Nein, nein, glauben Sie nicht, die Hohen Tauern seien eine völlig heile Welt ! Es gab eine Zeit, da fingen die Menschen auch hier an, die Umwelt mit einem Selbstbedienungsladen zu verwechseln, den man nach Belieben leerkaufen und wieder aufladen könne. Damals träumten sie plötzlich von Bettenburgen, Skiarenen und Kraftwerken. Doch zum Glück bemerkten sie rechtzeitig, was sie gefährdeten: Die Harmonie, in der sie seit Menschengedenken mit den Bergen gelebt hatten. Und den Ruf ihrer Heimat als untadeliges Ferienrevier.
Die Salzburger begannen intensiv darüber nachzudenken, wie sie die Bdürfnisse der Natur und der Urlauber am besten mit ihren eigenen in Einklang bringen könnten. Im Laufe der Zeit gebaren sie eine Menge Ideen und wurden so zu Pionieren eines neuen, schonenden Tourismus.
Bereits 1971 hatten sie mit ihren Kärntner und Tiroler Nachbarn vereinbart, ihr gemeinsames höchstes Gut für alle Zukunft zu schützen.
Nun, im Jahr 1984, erklärten sie per Gesetz die Gebirgslandschaft zwischen der Reichenspitz- und der Hafnergruppe zum Nationalpark. Im Vertragstext stand, man wolle �die Schönheit und Ursprünglichkeit der Landschaft erhalten, ihre charakteristischen Tiere und Pflanzen bewahren und einem möglichst großen Kreis von Menschen ein eindrucksvolles Naturerlebnis ermöglichen."
Und wie geplant, geschah es auch. Ab sofort wurden im Nationalpark keine neuen Skilifte und Seilbahnen, keine Hotels und Staumauern mehr gebaut. Stattdessen renovierte man mit den traditionellen Materialien Holz und Stein viele der Schutz- und Sennhütten. Legte zusätzliche landschaftsgerecht gestaltete Wander- und Lehrwege an, und begann, einen Großteil der aufgelassenen Almen wieder zu bewirtschaften. In den Seitentälern ist es seither noch ruhiger geworden, denn statt der vielen Urlauberautos sind dort nur einige wenige Zubringertaxis zugelassen, die zu festgelegten Stunden Besucher befördern. Hubschrauber dürfen für touristische Zwecke gar nicht und Motorflugzeuge nicht tiefer als 5.000 Meter fliegen.
Kein Wunder, daß sich in einem solchen Paradies auch die Tiere besonders wohl fühlen. Murmeltiere spielen vor ihrem Bau. Steinböcke, die noch Ende der Siebziger Jahre als akut gefährdet galten, kraxeln heute zu Hunderten im Fels. Selbst der Bartgeier, der größte Vogel der Alpen, der seit Ende des vorigen Jahrhunderts in dieser Region ausgestorben war, zieht neuerdings hoch über den Gipfeln wieder majestätisch seine Kreise.
Das anfängliche Mißtrauen der Menschen, die am Rande des Nationalparks wohnen, ist längst der Erkenntnis gewichen, daß der eingeschlagene Weg der richtige ist und der Region insgesamt weit mehr Vor- als Nachteile bringt. Diese Zufriedenheit überträgt sich natürlich auch auf die Gäste, die übrigens immer zahlreicher - jedoch nie wirklich massenhaft - in die Hohen Tauern kommen. Zurück aus dem Urlaub pflegen sie begeistert ihren Freunden und Verwandten von einer wundersamen Insel im Herzen Europas zu erzählen, auf der ihre Körper ungeahnte Energien tankten und ihre Seelen frei in der frischen Luft baumeln durften.