Das BASIC ~f;;hl Vom Leben mit einemMikrOComputer ,tGive me new ncise, give me new affractions, strenge new toys from another world.'' (TuxedemoOn) Beim ersten Mal war da nur ein Monitor und eine Tastatur, die aussah wie eine flachgefahrene Schreibmaschine. "Und wo ist fier Cornputer?". Der Computer, erfuhr ich, das sind ein paar winzige Chips in dem Tastaturgeh„use. In meiner bisherigen Vorstellung waren Computer wandgroáe Denkm”bel in klimati- sierten R„umen gewesen Ich hatte gerade gelesen, daá Frauen, die an einem Computer arbeiten, keine Nylonunterw„sche tragen durften. Die statische Elektrizit„t brachte die Rechner durcheinander. Das ist drei Jahre her. Inzwischen duften die Frauen wieder Nylons tragen, die Computer bringen die Manner durcheinander, und ich bin das geworden, was man einen Bitnik nennen k”nnte ein Mensch, der mit Vergngen durch den Dschungel der Datenverarbeitung streift Mein Freund mit der flachgefahrenen Schreib- masch i ne, ei n &hriftstel lerkol lege, ™ffnete mir das Fenster i n die neue stofflose und sacht flimmernde Welt der Computer-Software. Zur Unterscheidung; Hardware ist das, was runterfallen kann, also die Ger„te. Software ist das, was einem auf die Nerven fallen kann, also das, was in einem Rechner und am Bildschirm vor sich geht. Es gibt einen wei- teren Begriff, den amerikanische Informa- tionsingenieure gepr„gt haben: Wetware. Das sind wir, die Menschen. Ich sah, wie die kleine Maschine von einem Cassettenrekorder Programme einlas und es war, als sauge sie sich voll mit einer eigen -- tumlichen Kraft. Schnell und elegant hauchte sie Lichterzeilen auf den Bildschirm Fr jemanden wie mich, der zwei Jahrzehnte lang einen Fernseher nur ein- und ausschalten konnte' war es ein gewaltiges Erlebnis, die Ereignisse auf dem Bildschirm selbst beein- flussen zu k”nnen. Ich h”rte eine groáe Musik in meinem Hinterkopf Datend„mmerung. Mein Freund lieá Programmzeilen ber den Bildschirm laufen. QQ=PEEK(PP):IFQQ=8 THENFU = 79:0NSQR{CQjGOT050025,3348, HELL,50026 stand da. Pariez-vous BASIC? Ich hatte das Gefhl. bald ein neuzeitlicher Anal- phabet zu sein, wenn ich mich nicht daran- machte, das zu lernen. Hatte ich bei meinen ersten Besuchen noch jedesmal mit meinem Freund und seiner Frau im Wohnzimmer geplaudert, bevor wir uns an den Computer setzten, so steuerte ich zuletzt direkt von der Wohnungstr an das Bild- schirmfenster. Die Frau meines Freundes nahm ich nur noch als einen Arm wahr, der belegte Brote und Kaffee neben den Monitor stellte. Die Scheidung war vor zwei Jahren, und vor eineinhalb Jahren hat mein Freund sich einen schnelleren Computer gekauft. im Ratgeber einer amerikanischen Psycholo- gin, die den Computerwitwen Tips gibt, wie der Mindestkontakt zu einem rechnerverlieb- ten Gatten aufrechtzuerhalten ist, laát sich das Ausmaá der zwischenmenschlichen Spannungen ahnen; die Hinweise lesen sich wie zur Verst„ndigung mit Zahnarztpatienten: "Sprich ihn, w„hrend er am Terminal sitzt, m”gl ichst mit Entscheidungss„tzen an, die sich mit JA oder NEIN beantworten lassen.' Ich besorgte mir das GENIE I, eine billige Taiwankopie des Tandy Trash-80 meines Freundes. Es war ein Gefhl wie Weihnachten in der Kinderzeit. Hier hatte ich nun DIE GANZ GROSSE Legeschachtel; einen Hirnlego- Baukasten. Zu den ersten Erfahrungen geh”rte, daá ich mit Hilfe des Ger„ts so viele Fehler in so f _~ ~ 40 ~ r_ ~ . ~ kurzer Zeit machen konnte wie nie zuvor. Es war wundervollt Die erste Kommunikation mit dem Computer verl„uft so: man macht eine Eingabe und der Computer meldet sich mit SYNTAX ERROR. Schon nach wenigen Tagen šbung geht auch das Hervorbringen extravaganter Fehlermel- dungen ("Bad Data" - "Extra Igrored" - ',Cur- sor lost") glatt von der Hand. Das BASIC, in dem die Eingaben formuliert werden, ist eine Art kybernetisches Pidgin-Englisch mit einem Wortschatz von etwa 50 Vokabeln. Dem Computerlehrling ist es eine Tabulatur magischer Worte, die seine Panasonic- Kristallkugel immer neu aufleuchten lassen. Sommer 1983. Ich ziehe um nach Hamburg, lasse das GENIE wie die erste Mondf„hre in Dsseldorf zurck und besorge mir einen Commodore C64, den Fiat Panda unter den Mikrocomputern. Er ist h„álich wie ein platt- getretenes Brot, aber ausgerstet mit einem Schwung verlockender Extras, bis hin zur automatisch versenkbaren Umgebung: Ich komme in die Fieberphase, die jeder Compu- ternewcomer durchlebt. Sie dauert mindestens so lange wie eine infektion”se Gelbsucht und kann auch chro- nisch werden. Mediziner besch„ftigen sich bereits mit speziellen rechnerbedingten Ge- brechen, etwa der "Spielklaue", einer kramp- fartigen Verformung der Hand infolge exzes- siven Hebelas bei Videospielen, oder Schwin- delanf„llen, wenn nach stundenlangem Bild- sch i rmbetrachten i n ei nem unvorsichtigen Seitenblick die Umwelt wieder zu einem drei- dimensionalen Raum auseinanderf„hrt. Inmitten einer 24stndigen elektrisierenden Atmosph„re lebe ich in einer Wohngemein- schaft im Herzen von St. Paul-l: Drauáen L„rm und Lichter der Unterhaltungsmaschinerie, drin das Synthesizer-fauchen und Flimmern des Computers. Sven, der eine Mitbewohner, ein freundlicher Punk, wird zu meinem Bluts- bruder auf den Datensafaris der folgenden Wochen. Kerstin, Soziologin und als ehemali- 5~ 25~8 65rJ~E REASSURt~G EVE / ~ Ci~ N,~unte,~c~c mormur', ~J' ~1~~ ge Inhaberin der Gastst„tte "Schlaflose N„ch- te" wirklichkeitsgeprft, h„lt die Stellung im grauen Alltag. Wir haben einen desolaten Schwarzweiátern- seher als Monitor, dessen linker Bildrand unaufhorlich wie eine Raupe abw„rts kriecht und dessen Lautsprecher jeden Tag l„nger braucht, bis er zu rauschen anf„ngt. Nach einer Weile spielt das keine Rolle mehr, da die Maschine immer an bleibt und wir Tag und Nacht i n Programmierstaffetten davor ver- bri ngen. In der einen Ecke des Zimmers qualmt ein undichter Kohleofen, der den Computer mit einer hellgelben Schicht Asche bedeckt. Wenn in der Straáe vor dem Haus eine Schieáerei stattfindet, ”ffnen wir das Fenster, drehen den Lautsprecher bis zum Anschlag auf und betei- ligen uns mit dem synthetischen Get”se von "Attack of the Mutant Camels". Herbst 1983. Man programmiert, Stunden um Stunden, von einem wilden Pioniergeist be- seelt als gelte es, eine Linie an den Rand des Universums zu ziehen. "Die Datenverarbei- tung", so Alan Key von der Apple Corporation, "hat noch nicht ihren Galilei oder Newton, ihren Bach, Beethoven, Shakespeare oder Moliere gehabt". Die Augen brennen, und man fhlt ein Nervensausen, das eine rnoder- ne L)ngeduid markiert Wenn das Einlesen eines Programms von der Diskettenstation in den Rechner l„nger als zehn Sekunden dauert, wird man fahrig. Die Programme, in denen die ganze Leiden- schaft kristallisiert, entsprechen dem, was ein Mitarbeiter der Firma ATARI so ausgedrckt hat: "Der Computer ist die L”sung. Was wir jetzt brauchen ist das Problem." Wenn Sven und ich uns hochmotiviert und im Zuge eines postundigen Forors mit den Grund- zgen der Winkelfunktion und den Eigenarten der Programmierung hochaufl”sender Grafik vertraut gemacht haben und eine erste Sinus- kurve ber den Bildschirm schleicht, herrscht Sylvesterstimmung. Kerstin findet den Auf- wand und die Kurve l„cherlich und besteht stattdessen darauf, daá einer von uns das Geschirr abw„scht. - Was auch in Keys Liste mannlicher Genies anklingt: Frauen sind die Dritte Welt des mi- kroelektronischen Zeitalters. Sie sind immun gegen Computerbegeisterung. Sie m”gen die Apparate nicht. In zehn Jahren wird es eine neue Frauenbefreiungsbewegung geben ms- sen, um den Anwendervorsprung und die ADV-Bewequngsfreiheit der M„nner auszu- gleichen. Abneigung gegen das "technische" Flair be- grndet noch nicht die umfassende Mattigkeit des Interesses, welches fast alle Frauen den Rechnern entgegeng„hnen. Ich habe den Ein- druck, daá es mehr mit der seltsamen Erotik der Maschinen zu tun hat: Der sklavischen Ergebenheit, mit der sie immer wieder das tun, was man ihnen sagt (und nicht unbedingt mit dem bereinstimmen muá, was der Pro- grammierer meint), der Wiliigkeit, sich bis in ab