Rechtemanagement in freien Softwareprojekten

Carsten Schulz und Dr. Axel Metzger, Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software, http://www.ifross.de

[Stand der schriftlichen Fassung: 7.5.2003]







A. Einleitung

Freie Software ist urheberrechtlich geschützt, genauso wie proprietäre Software. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass das konkrete Programm die Schutzvoraussetzungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) erfüllt. Gleichwohl wirft die Wahrnehmung der urheberrechtlichen Befugnisse bei freier Software besondere Probleme auf. Das deutsche Urheberrecht ist nicht zugeschnitten auf Werke, die durch eine weltweit zerstreute Community erschaffen werden.

Für freie Software spielt das Urheberrecht eine kaum zu überschätzende Rolle. Die Zielrichtung freier Softwarelizenzierung ist zwar mit derjenigen proprietärer Softwarevermarktung kaum vergleichbar. Ohne die allein durch den Schöpfungsakt entstehenden Urheberrechte wäre aber auch ein Open Source Modell nicht denkbar. Denn Freie Software bildet keineswegs denjenigen Zustand ab, der ohne die Gewährung geistiger Eigentumsrechte bestehen würde. Besonders deutlich wird dies im Hinblick auf die Offenlegung des Quellcodes. Erst der geschickte Einsatz der eigenen Urheberrechte ermöglicht es, anderen Programmierern die Verpflichtung aufzuerlegen, den eigenen Quellcode wiederum offen zu legen ("Copyleft"). Ohne eigene geistige Eigentumsrechte wäre eine solche Verpflichtung nur sehr viel schwieriger zu gestalten.

Das Konzept der freie Software nutzt also auf geschickte Weise das Urheberrecht. Gleichwohl bestehen im Hinblick auf die Durchsetzung dieser Rechte eine Vielzahl rechtlicher und praktischer Probleme, die nicht zuletzt aus der großen Zahl der Beteiligten an der Entwicklung und Vermarktung der Computerprogramme resultieren. Denn anders als im Bereich proprietärer Softwarevermarktung fehlt es bei Freien Softwareprojekten an einem zentralen Träger der Urheberrechte.
Diese Probleme in der Durchsetzbarkeit der Rechte können erhebliche Auswirkungen auf das Konzept freier Softwareentwicklung nach sich ziehen. Was, wenn die Rechtsabteilungen großer Unternehmen die Parole ausgeben, dass bei einer Verletzung der Lizenzen keine Gefahr droht? Welcher Programmierer ist dann noch motiviert, freie Software zu schreiben? Und - wäre all der Code, der heute als Open Source kursiert, jemals frei gegeben worden, wenn die Lizenzen als zahnlos gegolten hätten? Es besteht ein erhebliches Interesse daran, die Lizenzen im äußersten Fall auch juristisch durchsetzen zu können. Wer die Berichte von Eben Moglen, dem juristischen Kopf der FSF Nordamerika liest, weiß, dass es ohne eine juristische Drohkulisse nicht zum Einlenken manches Lizenzverletzer gekommen wäre.

Dabei dürfte sich der Bedarf an geeigneten Strukturen zur Durchsetzung der Rechte in Zukunft noch verstärken. Denn schon zum jetzigen Zeitpunkt haben zahlreiche Unternehmen ebenso wie die öffentliche Hand teilweise erhebliche Investitionen in die Entwicklung und Anpassung freier Softwarelösungen investiert. Gleichzeitig steigt mit dem wachsenden Erfolg, den einzelne freie Programme in bestimmten Marktsegmenten verbuchen konnten, auch der finanzielle Anreiz für ein Trittbrettfahrerverhalten erheblich.

Die beste freie Softwarelizenz nützt daher wenig, wenn man sie vor Gericht nicht verteidigen kann. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine solche juristische Verteidigung der Lizenzbedingungen von Freien Softwarelizenzen ist aber ein gemeinsames Rechtemanagement der Projekte. Hieran mangelt es oft.
Das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) und FSF Europe haben im Jahr 2002 ein Modell für eine gemeinsame Interessenwahrnehmung Freier Projekte entwickelt - das "Fiduciary License Agreement" (im Folgenden "FLA") (auf deutsch "Treuhänderische Lizenzvereinbarung"). Diese bietet ein Beispiel dafür, wie die Rechte der einzelnen Programmierer effektiv gebündelt werden können, um eine sichere Durchsetzung der Rechte zu gewährleisten.

Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Ansprüche Entwickler freier Software bei einer Verletzung der GNU GPL und anderer freier Softwarelizenzen geltend machen können. Aufgezeigt werden soll auch, dass die dezentrale Struktur freier Software-Projekte zu zahlreichen Problemen bei der Durchsetzung der Lizenzen führt. Vorgestellt wird schließlich das FLA, ein Modell, nach dem Projekte ihre Interessen bündeln können, um ihre juristische Position zu verbessern.



B. Durchsetzung "geistiger Eigentumsrechte" nach dem deutschen Urheberrecht

I. Ansprüche gegen den Rechtsverletzer

Bei Verletzung geistiger Eigentumsrechte (Urheberrecht und gewerbliche Schutzrechte) stehen dem Rechtsinhaber regelmäßig Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche zu.
Für den Bereich des Urheberrechts als dem für Computerprogramme bedeutendsten Schutzrechts bedeutet dies insbesondere:
  • Der Rechtsinhaber kann vom Verletzer gem. ァ 97 I 1, 1. Fall UrhG die Beseitigung eines fortdauernden Verletzungszustands verlangen. Wer Software zum Download anbietet, ohne über eine Lizenz zu verfügen oder die Bedingungen einer erworbenen Lizenz einzuhalten, muss sein rechtswidriges Angebot vom Netz nehmen; Datenträger mit entsprechenden Angeboten müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Dabei setzt dieser Anspruch kein Verschulden voraus; die genannten Maßnahmen können daher auch gegen denjenigen geltend gemacht werden, der bestehende Rechte unwissentlich verletzt.
  • Nach ァ 97 I 1, 2. Fall UrhG hat der Rechtsinhaber gegen den Verletzer einen Unterlassungsanspruch, wenn Wiederholungsgefahr hinsichtlich einer Lizenzverletzung besteht. Dabei wird die Wiederholungsgefahr grundsätzlich schon durch die Rechtsverletzung, also die lizenzwidrige Nutzung der Software, indiziert. Hat noch keine Rechtsverletzung stattgefunden, zeichnet sich aber hinreichend konkret ab, hat der Rechtsinhaber darüber hinaus einen "vorbeugenden" Unterlassungsanspruch. Auch für die Unterlassungsansprüche ist kein Verschulden erforderlich.
  • Nach ァ 97 I 1, 3. Fall UrhG kann der Rechtsinhaber vom Verletzer schließlich Schadensersatz verlangen. Anders als bei Beseitigungs- und Unterlassen ist allerdings hier ein Verschulden Voraussetzung. Dafür genügt es, dass der Verletzer hätte wissen können und müssen, dass er eine Lizenzverletzung begeht. Besteht ein Schadensersatzanspruch, so kann der Rechtsinhaber gem. ァァ 249, 251 BGB Ersatz in Geld verlangen. Die Berechnung des Schadens kann dabei - nach Wahl des Rechtsinhabers - nach drei Arten erfolgen: Der Rechtsinhaber kann entweder die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangen oder aber Ersatz des durch die Rechtsverletzung konkret entstandenen Schadens. Schließlich hat er auch die Möglichkeit, den aus der Rechtsverletzung resultierenden Gewinn des Verletzers abzuschöpfen.

II. Aktivlegitimation

Liegt eine Urheberrechtsverletzung vor, so kann nicht jedermann die Beseitigung oder Unterlassung der Rechtsverletzung verlangen oder den Rechtsverletzer auf Zahlung von Schadensersatz an den Rechtsinhaber verklagen. Grundsätzlich sind vielmehr nur der Urheber sowie der Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte aktivlegitimiert.
Ausschließliche Nutzungsrechte sind dabei solche Nutzungsrechte, die es dem Inhaber gestatten, jedermann von einer bestimmten Nutzung auszuschließen.
Dabei ist der "Umfang" der Aktivlegitimation je nach Entwicklungsbeteiligung des Einzelnen durchaus unterschiedlich bemessen:
  • Miturheber, d.h. solche Urheber, die ein einheitliches Werk gemeinsam geschaffen haben, können gem. ァ 8 II 3 UrhG Ansprüche wegen Verletzung des gemeinsamen Urheberrechts geltend machen. Sie können in diesem Fall jedoch nur Leistung "an alle" verlangen. Das heißt, in der Klage müssen alle Miturheber genannt werden. Dadurch soll verhindert werden, dass einer der Miturheber klagt und den gesamten Schadensersatz für sich behält ohne die ebenfalls berechtigten Miturheber zu beteiligen. Für einen Unterlassungsanspruch bedarf es dagegen - nach ganz überwiegender Auffassung - nicht der Nennung aller Miturheber: Die Unterlassung wirkt automatisch zugunsten aller Miturheber, eine Übervorteilung der anderen Miturheber ist denklogisch ausgeschlossen.
  • Für die Werkverbindung gem. ァ 9 UrhG, d.h. die Verbindung abtrennbarer Werkteile mehrerer Urheber zur gemeinsamen Verwertung, fehlt eine vergleichbare gesetzliche Regelung. In der Literatur wird hierzu eine analoge Anwendung der miturheberschaftlichen Regeln vorgeschlagen, um zu einer Erleichterung der Rechtsverfolgung durch einen Urheber "für alle" zu gelangen.
  • Die dritte Form der Zusammenarbeit mehrerer Urheber, die Bearbeitung, bereitet dagegen erhebliche Probleme. Bei der Bearbeitung sind die Urheber nacheinander tätig. Einer erstellt die erste Version, der andere verändert diese in urheberrechtlich relevante Weise. Für die Form des Zusammenwirkens hält das Urheberrechtsgesetz keine Regelung bereit, eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Miturheberschaft findet sich bislang nirgends in der Fachliteratur. Dennoch: Für den besonderen Fall der freien Software, die ja gerade von der Entwicklung und Verbesserung von Versionen des Programms besteht, erscheint die Interessenlage insoweit vergleichbar, dass auch ァ 8 II 3 UrhG angewendet werden sollte.


C. Probleme und Perspektiven im Rechtemanagement freier Software

I. Probleme der dezentralen Rechtsinhaberschaft

Die Tatsache, dass zahlreiche Personen an der Entwicklung von Open Source Programmen beteiligt sind, gleichzeitig aber keine umfassende zentrale Bündelung der Rechte stattfindet, führt zu einer Vielzahl von Problemen bei der Durchsetzung von Rechten an Freier Software. Dies zeigt sich besonders deutlich im Urheberrecht als dem für Computerprogramme bedeutendsten Immaterialgüterrecht.

Proprietäre Softwareentwicklung erfolgt regelmäßig innerhalb einzelner Unternehmen, in Einzelfällen auch innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen.
Dies hat zur Folge, dass die einzelnen Herstellerunternehmen unabhängig von der Vielzahl der einzelnen an der Entwicklung beteiligten Personen umfassende Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte werden. Denn in diesen Fällen sind die einzelnen Programmierer zumeist Angestellte des Herstellerunternehmens bzw. der einzelnen Unternehmen eines Konsortiums. In diesem Fall stehen nach ァ 69b UrhG die umfassenden Verwertungsrechte an der Software dem Arbeitgeber zu. An Computerprogrammen, die ein Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen hat, ist der Arbeitgeber zur Wahrnehmung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde.
Für freiberuflich tätige Programmierer besteht keine vergleichbare Vorschrift, die anordnet, dass die Rechte regelmäßig auf den Auftraggeber übergehen, (anders als etwa im u.s.-amerikanischen Urheberrecht: "works made for hire"). Die Unternehmen treffen aber regelmäßig bereits im Vorfeld der Entwicklung entsprechende Absprachen mit den einzelnen Beteiligten.

Aufgrund dieser zentralen und umfassenden Bündelung der ausschließlichen Nutzungsrechte ist das Unternehmen auch berechtigt, die Rechte an der Software gerichtlich durchzusetzen.

Eine derart zentrale Bündelung der geistigen Eigentumsrechte gibt es bei Freier Software nicht. Die einzelnen Entwickler einer Freien Softwarelösung können unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet in sehr unterschiedlicher Beziehung zueinander stehen. Einzelne Module sind in Miturheberschaft geschaffen worden; diese wurden wiederum ein- oder mehrfach bearbeitet; einzelne Werke wurden zur gemeinsamen Nutzung verbunden. Eine Übertragung ausschließlicher Rechte an eine zentrale Stelle findet regelmäßig nicht statt. Dies hat einerseits zur Folge, dass der Erwerber einer Freien Softwarelösung regelmäßig ein ganzes Bündel Teilberechtigungen von den verschiedenen an der Entwicklung beteiligten Personen erhält. Andererseits folgen daraus eine Vielzahl rechtlicher und praktischer Probleme für die Durchsetzung der Rechte an Freier Software:

Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen

Je nach der eigenen Beteiligung an der Softwareentwicklung sind die einzelnen Entwickler nur in sehr beschränkter Weise rechtlich in der Lage, die gesamten Rechte an der Software gerichtlich durchzusetzen.
  • Miturheber. Jeder Miturheber kann gem. ァ 8 II 3 UrhG Ansprüche wegen Verletzung des gemeinsamen Urheberrechts geltend machen (s.o.). Er kann jedoch nur Leistung "an alle" fordern, muss bei Schadensersatzansprüche deshalb sämtliche (!) Miturheber vollständig namentlich nennen. Dies führt bei Freien Softwareprojekten vielfach zu unüberwindbaren praktischen Schwierigkeiten. Denn gerade bei größeren Projekten und bei solchen, die bereits eine bestimmte Entwicklungsdauer haben, lassen sich die einzelnen Berechtigten in der Regel kaum vollständig ermitteln. Macht der einzelne Miturheber allein Unterlassungsansprüche geltend, so sieht die Lage günstiger aus. Auch hier kann er zwar nur Unterlassung "für alle" begehren, eine namentliche Nennung der einzelnen Berechtigten ist aber nach wohl überwiegender Ansicht nicht erforderlich.
  • Werkverbindung. Bei der Werkverbindung gem. ァ 9 UrhG stellt sich die Situation ähnlich dar. Auch hier kann der einzelne Berechtigte nicht Schadensersatz für alle fordern, ohne diese vollständig namentlich zu benennen. Unterlassungsansprüche dürfte jedoch auch er geltend machen dürfen.
  • Bearbeitung. Für Programmbestandteile, die durch Bearbeitung vorbestehenden Codes entstanden sind, ist die Frage, in welchen Umfang der einzelne Bearbeiter Rechte geltend machen kann, wohl noch schwieriger zu beantworten. Soweit der Bestandteil des Programms, den der einzelne Bearbeiter geschaffen hat, betroffen ist, kann dieser "seine" Ansprüche geltend machen. Ob er aber auch darüber hinaus im Namen aller anderen Entwickler Unterlassung aller Rechtsverletzungen an dem freien Programm begehren kann, wird unter Juristen nicht einheitlich beurteilt. Für eine solche Lösung spricht, dass der einzelne Bearbeiter durch die Fortentwicklung Teil einer Entwickler-"gemeinschaft" mit dem Ziel der gemeinsamen Fortentwicklung und Verbreitung der Software wird. Sollte sich allerdings die Auffassung durchsetzen, dass der einzelne Bearbeiter allein die Verletzung "seines" Codes gerichtlich geltend machen kann, hätte dies zur Folge, dass der Verletzer unter Auswechslung des bearbeiteten Codes die Lizenzverletzung am übrigen Programm fortsetzen könnte, ohne dass der Bearbeiter dies untersagen lassen könnte.

Sachgerechte Verteilung des Prozesskostenrisikos

Ein in praktischer Hinsicht schwieriges Problem stellt sich auch im Hinblick auf die Frage der sachgerechten Verteilung des Prozesskostenrisikos.
Im Rahmen proprietärer Softwareentwicklung, bei der die vermögensrechtlichen Befugnisse an den einzelnen Programmen an zentraler Stelle beim Unternehmen gebündelt sind, wird dieses in der Regel bereit sein, bei möglichen Rechtsverletzungen die entsprechenden rechtlichen Schritte einzuleiten und damit ein entsprechendes Prozesskostenrisiko auf sich zu nehmen. Dies verwundert kaum, profitiert das Unternehmen doch auch direkt aus der entgeltlichen Lizenzierung der Programme.
Im Rahmen freier Softwareprojekte sieht dies hingegen in der Regel anders aus. Einerseits fehlen hier von vornherein bestimmte monetäre Anreize, die Rechte an der Software gerichtlich durchzusetzen. Denn anders als bei proprietärer Softwarevermarktung entfällt durch die lizenzwidrige Nutzung ja nicht der direkte Zufluss von Lizenzgebühren; Freie Software wird ja sowieso kostenlos lizenziert. Andererseits - und das dürfte sehr viel entscheidender sein - führt gerade die dezentrale Rechtsinhaberschaft dazu, dass der einzelne Entwickler vielfach nicht bereit sein wird, ein gerichtliches Verfahren anzustreben und das Risiko zu übernehmen, im Fall des Unterliegens die vollen Prozesskosten tragen zu müssen. Denn solange der eigene Anteil an dem gesamten Projekt einen gewissen "Bruchteil" nicht überschreitet, wird der einzelne Entwickler in der Regel kaum bereit sein, durch gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche "für alle" auch das Prozesskostenrisiko der anderen an der freien Softwareentwicklung beteiligten Personen mit zu übernehmen.

II. Probleme der Schadensberechnung bei Rechtsverletzungen an Freier Software

Neben die Probleme bei der gerichtlichen Durchsetzung der Rechte an Freier Software, die aus der dezentralen Rechtsinhaberschaft folgen, treten bestimmte Fragen, die gerade aus den Besonderheiten des Open Source Modells, namentlich aus dem Verzicht auf Lizenzgebühren folgen. Dies zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Schadensberechnung bei Rechtsverletzungen an Freier Software. (Wohlgemerkt: Schadensersatzansprüche kommen nur in Frage, wenn alle Miturheber eines Programms oder eines Programmsteils namentlich bekannt sind.)

Die Rechtsinhaber haben bei einer schuldhaften Verletzung des Urheberrechts einen Schadensersatzanspruch, dessen Berechnung auf dreifache Weise erfolgen kann (s.o.): Er kann entweder die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangen, oder aber den Ersatz des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns. Schließlich hat er auch die Möglichkeit, den aus der Rechtsverletzung resultierenden Gewinn beim Verletzer abzuschöpfen. Alle drei Berechnungsarten können bei Freier Software zu Problemen führen:

Angemessene Lizenzgebühr

Die Frage nach der Angemessenheit einer Lizenzgebühr dürfte in der Regel nur dort einfach zu beantworten sein, wo eine Freie Software ausnahmsweise im Wege des Dual Licensing vertrieben wird, d.h. in den Fällen, in denen es neben der freien Version auch eine proprietäre Version gibt, die gegen Entgelt vertrieben wird. Hier besteht ein konkreter Anhaltspunkt dafür, was der Verletzer für eine proprietäre Lizenz hätte zahlen müs-sen. Demgegenüber ist eine Lizenzanalogie dort schwierig, wo - wie im Regelfall - allein freie Versionen des Programms existieren. Dies gilt insbesondere, da sich der Rechtsinhaber den Einwand vorhalten lassen muss, er habe die Software lizenzgebührenfrei verbreitet und deshalb sei ihm durch die konkrete Verwendung kein Schaden entstanden.

Konkreter Schaden

Ähnliche Probleme bestehen auch bei der Berechnung des sogenannten konkreten Schadens. Damit bezeichnet man die konkrete Vermögenseinbuße des Rechtsinha-bers. Dort, wo freie Software entgegen den Lizenzbedingungen proprietär vermarktet wird, entsteht dem Rechtsinhaber regelmäßig kein Schaden, da hierdurch sein Möglichkeiten der Vermarktung gegen Entgelt nicht beschnitten werden; eine entgeltliche Vermarktung war ja von vornherein nicht angestrebt.
Natürlich kann dem Rechtsinhaber tatsächlich ein empfindlicher Schaden entstehen, wenn der Verletzer dem Rechtsinhaber durch die lizenzwidrige Vermarktung Marktanteile abschneidet und damit dessen Möglichkeiten zur Erzielung von Gewinnen auf den Sekundärmärkten (insb. Service und Support) beeinträchtigt. Ein solcher Schaden dürfte aber kaum mehr vom Schutzzweck des urheberrechtlichen Schadensersatzanspruchs erfasst sein.

Gewinnabschöpfung

Auch die Gewinnabschöpfung beim Verletzer kann zu zahlreichen Berechnungsproblemen führen. Denn einerseits eröffnet die Offenheit des Quellcodes dem Verletzer die komfortable Möglichkeit, allein einzelne Teile der Softwarelösung zu entneh-men und in die eigenen Programme zu integrieren. Hier stellt sich die Frage, welchen Anteil der rechtswidrig übernommene Anteil an dem wirtschaftlichen Gesamterfolg der Software hatte. Eine Berechnung etwa aufgrund der schlichten Zählung der Quellcodezeilen dürfte hier kaum angezeigt sein. Andererseits kann die Berechnung des Gewinnabschöpfungsanteils aber gerade auch dort schwierig sein, wo der Kläger alleine den Anspruch auf Schadensersatz erhebt und als Bear-beiter einer Software nur einen Teil des Gewinns heraus verlangen kann.



D. Rechtemanagement

I. Vorteile eines Rechtemanagements bei Freier Software

Ein Rechtemanagement im Bereich freier Softwareentwicklung kann bestimmte Probleme der Durchsetzung der urheberrechtlichen Verbotsrechte abmildern und so eine langfristige Entwicklungs- und Investitionssicherheit der einzelnen Projekte unterstützen.

Dabei sollte allerdings von vornherein klar sein, dass ein seriöses Rechtemanagement nicht für alle Problemfelder aus dem Bereich der Durchsetzung der Rechte an freier Software eine befriedigende Lösung bringen kann. So wäre etwa die umfassende Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wohl allein dann durchführbar, wenn von Projektbeginn an die Identifizierung sämtlicher Projektbeteiligter sichergestellt und eine Übertragung der einzelnen Rechtspositionen auf einen zentralen Treuhänder gewährleistet wäre.
Entsprechende Vorstöße dürften aber zugleich erhebliche Nachteile mit sich führen, die die Vorteile einer vollständigen Zentralisierung bei weitem überwiegen dürften. Denn eine Beteiligung an entsprechenden Projekten wäre allein dann denkbar, wenn jeder einzelne Entwickler bereit wäre, sich in entsprechend feste Strukturen einzufügen. Damit dürften von vornherein zahlreiche mögliche Entwicklungsbeiträge unterbleiben. Die im Bereich freier Software so erfolgreiche "Basar-Methode" enthielte zu weitgehende Regulierungen.

Dennoch lassen sich bestimmte Vorteile einer verbesserten Durchsetzung der Rechte an freier Software durch ein solides Rechtemanagement durchaus erzielen, ohne zugleich entwicklungshemmende Wirkungen zu entfalten. Dies gilt insbesondere in den Bereichen der Überwachung von Rechtsverletzungen, der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen sowie der sachgerechten Verteilung des Prozesskostenrisikos:

Überwachung von Rechtsverletzungen

Die Überwachung von Rechtsverletzungen erfordert einen vielfach hohen personellen und technischen Aufwand, der von einzelnen Entwicklungsbeteiligten allein nicht zuverlässig wird erbracht werden können. Eine solche umfassende Überwachung kann auch ein Treuhänder, der die Einhaltung der Lizenzbedingungen überwacht und im Zweifel gerichtlich durchsetzt, sicherlich nur sehr unvollständig übernehmen. Er kann aber eine zentrale Anlaufstelle bieten, bei welcher entsprechende Rechtsverletzungen gemeldet und im Zweifel weiterbearbeitet werden können.
Entsprechende Strukturen haben in der Vergangenheit bereits durchaus erfolgreich funktioniert. So konnte etwa die u.s.-amerikanische FSF, die eine Vielzahl von Urheberrechten an freier Software hält, in zahlreichen Fällen auf die Einhaltung der Lizenzbedingungen freier Software dringen; dabei führte die starke Position der FSF zugleich dazu, dass sämtliche Konfliktfälle geregelt werden konnten, ohne dass gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden musste.
Dabei wird man sich allerdings durchaus darüber bewusst sein müssen, dass auch eine freiwillige Bündelung von Rechten an freier Software nicht dazu führt, dass sämtliche Lizenzverletzungen umfassend aufgedeckt und verfolgt werden können. Dies folgt nicht zuletzt aus der umfassenden Offenlegung des kommentierten Quellcodes. Denn da proprietäre Software regelmäßig ohne Quellcode geliefert wird, zugleich sich die Übernahme von Code ja keineswegs im Look and Feel eines Programms niederschlagen muss, sind entsprechende Verletzungshandlungen vielfach nur sehr schwer nachweisbar.

Unterlassungsansprüche

Zwar können auch einzelne Miturheber und Bearbeiter einer Software in bestimmtem Umfang die Unterlassung der Rechtsverletzung gerichtlich durchsetzen.
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie (im Zweifel auch vor Gericht) nachweisen können, dass sie Miturheber bzw. Bearbeiter des verletzten Programms sind. Hier können zwei Bereiche problematisch sein, die für den einzelnen Urheber das Prozessrisiko durchaus erheblich erhöhen können.
Einerseits kann fraglich sein, ob der im Rahmen der Entwicklung geleistete und im Werk niedergeschlagene Beitrag des einzelnen Entwicklers überhaupt die Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutzes erfüllt. Dies kann in Einzelfällen durchaus zweifelhaft sein. Wurde etwa ein Beitrag zu einer sehr viel früheren Version geleistet und anschließend mehrfach verändert, so kann der ursprünglich geleistete Code im Programm soweit zurückgedrängt sein, dass (jedenfalls unter rechtlichen Gesichtspunkten) eine Miturheberschaft oder ein Bearbeiterurheberrecht nicht mehr in Betracht kommen.
Andererseits muss die Rechtsverletzung auch an eben dem Programm erfolgt sein, an welchem der Bearbeiter oder Miturheber sein Recht geltend macht. Dabei ist bislang wohl nur eine Erkenntnis gesichert: Komplexe Softwarelösungen, etwa ein vollständiges Betriebssystem, bilden nicht ein einziges Programm, d.h. ein einheitliches Werk im urheberrechtlichen Sinne, sondern bestehen vielmehr aus einer Mehrzahl von Werken. Wo deren Grenzen allerdings genau zu ziehen sind und welche Kriterien für eine Abgrenzung maßgeblich sind, ist nach wie vor im Fluss.
Diese zusätzlichen Risiken bei der Durchsetzung der Rechte an Freier Software können durch ein zentrales Rechtemanagement in bestimmtem Umfang umgangen werden. Denn dort wo ein zentraler Treuhänder eine Vielzahl einzelner Befugnisse an den freien Softwarelösungen innehat, dürfte einerseits der Nachweis der Rechtsinhaberschaft leichter fallen. Andererseits erleichtert die Inhaberschaft an ausschließlichen Nutzungsrechten aller Teile einer komplexen Softwarelösung auch den Nachweis, dass gerade auch hinsichtlich der verletzten Programme (im rechtlichen Sinne) eigene Rechte bestehen.

Übernahme des Prozesskostenrisikos

Schließlich hat eine Bündelung von Rechten an Freier Software auch wichtige Auswirkungen auf die Verteilung des Prozesskostenrisikos. Sie befreit den einzelnen Rechtsinhaber von der Verpflichtung, bei der Geltendmachung von Rechten "für alle" das volle Prozesskostenrisiko zu übernehmen. Gleiches gilt für die Kosten der Rechtsverfolgung soweit es zu einer - in der Regel wünschenswerten - außergerichtlichen Beilegung des Streites kommt.
Dabei ist davon auszugehen, dass dem Treuhänder, der eine Vielzahl von Rechten an freien Programmen verwaltet in der Regel sehr viel bessere Möglichkeiten zur Verfügung stehen dürften, finanzielle Unterstützung für die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung einzuwerben. Dies gilt insbesondere dort, wo es dem Treuhänder gelingt durch zuverlässige und sachgerechte Durchsetzung der Rechtspositionen eine Vertrauensstellung zu erwerben.

II. Formen des Rechtemanagements auf verschiedenen Ebenen

Die "Bündelung" von Rechten an freier Software braucht nicht - wie im Rahmen proprietärer Vermarktung von Computerprogrammen - vollständig zentralisiert zu erfolgen. Wichtig ist aber, dass es gelingt, eine hinreichende Anzahl von Rechten zur gemeinsamen Durchsetzung zusammenzufassen. Dabei stehen verschiedene "Ebenen" offen. Auch hier mag wiederum das für den Bereich der Computerprogramme wesentlichste Immaterialgüterrecht - das Urheberrecht - als Beispiel dienen:

Arbeitnehmerurheberrechte

Einzelne freie Softwareprojekte sind aus vormals proprietären Programmen hervorgegangen. In diesen Fällen hält das Herstellerunternehmen regelmäßig jedenfalls in der ersten Zeit nach der Freigabe des Codes eine beachtliche Anzahl der ausschließlichen Nutzungsrechte. Denn gem. ァ 69b UrhG gehen ja - soweit nicht anders vereinbart - sämtliche vermögensrechtliche Befugnisse des angestellten Urhebers auf den Arbeitgeber über. Soweit sich das Unternehmen auch im Rahmen der freien Folgeentwicklungen engagiert, kann diese starke Position auch in der Folgezeit gehalten werden.
Damit kann diesen Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Rechte an solchen freien Softwareprojekten zufallen. Soweit der Code nicht allein deshalb freigegeben wurde, da er wirtschaftlich unverwertbar geworden ist, sondern das Unternehmen jedenfalls auf Sekundärmärkten (Service und Support) oder im Hinblick auf proprietäre Versionen der freien Programme nach wie vor wirtschaftliche Interessen verfolgt, besteht für das Unternehmen ein starkes Interesse an der Durchsetzung der Rechtspositionen "für alle". Gleichzeitig verfügt das Unternehmen aufgrund der gesetzlich übertragenen vermögensrechtlichen Befugnisse der einzelnen Arbeitnehmer auch über eine starke Position bei der Durchsetzung der Rechte.
Ähnliche Situationen, in denen ein einzelnes Unternehmen über eine Vielzahl der ausschließlichen Nutzungsrechte verfügt, können auch dort entstehen, wo sich Unternehmen in der Entwicklung bestehender freier Softwareprojekte mit hohem finanziellem und personellem Aufwand engagieren. Abhängig von der zugrundeliegenden Strategie des Unternehmens - etwa Unabhängigkeit von bestimmten marktstarken Teilnehmern - kann auch hier davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen ihre Position auch zur Durchsetzung der Rechte nutzen werden. Dies gilt jedenfalls dort, wo durch die Übernahme des Codes durch Dritte die eigenen wirtschaftlichen Interessen massiv berührt werden.

Entwicklerzusammenschlüsse

Einzelne freie Softwareprojekte sind in der Praxis so gestaltet, dass zwar jedermann die Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Zugänglichmachung und Bearbeitung gestattet ist, dass in die offiziellen Folgeversionen regelmäßig aber allein die Fortentwicklungen eines bestimmten Entwicklerkerns eingearbeitet werden. In diesen Fällen dürfte es durch ein abgestimmtes Vorgehen dieses Entwicklerkerns in der Regel möglich sein, jedenfalls die Rechte an den offiziellen Versionen gezielt durchzusetzen.

Treuhänderische Lizenzvereinbarungen

Regelmäßig sind an der Entwicklung freier Software derart viele unterschiedliche Rechtsträger beteiligt, dass die Durchsetzung von Rechten an der Software durch einzelne vielfach an den oben aufgezeigten Risiken scheitern dürfte. Dies gilt selbst dort, wo Unternehmen oder die öffentliche Hand in entsprechende Projekte investiert haben. Solange hier die Höhe der Investitionen nicht einen bestimmten kritischen Punkt überschritten haben, werden auch diese nur sehr beschränkt bereit sein, das häufig sehr hohe Kostenrisiko einer Rechtsverfolgung zu übernehmen.
In diesen Fällen kann es sich für die einzelnen Urheber oder Bearbeiter anbieten, ihre ausschließlichen Nutzungsrechte auf einen gemeinsamen Treuhänder zu übertragen, und diesen zu verpflichten, die Nutzung der Software gegenüber jedermann zu den Bedingungen freier Softwarelizenzen zu gestatten.
Hierdurch erhält der Treuhänder eine Position, die es ihm gestattet, die Rechte an der freien außergerichtlich und im Notfall auch gerichtlich durchzusetzen.
Diese Übertragung an einen zentralen Treuhänder ist selbstverständlich für den beteiligten Entwickler nicht unproblematisch. Denn sie birgt durchaus die Gefahr in sich, dass der Treuhänder seine umfassende Position treuwidrig auch zur Lizenzierung unter proprietären Lizenzen missbraucht. Dem kann aber durch eine geeignete Gestaltung der Vereinbarungen entgegengewirkt werden (siehe im Einzelnen unten: "Die Treuhänderische Lizenzvereinbarung der FSF Europe").

Kooperationen zwischen Treuhändern

Freie Softwareentwicklung ist in zahlreichen Fällen ein weltweiter Entwicklungsprozess. Gleichzeitig kennt das internationale Recht ein echtes "Welturheberrecht" nicht. Immaterialgüterrechte sind vielmehr nach ganz überwiegender Ansicht in Wirkung und Geltung auf das Gebiet des Staates begrenzt, der sie individuell verleiht oder unter bestimmten Bedingungen generell anerkennt. Daher hat der Urheber kein international einheitliches Urheberrecht, sondern ein "Bündel" nationaler Urheberrechte, die sich je nach Staatsgebiet unterscheiden.
Will der einzelne Entwickler sicherstellen, dass seine einzelnen nationalen Urheberrechte weltweit effektiv durchgesetzt werden, so sind zwei unterschiedliche Wege denkbar. Entweder er lizenziert die Rechte jeweils an einen nationalen oder in mehreren Ländern tätigen Treuhänder, der deren Durchsetzung sicherstellt. Oder aber er räumt einem einzelnen Treuhänder, der auch die internationale Durchsetzung garantieren kann, ausschließliche Nutzungsrechte hinsichtlich des gesamten Bündels nationaler Urheberrechte ein.
Die erste Variante dürfte in der Praxis kaum gangbar sein, müsste doch jeder Entwickler in diesem Fall eine Vielzahl von Vereinbarungen treffen. Im zweiten Fall ist aber unabdingbare Voraussetzung, dass der Entwickler einen Treuhänder wählt, der ihm auch die Durchsetzung der Rechte im internationalen Rechtsverkehr garantieren kann.
In diesen Fällen kann es sich daher anbieten, wenn Treuhänder international kooperieren und gemeinsame Absprachen hinsichtlich des Vorgehens in einzelnen Staaten treffen, um die Durchsetzung der Rechte sicherzustellen und gleichzeitig Reibungsverluste zu vermeiden.



E. Die Treuhänderische Lizenzvereinbarung der FSF Europe

Nur wer die Rechte an der Software ordentlich verwaltet, kann vor Gericht verhindern, dass sein Programm entgegen den Bedingungen der GNU GPL genutzt wird. An entsprechenden Strukturen fehlt es oft. ifrOSS und FSF Europe haben in den letzten Monaten ein Modell für eine gemeinsame Interessenwahrnehmung freier Projekte entwickelt - das "Fiduciary License Agreement" (auf deutsch "Treuhänderische Lizenzvereinbarung"), kurz FLA genannt.

Die FSF Nordamerika arbeitet seit längerer Zeit mit einem entsprechenden "Copyright Assignment" ("Übertragung des Copyright"), durch die Urheber freier Software ihre Rechte an die FSF Nordamerika abtreten. Die FSF Nordamerika nimmt die Rechte treuhänderisch für die Autoren wahr. Nicht zuletzt diese Rechtsstellung verleiht der FSF Nordamerika bei der Verteidigung der Programme gegen lizenzwidrige Praktiken besonderes Gewicht.

Warum dann nicht auf das U.S.-amerikanische Original zugreifen? Der Hauptgrund: das "Copyright Assigment" ist nicht auf die kontinentaleuropäischen Länder und deren Rechtssysteme zugeschnitten und birgt deswegen bei einer Nutzung in diesen Ländern eine gewisse juristische Unsicherheit in sich. Das Urheberrechtssystem von Großbritannien und den USA verfolgt eine in erster Linie wirtschaftlich ausgerichtete Urheberrechtsphilosophie, das sogenannte "Copyright"-System. Dagegen schützen die Urheberrechtsgesetze der meisten kontinentaleuropäischen Staaten und insbesondere Frankreichs und Deutschlands sowohl die wirtschaftlichen als auch die "ideellen" Interessen des Urhebers, das sogenannte Urheberpersönlichkeitsrecht. Man bezeichnet diese stark vom französischen Recht beeinflussten Urheberrechtsordnungen als "Droit d'Auteur"-Systeme. Der wichtigste Unterschied: In Frankreich und Deutschland gibt es anders als in den USA kein übertragbares Copyright, sondern ein grundsätzlich unübertragbares Urheberrecht, an dessen wirtschaftlicher Seite jedoch einzelne Lizenzen eingeräumt werden können. Diese wirtschaftliche relevanten Ausprägungen des Urheberrechts bezeichnet man als Nutzungsrechte.

Das FLA ist im Gegensatz zu den Vertragstexten der FSF Nordamerika für beide Systeme ausgelegt. Dies erklärt die "gespaltene" Rechtseinräumung in ァァ 1, 2 FLA. Für Länder, in denen eine uneingeschränkte Übertragung möglich ist, werden die vollen Rechte übertragen. Für die anderen Staaten greift die eingeschränkte Rechtseinräumung des ァ 2 FLA ein.

Ausschließliche Rechte für den Treuhänder

Um den Treuhänder sicher in die Lage zu versetzen, anstelle des Urhebers gegen Lizenzverletzer vorgehen zu können, ist in Europa grundsätzlich die Einräumung der Nutzungsrechte notwendig. Eine einfache Bevollmächtigung ist für die Prozessführung nicht ausreichend. Damit ist nicht die Prozessvollmacht für den Rechtsanwalt angesprochen, sondern die Vollmacht für eine andere Person, die als Kläger auftritt, die sogenannte "gewillkürte Prozessstandschaft". Eine solche Bevollmächtigung ist nach deutschem Recht nur zulässig, wenn der Bevollmächtige mit der Klage eigene rechtliche Interessen verfolgt. Die Gerichte legen hier strenge Maßstäbe an, die bloße Wahrnehmung fremder Interessen aus übergeordneten gesellschaftlichen Erwägungen genügt nicht. Das FLA geht hier auf Nummer sicher: Der Treuhänder bekommt die umfassenden Nutzungsrechte an der Software übertragen, dadurch besteht kein Zweifel daran, dass er eigene Rechte wahrnimmt. Die FSF Nordamerika hat sich in ihrem Assignment übrigens für denselben Weg entschieden.

Natürlich soll der Urheber (bzw. sonstige Rechtsinhaber) nicht all seiner Rechte "beraubt" werden, vielmehr soll er weiter in der Lage sein, seinerseits Lizenzen an der Software - etwa im Wege des sog. Dual Licensing (paralleler Vertrieb von Software als Open Source und als proprietäre Software oder unter verschiedenen Open Source Lizenzen) - zu vergeben. Das FLA erreicht diese Ziele durch zwei Rechtseinräumungen:
  • Rechtseinräumung zugunsten des Treuhänders: Entsprechend den Anforderungen der kontinentaleuropäischen Urheberrechtsordnungen ("Droit d'Auteur"-Staaten) ist hierfür eine genaue Auflistung der einzelnen Nutzungsrechte in ァ 2 FLA vorgesehen, für die Staaten mit "Copyright"-Systemen ist eine vollständige Übertragung des Rechts in ァ 1 FLA geregelt.
  • Rückübertragung einfacher Nutzungsrechte an den Treugeber: Nach ァ 5 FLA werden dem Treugeber eine unbegrenzte Zahl einfacher Nutzungsrechte an der Software zurückübertragen. Dies ermöglicht dem Treugeber eine flexible Lizenzpolitik. Die Geschäftstätigkeit im Hinblick auf die Software wird durch eine Unterzeichnung des FLA deshalb nicht beeinträchtigt. Sog. "Dual Licensing" bleibt möglich.

Detaillierte Auflistung aller Nutzungsrechte

Für die "Droit d'Auteur"-Staaten ist in ァ 2 FLA eine genaue Auflistung der einzelnen Rechte notwendig gewesen. Es genügt nach deutschem Urheberrecht nicht, das "Urheberrecht" oder - mit einem Wort - "die Nutzungsrechte" an einem Programm einzuräumen. Solche pauschale Formulierungen sind ungenügend, da im Zweifelsfall entsprechende Übertragungen gem. ァ 31 Abs. 5 UrhG restriktiv ausgelegt werden. Die Folge wäre, dass sich ein Prozessgegner auf die beschränkten Befugnisse des Treuhänders berufen könnte. Deshalb ist es in Deutschland notwendig und üblich in mitunter langatmigen Rechtseinräumungen jede einzelne Nutzungsart aufzuführen, damit zweifelsfrei festgeschrieben ist, dass die jeweilige Nutzungsart auch tatsächlich von der Vereinbarung umfasst ist. Auch das französische Urheberrecht erkennt den Grundsatz der "interprétation restricitve" in Art. 122-7, alinéa 4 des Code de la Propriété Intellectuelle (CPI) an. Deshalb fordern auch französische Urheberrechtler eine entsprechend präzise Auflistung der einzelnen Nutzungsrechte.

Einschränkungen der Vertragsfreiheit

Die Vertragsfreiheit unterliegt im Urheberrecht der "Droit d'Auteur"-Staaten verschiedenen Beschränkungen, hierauf hatte das FLA Rücksicht zu nehmen:
Die Urheberrechtsgesetze Deutschlands und Frankreichs sehen für den Urheber eines Computerprogramms das Recht vor, sich gegen solche Veränderungen des Programms zur Wehr zu setzen, die seine Urheberpersönlichkeitsrechte verletzen, vgl. ァ 14 UrhG und Art. L 121-7 Nー 1 CPI.
Dieses Recht kann vertraglich nicht pauschal eingeschränkt werden. Es war deshalb ratsam, in ァ 2 Abs. 1 Nr. 4 FLA eine entsprechende Klarstellung aufzunehmen, um die Wirksamkeit der Klausel im Übrigen nicht zu gefährden. Eine weitere Einschränkung ergibt sich für Software, die ein Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben schreibt. Alle Rechtsordnungen der Europäischen Gemeinschaft sprechen die umfassenden Nutzungsrechte an der Software dem Arbeitgeber zu. Dies erklärt den Hinweis in den ァ 2 Abs. 2 FLA.

Bindung desTreuhänders

Jeder Urheber oder sonstige Rechtsinhaber ist aufgefordert, sich die Organisation, die er als Treuhänder einsetzen möchte, vorher genau anzusehen. Der Treuhänder sollte gewisse finanzielle und organisatorische Mindestanforderungen erfüllen, auch sollte man sich im Vorfeld mit der Frage der weltanschaulichen Übereinstimmung auseinandersetzen. ァ 6 FLA bietet hier eine gewisse Absicherung gegenüber dem Treuhänder. Diese vertragliche "Notbremse" kann aber keinesfalls eine genaue Prüfung des Treuhänders ersetzen. Es ist zu hoffen, dass sich möglichst viele Programmierer zu einer treuhänderischen Rechtswahrnehmung entschließen können. Die FSF Europe erfüllt nicht zuletzt durch die Präsentation des FLA nunmehr die organisatorischen Voraussetzungen für eine juristisch effektive Interessenwahrnehmung. Das FLA kann auch für die Rechtsübertragung auf andere Treuhänder benutzt werden, eine unveränderte Vervielfältigung und Verbreitung ist gestattet.



F. Ausblick: Europäische Rechtsvereinheitlichung

Das Urheberrecht und die anderen geistigen Eigentumsrechte sind in zunehmendem Maße europäisch geprägt. Dies betrifft in besonders starkem Maße die Regelungen über Computerprogramme. Die EU-Richtlinie 91/250/EWG vom 14. Mai 1991 "über den Rechtsschutz von Computerprogrammen" betrifft allerdings nur den Rechtsschutz von Software sowie die gesetzlichen Schranken des Urheberrechtsschutzes. Zur Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz finden sich bisher keine einheitlichen Vorschriften. Dies könnte sich in Zukunft ändern, die Kommission hat vor kurzem einen Vorschlag für eine "Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" vorgelegt. Der Kommissionsvorschlag regelt einheitlich die Durchsetzung aller Rechte an geistigem Eigentum, die bisher innerhalb der EU harmonisiert wurden, und erfasst damit die Bereiche des Urheber-, Patent- und Markerechts gleichermaßen. Eine Regelung könnte für die "Verteidigung" freier Softwarelizenzen einen gewissen Fortschritt bringen: Nach Art. 5 soll neben den Inhabern der Rechten auch "allen anderen Personen, die nach den geltenden Vorschriften zur Nutzung dieser Rechte befugt sind, sowie ihren Vertretern" die Befugnis eingeräumt werden, als Vertreter der Rechtsinhaber die Anwendung der geregelten Maßnahmen und Verfahren zu beantragen und die Rechte gerichtlich geltend zu machen, die sie satzungsgemäß wahrzunehmen haben. Organisationen eines anderen Mitgliedstaats müssen dabei unter denselben Bedingungen wie inländische Einrichtungen tätig werden können (Art. 5). Es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch für den Bereich die gesitigen Eigentumsrechte eine Erleichterung der "gewillkürten Prozessstandschaft" ergeben wird.