Salzburger Land - Der Geschmack des Echten



Treten Sie ein und nehmen Sie Platz ! Der Tisch ist gedeckt. Die Wirtin hat im Kachelofen Feuer gemacht. Seine wohlige Wärme strahlt bereits bis hierher in den Herrgottswinkel. Was wollen sie essen ? Fleischkrapfen oder Kasnocken, Erdäpfelnidel oder Muas ? Oder ist Ihnen nach einem Aperitif, einem selbstgebrannten Vogelbeerschnaps.

Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns, während das Bestellte in der Pfanne brutzelt, über die Dörfer hier am Fuß der Hohen Tauern unterhalten ? Ihnen ist sicher ebenfalls aufgefallen, daß diese heimelige Atmosphäre, die einen hier drinnen empfängt, auch draußen auf den Plätzen und Gassen herrscht. Woran das wohl liegen mag ?

Manche behaupten, an dem Meer von Geranien, die sich in allen Farben über die Holzbalkone ergießen, und manche daran, daß sich etliche Orte verkehrsberuhigte Zonen geschaffen haben. Viele meinen, ein Grund sei die behutsame und liebevolle Weise, auf die man hierzulande alte Gebäude revitalisiert - mit Natursteinsockeln, Legschindeln und Holzzäunen. Vielleicht hat es auch mit der grundsätzlichen Dorfstruktur zu tun. Wie sich die Häuser überall dicht um die weißen Kirchen mit den spitzen Turmhauben scharen - das war eben von Anfang an grundgemütlich.

Jedenfalls hat man beim Anblick dieser soliden Gehöfte und Gasthöfe das Gefühl, daß hier der Wohlstand schon lange bevor die Touristen kamen, zu Hause war. Dabei darf man natürlich nicht alle Orte über einen Kamm scheren. Es gibt auch solche, wo man städtische Elegance genießen kann noble, mit Golfplätzen, Schönheitssalons, Luxushotels und so weiter. Tafeln kann man dort in Feinschmecker-Tempeln - wie Gott in Frankreich, sag' ich Ihnen. Und dann die alten Dorfkerne aus der Goldgräberzeit. Kennen Sie die ? Geradezu gotische Paläste stehen da, ensembleweise. Wunderbar ! Da findet eben jeder Gast etwas für seinen Geschmack.

Weil wir gerade beim Essen sitzen: Finden Sie nicht auch, daß man den Spezialitäten anmerkt, daß sie außer gut schmecken auch Kraft geben sollen ? Ähnlich empfindet man's bei den vielen Festen und Bräuchen. Die wirken nicht in erster Linie wie kulissenhafter Zeitvertreib, sondern wie das Ergebnis eines inneren Bedürfnisses. Beim Almabtrieb zum Beispiel wird - auch heute noch - nach wie vor dem Herrgott gedankt, daß den Sommer über nichts Schlimmes passiert ist. Die Glückwünsche der Perchten für's Neue Jahr sind durchaus ernst gemeint. Und mit den blumengeschmückten Muhrer Prangstangen tragen sie wohl tatsächlich noch ein wenig die Hoffnung auf Nachwuchs zur Schau.

Sie brauchen ja nur in eines der vielen Museen in den Nationalpark-Gemeinden zu gehen. Mit welcher Liebe zum Detail dort alle Aspekte der Kultur dokumentiert werden - das macht eine Gemeinschaft nicht nur für fremde Gäste, sondern auch zur Pflege des eigenen Bewußtseins !

Na, das ging aber rasch. Und wie das duftet ! Apropos- Haben Sie auch die ganze Zeit dieses feine, würzige Waldaroma in der Nase ? ja ? Stammt wohl von der Täfelung. Zirbenholz wahrscheinlich. Oder Lärche. Fast fünfhundert Jahre - hat die Wirtin gestern stolz verraten - ist die Gaststube, in der wir sitzen, schon alt.