Markus Krichel schreibt über das Recht auf freie Meinungsäu▀erung 1776 - 1996
Am 8. Februar 1996 traten, kraft der Unterschrift von Präsident Bill
Clinton, die neuen Telekommunikationsgesetze für die USA in Kraft.
Neben einigen nützlichen Passagen, wie der ╓ffnung der Kabel-TV- und
Telefonmärkte, enthalten die neuen Gesetze einige geradezu ungeheuere
Beschneidungen der persönlichen Freiheit, allen voran das Verbot,
"sexuell implizite Materialien Minderjährigen zugänglich zu machen".
Selbstverständlich liest sich das prima und macht auf den ersten Blick
sogar Sinn. Der Knackpunkt liegt in der Definition. Erstens ist jeder,
der das Internet nutzt, potentiell ein Minderjähriger. Zweitens beschreibt
die amerikanische Verfassung "implizite Materialien" als "alle Kommentare,
Aufforderungen oder Bilder hinsichtlich sexueller oder exkretierender Organe,
an denen moderne Gesellschaftsgruppen Ansto▀ nehmen könnten". Unter diese
Definition fallen daher auch Diskussionen oder Selbsthilfegruppen, die sich
mit Themen wie Aids, Vergewaltigung, Abtreibung, Empfängnisverhütung oder
Sexualaufklärung befassen. Zuwiderhandlungen werden übrigens mit bis zu
sechs Monaten Gefängnis und Geldstrafen bis 250.000 Dollar geahndet. Das
neue Gesetz wurde sofort von der American Civil Liberties Union angefochten.
Web-Page-Betreiber protestierten, indem sie ihren Seiten schwarze Hintergründe
gaben. Für den Softwaremarkt bedeutet dies konkret: keine Demos oder Werbung
im Netz für Spiele mit sexuellem Inhalt (Biing, Leisure Suit Larry), keine
Multimediaprodukte, die sich mit Anatomie oder Aufklärung befassen, und wer
beim E-Mail Flaming seinen Widersacher als "exkretierende Körperöffnung"
beschreibt, kriegt vielleicht Besuch vom FBI oder Interpol.