Herbert Aichinger über den Werteverfall im Internet

Es ist nicht viel länger als ein Jahr her, da waren die ungeschriebenen Gesetze des Internets noch wirklich etwas wert. Werbung war kaum zu sehen, oder schlimmstenfalls verschämt versteckt, Onlinehandel war so gut wie überhaupt nicht möglich, und die Betreiber der Server finanzierten ihr Hobby aus eigener Tasche. Heute wei▀ jeder, da▀ man im Netz der Netze jede Menge Geld verdienen kann: Auf jeder Seite mit brauchberem Inhalt tummeln sich zahlreiche Grafiken von "Sponsoren", überall finden sich (Online-)Kaufangebote und viele andere Dinge, die noch vor kurzer Zeit undenkbar gewesen wären. Schenkt man Bill Gates┤ Buch "Ein langer Weg" Glauben, droht uns noch weiteres Ungemach: Der Posteingang wird überquellen mit Werbebotschaften aller Art. Mangels geeigneter Filtersoftware sind wir wohl auch dazu verdammt, jede Mail zu lesen - ohne auch nur einen Pfennig Entschädigung (Gates┤ Zukunftsvision) zu erhalten. Bei all diesen unerfreulichen Auswüchsen erscheint es um so lächerlicher, da▀ eine Internetdiskussion scharf kritisiert wurde, die sich mit dem Umgehen der Zensur beschäftigte. Zwar hat CompuServe fast alle Nachrichtenbereiche wieder freigegeben, die die deutsche Staatsanwaltschaft schlie▀en lie▀, dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack: Wenn ein kleines Land wie Deutschland weltweit Zensur ausüben kann, können die USA dann das Internet schlie▀en?