DATA BECKER

ART EDITION ┤97

Karla Kiesenthal


In meinen kⁿnstlerischen Arbeiten habe ich mich zwar niemals ganz auf bestimmte Materialien oder Techniken festgelegt, dennoch gab es im Rahmen meiner Gesamtentwicklung durchaus Schwerpunkte, wie eine besondere Vorliebe fⁿr textile Materialien in den 80er Jahren, diverse Collagetechniken und seit einiger Zeit auch fⁿr die Malerei, wobei z. Z. die Aquarellmalerei und verwandte (Misch-)Techniken dominieren.

Wohin der Weg in Zukunft fⁿhrt, wird fⁿr mich genauso ⁿberraschend sein, wie fⁿr den Betrachter der Bilder in dieser Ausstellung. Andere und mich selbst immer wieder ⁿberraschen zu wollen, ist ein beabsichtigtes Element in meiner Arbeit. Es liegt mir nichts daran, da▀ mein kⁿnstlerisches Werk sich in engen Bahnen klassifizieren lΣ▀t. Im spielerischen Umgang mit den unterschiedlichsten Materialien zu immer neuen Verbindungen von Farbe, FlΣche, Form, unter Einbeziehung von linearen und gestischen Momenten, vollzieht sich imgrunde eine stΣndige Auseinandersetzung mit mir selbst. Hier ist keine Kⁿnstlerin am Werk, die vor allem intellektuellen beziehungsweise theoretischen Konzepten nachgeht, sondern in Farben und Formen lebt und aufgeht. Unter der Energie und Spannung des gesamten Fⁿhlens und Empfindens kommt es dabei zur Einheit zwischen dem Kⁿnstler und dem Objekt. Der seelische, sich konzeptual nicht erfassende, Empfindungs- und Erlebnisausdruck steht eindeutig im Vordergrund.

Ein sehr sch÷nes Beispiel dafⁿr, wie eine im Bild angelegte Seelenstimmung oder Gemⁿtsbewegung auch vom Betrachter wahrgenommen werden konnte, bietet der Kommentar eines Journalisten, der zu den Mandala-Objekten in einer frⁿheren Ausstellung bemerkte, sie wⁿrden "geradlinige Fr÷hlichkeit ausstrahlen". Wie gesagt, dies ist ein Beispiel. Natⁿrlich k÷nnen auch ganz andere Fⁿhl- und Erlebnisinhalte in den Vordergrund treten, da wechselnde Einflⁿsse aus Umgebung und Umwelt auf den Kⁿnstler einwirken und ihren Weg in die Bildgestaltung finden.

Obwohl der Urgrund fⁿr diese Bildentwicklung das Unbewu▀te ist, bedeutet es nicht, da▀ hier v÷llig aus dem Bauch heraus gewerkelt wird. Das Seelenmaterial ist quasi der Humus, der nach ganz klassischen kunsttheoretischen Gestaltungslehren und Harmoniegesetzen - vergleichbar etwa den musiktheoretischen Kompositionslehren an denen ein Musikstⁿck entsteht - durchgearbeitet wird.

Diesen Proze▀ der Verwandlung von Stoff und Form hat Herbert Witzenmann einmal als einen "Proze▀ der Entzauberung des Materials und der Verzauberung des Motivs in einem gegenstr÷migen Vorgang, der sie auseinander und ineinander entstehen lΣ▀t" genannt. In diesem Vorgang tritt der Kⁿnstler nicht als "Machthaber ⁿber sein Werk" auf, sondern "erlebt sich in ihm als ein ihm intim Verbundener und selbst als einen Entstehenden - als das Geschenk, das seinem Schenken erwidert, als die Freiheit, die sich innerhalb der Gesetzlichkeit entfaltet".

Kandinsky fand in Σhnlichem Zusammenhang fⁿr seine Malerei diese Worte: "Das Malen ist ein donnernder Zusammensto▀ verschiedener Welten, die in und aus dem Kampfe miteinander die neue Welt zu schaffen bestimmt sind, die das Werk hei▀t. Jedes Werk entsteht technisch so, wie der Kosmos entstand - durch Katastrophen, die aus dem chaotischen Gebrⁿll der Instrumente zum Schlu▀ eine Symphonie bilden, die SphΣrenmusik hei▀t."

Manchmal hat der Betrachter Mⁿhe, diese "SphΣrenmusik" wahrzunehmen. Die Bildinhalte - vor allem, wenn sie abstrakt sehr ⁿberh÷ht sind oder die bildnerischen Mittel von Farbe und Form und ihre gegenseitige Durchdringung allein das Bildthema beherrschen, erscheinen ihm rΣtselhaft, l÷sen vielleicht Irritation und Ratlosigkeit aus. Das Ausl÷sen eines solchen Verunsicherungsmomentes ist gerade vom modernen Kⁿnstler oft gewollt. Ich selbst verstehe jedoch darunter nicht die zielgerichtete Provokation, sondern hoffe und wⁿnsche, da▀ diese RΣtselhaftigkeit zum Kick fⁿr den Betrachter wird, Fragen an das Bild zu stellen bzw. mit dem Bild in einen kommunikativen Proze▀ zu treten. Ich will niemandem Konzepte ⁿberstⁿlpen oder mit bestimmten Kunstdefinitionen konfrontieren. Meine Bilder sollen zum inneren Dialog anregen - zum Kommunizieren mit den bildnerischen Ausdrucksmitteln des Kⁿnstlers, mit seiner spezifischen Zeichensprache, die im Werk offenbar wird. So sollen meine Bilder zu phantasievollen Reflexionen ⁿber den Kunstgegenstand einstimmen oder zu einer "Traumreise" im Bild einladen. Wenn es darⁿber hinaus Gelegenheiten gibt, mit dem Kⁿnstler selbst ⁿber das Kunstwerk in den direkten Dialog zu treten, so empfinde ich diese M÷glichkeit als eine besondere Bereicherung, die nur viel zu selten gegeben ist.

In einem Teil meines Werkes habe ich mich vorrangig damit befa▀t, fⁿr meine pers÷nlichen Gedanken, Erlebnisse und Erfahrungen eine bestimmte themenbezogene Gestaltung im bildnerischen Schaffen zu finden. In den hier gezeigten Arbeiten tritt dieser Aspekt weitgehend zurⁿck. Form beziehungsweise FlΣche und Farbe bilden eher eigenstΣndige Momente. Dennoch kann es sein, da▀ eine Bildgestaltung trotz ihres hohen Abstraktionsniveaus, Assoziationen zu einem Bildthema weckt. Meine eigene Assoziation drⁿckt sich dann meistens im Bildtitel aus. Fⁿr den Betrachter sollte das aus meiner Sicht nebensΣchlich sein. Ich m÷chte ausdrⁿcklich dazu ermuntern, eigene Assoziationen und Interpretationen zuzulassen oder erst zu entwickeln.

Die M÷glichkeit, diewunderbar gro▀zⁿgigen RΣumlichkeiten hier in Dⁿsseldorf bei DATA BECKER fⁿr die Ausstellung nutzen zu dⁿrfen, hat die Bildauswahl beeinflu▀t. Diesem glⁿcklichen Umstand verdanke ich es, erstmalig auch sehr gro▀e Formate der prΣsentieren zu k÷nnen. Bei der Bildauswahl war mir wichtig, relativ geschlossene Werkgruppen zu zeigen, um nicht durch zu viel Vielfalt in Farbe und Technik unn÷tige Unruhe in die RΣume zu bringen, zumal ja auch noch der Kⁿnstler Hans Binn mit seinen ╓lbildern und Holzschnitten weitere Akzente setzt.

Von diesen beiden Aspekten geleitet, habe ich mich fⁿr die Gruppe der Textilarbeiten, die gewisserma▀en den Beginn meiner kⁿnstlerischen Arbeit markieren, und die Gruppe der Aquarellbilder, die einen Einblick in den aktuellen Stand wiedergeben, entschieden. Ich halte diese beiden Werkgruppen auch fⁿr interessant wegen ihres Spannungskontrastes - einerseits klar gegliederte geometrische FlΣchen mit Schwerpunkt auf dem konstruktivistischen Element, andererseits Betonung des malerischen Elements in frei flie▀enden Farben und Linien.

Diese beiden Werkpole sind mit meiner lebensgeschichtlichen Entwicklung verknⁿpft. Wenn auch fⁿr beide Werkgruppen gilt, da▀ ihr Hauptelement die Farbe ist, aus der die Bilder leben, so war es in den 80er Jahren zunΣchst technisches Unverm÷gen, da▀ zu den Realisationen in Textil fⁿhrte. Ich konnte nicht malen, aber nΣhen. So nΣhte ich meine Bildvorstellungen mit der Maschine, was nebenbei bemerkt ein zeitintensiver Vorgang ist, der viel Geduld beansprucht. Mein anfΣngliches Vorbild war die amerikanische Flickarbeit - vielen bekannt unter dem Namen "Patchwork". NaturgemΣ▀ bewegten sich dabei die ersten Bilder stark auf dieser Schnittstelle zwischen Handwerk und Kunst, wobei die Verschwommenheit zwischen "Kunsthandwerk" und "Handwerkskunst" die Definition nicht gerade leicht macht. Im Laufe der Zeit l÷ste sich die Arbeit zunehmend von den naiv-folkloristischen Vorbildern ab. Dennoch zeichnete sich zunehmend eine kⁿnstlerische Krise ab.

Einerseits war mir das haptische Erleben - die Bearbeitung des Stoffes im stΣndigen Hautkontakt mit den HΣnden - sehr wichtig, andererseits empfand ich aber bei der Farbgestaltung zunehmend die Grenzen, die der textile Werkstoff setzt. Das Licht spielte zwar mit den unterschiedlichen Geweben und verwandelte den Farbeindruck je nach LichtverhΣltnissen, aber die Beweglichkeit und die innere Dynamik, der spezifische Eigencharakter und der seelische Gehalt der Farben waren nicht oder kaum darstellbar.

Es ist sehr schwer, die unterschiedlichen "SeelenqualitΣten" von Farbe zu intellektuell erklΣren, da es sich eigentlich um ein Empfindungserleben handelt. Wenn man sich auf diesen Grundgedanken und dieses Erleben einlassen kann und versucht es nachzuvollziehen, erlebt man mit zunehmender ▄bung immer deutlicher die "SeelenqualitΣt" der Farbe im Inneren und spⁿrt, was sie will. Die Empfindung geht dahin, da▀ man bemerkt, da▀ zum Beispiel ein Blau anders gemalt werden will als ein Gelb oder Rot. Im klanglichen Zusammenspiel der Farben in FlΣchen und Formen entstehen BildrΣume, in denen die Farbe etwas von ihrer inneren Beweglichkeit und ihrer unendlichen Verwandlung mitteilt bzw. erzΣhlt. Besonders diese Bewegungs- und VerwandlungsqualitΣten der Farbe in Stoff und Form, die mit dem Licht in der Farbe zu tun haben, waren in der konstruktivistischen textilen Technik nicht befriedigend darstellbar.

Auf der Suche nach Alternativen stie▀ ich vor 2 Jahren auf den Novalis Hochschulverein und die angegliederte Malschule in Kamp-Lintfort am Niederrhein, wo auf der Grundlage der Goethe'schen Farbauffassung, da▀ die Farben "Werke des Lichts" sind und der Schulungsmethode von Beppe Assenza unterrichtet wird. Assenza ist ein sizilianischen Maler (1905 - 1985), der zur Mitte dieses Jahrhunderts eine Malschule in Dornach begrⁿndete, die eine Malmethode auf der Grundlage der Farbenlehre Goethes und deren Weiterentwicklung durch Rudolf Steiner entwickelte.

Die Bilder, die den zweiten Werkpol, also die Malerei beziehungsweise die Gegenwart reprΣsentieren, sind wΣhrend der Studienzeit an der Malschule entstanden und geben einen ersten Einblick in die M÷glichkeiten dieses neuen Entwicklungsweges.

Gelegentlich wurde die "ausgesprochene ─sthetik" meiner Bilder moniert. Dies ist kein Zufall, sondern ein gewⁿnschter Aspekt in meiner Arbeit. Mein Eindruck ist, da▀ im Alltag ausgesprochen viel HΣ▀lichkeit dominiert, der ich bewu▀t ein Gegengewicht setzen will. Man kann seiner moralischen oder sozialen Verantwortung als Kⁿnstler in vielfΣltiger Weise nachgehen und sich dafⁿr bestimmte Ziele setzen. Ich denke, dieses sollte keiner Mode oder irgendeinem Diktat unterworfen sein. Fⁿr mich selbst bestimmt die Suche nach einer Art "sozialΣsthetischem Impuls" meinen kⁿnstlerischen Duktus. Die heutige Zivilisation ist sehr stark von einer Verrohung oder Verkⁿmmerung der seelischen BeobachtungsfΣhigkeiten gekennzeichnet, deren Folge Abstumpfung, Orientierungslosigkeit und Sinnloligkeitsempfindungen sind. Ich kann mir vorstellen, da▀ es sinnvoll ist, an einer Kunstform zu arbeiten, die die positiven SeelenkrΣfte im Menschen weckt und eine gewisse Sinneskultur wieder f÷rdert. Unter einem sozialΣsthetischen Impuls verstehe ich die M÷glichkeit, dem Menschen in seinem bewu▀ten und unbewu▀ten Verlangen nach Orientierung und Heilung entgegenzukommen.

Der Firma DATA BECKER GmbH und ihren Mitarbeitern m÷chte ich an dieser Stelle fⁿr die freundliche Unterstⁿtzung danken, die es mir und anderen Kⁿnstlern erm÷glicht, die FirmenrΣume zu nutzen. Ich freue mich ⁿber die Initiative, Kunst in die Arbeitswelt der Firmenmitarbeiter zu tragen und damit auch einen sozialΣsthetischen Beitrag zur Unternehmenskultur zu leisten.

Die Bilder bleiben im VerlagsgebΣude bis voraussichtlich 2. Mai 1997. (Kauf-)Interessenten k÷nnen gerne mit mir pers÷nlich ⁿber die angegebene Adresse Kontakt aufnehmen oder wenden sich an Herrn Eichhorn von der PC Praxis.

Januar 1997

KARLA KIESENTHAL
Karla Kiesenthal
Breite Stra▀e 85

47798 Krefeld

Biographie Karla Kiesenthal
1953 geboren in Krefeld
1971-74 Studium SozialpΣdagogik
1977-78 Orientierungsstudium im WS 78/79 an der FH Niederrhein Krefeld Objektdesign
1979-82 BerufstΣtigkeit als SozialpΣdagogin
1982-90 freiberufliche TΣtigkeit als Kunsterlerin vorrangig im Bereich Textilkunst und verschiedener Collagetechniken
1990-94 BerufstΣtigkeit als SozialpΣdagogin
1994 Wiederaufnahme der kⁿnstlerischen TΣtigkeiten "Kⁿnstlerische Trimester" an der Alanus Hochschule Alfter/Bonn
1995 "Sommermalkurs" am Novalis Hochschulverein in Kamp-Lintfort ab Oktober 95
Aufnahme des vierjΣhrigen Diplomstudiengangs in Malerei von Beppe Assenza
seit Juli 96 Teilhaberschaft an einer Ateliergemeinschaft in Moers


Ausstellungen
1983-84 Kⁿnstlerwettbewerb "MINITEXTILKUNST 83"
Veranstalter: Zeitschrift "TEXTILKUNST" im Schaper-Verlag, Hannover

Ausstellungen in der HANDWERKSFORM HANNOVER und im NEDERLANDS TEXTILMUSEUM, Tilburg

Kⁿnstlerwettbewerb "300 JAHRE DEUTSCHE IN AMERIKA"

Veranstalter: Deutsches Kuratorium 13 Krefelder Familien, Freundeskreis Deutschland-USA e.V.

Austellungen im Schlo▀ Greiffenhort und in der SPARDA-BANK, Krefeld

Preis im Wettbewerb
1985 "VIERSENER MALER UND BILDHAUER"-Gruppenausstellung des Kulturamtes der Stadt Viersern in der StΣdtischen Galerie im Park in Viersen

Goldschmiedeatelier Eitel und Piepenburg. Bremen

"TEE-GALERIE" in Nettetal-Lobberich

"TEXTILKUNST 85"-Gruppenausstellung des Kulturamtes der Stadt Nettetal in der Werner-JΣger-Halle, Nettetal
1991 "KULISSE" in der Fabrik Heeder, Krefeld
1997 DATA BECKER GmbH & Co. KG, Ausstellung in den RΣumen der Zeitschriftenredaktion, Dⁿsseldorf

Bilder zur Gro▀darstellung anklicken!

Zeichen des Aufbruchs
53 x 66 cm

Das blaue Boot
60 x 50 cm

Bewegte FlΣchen in Blau
60 x 70 cm

Federzeichen
70 x 50 cm

Variation III
50 x 60 cm

Electric Power
96 x 96 cm

Erde
30 x40 cm

Auf gro▀er Fahrt
30 x 40 cm

Bewegte FlΣchen in Blau
60 x 70 cm

Feuer
96 x 96 cm

Fundstⁿcke
30 x 40 cm

Geheimsprache
65 x 50 cm

Das Herbarium
40 x 50 cm

HerbstklΣnge
70 x 50 cm

Nachtauge
34 x34 cm

Kleines Plappermaul
40 x 50 cm

Die GΣrten Poseidons
70 x 70 cm

Kleine Rotstimmung mit Blau
96 x 96 cm

Der Frⁿhaufgang des Sirius im Winter
66 x 53 cm

Das Sonnenbad
70 x 50 cm

Sonnenlicht
50 x 40 cm

Wasser
96 x 96 cm

Das Welthaus
140 x 140 cm

Windv÷gel
50 x 60 cm

Ausblick in die ferne Zukunft
50 x 70 cm