr bayrisches Vokabular. Kannst du mal unseren nichtbayrischen Zuschauern erklären, was eine "Bißgurn" ist?

A.W.: Das ist eine böse Frau, eine Beißzange. "Bißgurn" ist so ein wunderbarer bayrischer Ausdruck. Ich meine, die bayrischen Ausdrücke sind überhaupt wunderschön, das ist eine Sprache, die hat einfach so viel Melodie und so viele Blumen und alles.

G.U.: Wird das denn alles schon genauso im Drehbuch geschrieben?

A.W.: Nein, im Drehbuch steht alles in Hochdeutsch und das übersetzte ich, ich bin sozusagen Mitautorin. Ich meine ich kriege kein Geld dafür. Aber das erlauben sie natürlich gerne, denn wie ich schon gesagt habe, der Erfolg der Rolle liegt ja viel in der Sprache.

G.U.: Ich sehe da eine Gefahr, denn es ist eine Kultfigur für viele Leute, aber sie redet teilweise auch unglaublich gemeine, rassistische Dinge.

A.W.: Ja, das macht nichts, das verzeihen sie, weil sie Figur an sich mögen. Jetzt kann die ruhig einmal irgendwas Furchtbares sagen, daß stört die Leute überhaupt nicht. Mich stört es manchmal schon, wenn ich es sprechen muß. Mal mußte ich über die Jugoslawen irgendwas sagen, da war ganz furchtbar, das wollte ich eigentlich nicht sagen, aber ich mußte dann. Denn als Schauspieler mußt du ja machen, was die anderen wollen. Du bist ja sozusagen ein "Sklave".

G.U.: Aber durch die Sprache, meinst du, wird vieles aufgefangen?

A.W.: Ja, sehr vieles. Das ist einfach anders im Bayrischen, zum Beispiel auch wenn du sagst: "Du Depp", das ist ja auch kein Schimpfwort, das ist ja ein Kosename.

G.U.: Gibt es vielleicht andere Putzfrauen oder Hausmeisterinnen, die sich beschwert haben, daß sie selber gar nicht so sind?

A.W.: Ja, das hat es schon gegeben. Da hat es mal irgendeinen Hausmeister- oder Hausmeisterinnenverein gegeben, die haben sich beschwert, nach dem Motto "So gemein und so wie die sind wir nicht!"

G.U.: Wäre es für dich wichtiger, daß die Figur realistischer ist oder macht dir dieses leicht Überhöhte mehr Spaß?

A.W.: Ja, das ist viel besser und macht auch viel mehr Spaß. Das muß ein bißchen überhöht sein, dann ist die Spannung drin und dann bringt es auch was, sonst wärs ja langweilig.

G.U.: Wir wollen nächste Woche weitersprechen, bis dahin und vielen Dank. Fortsetzung





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