DER SPIEGEL,. W1964 _ _ ~ BILDSCHIRMREXE - lge Spieen Hamburger Hacker bewiesen: Das Blideehinnte~n.System der Bun. dospost Ist unscher. Ober Bbc wurde die Hamburger Sparkasse mit 135 000 Mark Gebahron belastet. Wer im gelben Hamburger Telephon- buch unter der Namensspalte "Werner" bl„ttert, st5Bt auf Seite 1067 auf den seltsam vertummelten Eintrag "Wern&lry". Wie der Unaussprechliche - der Satz-Computer verhaspelte ein "e" - wirklich heiát, durfte sich seit Montag letzter Woche dem Herausgeber des Walvers, Bundespostminister Chri- stian Schwarz-Schilling, eingepr„gt ha- ben. In der Nacht von Sonnabend auf Sonn- tag hatte Steffen Werndry, 23, dem hochgelobten Bundespostdienst "Bild- schirmtext" (Btx) eine empfindliche Schlappe beigebracht. Gemeinsam mit Freunden vom Hamburger "Chaos Com- puter Club" (CCC) forderte Computer- Fan Werndry aus dem Btz-System der Post sensible Daten eines anderen Be- nutzers zutage: das besondern geschtzte Kenn- und Passwort ("usd70000") Fr den Btx-Dienst der Hamburger Sparkas- se (Haspa). Mit Haspa-Kenn- und -Passwort aus- gestattet, schlpften die Hacker gleich- sam unter der elektronischen Tarnkappe der Bank in den Btx-Computer: Dem Pust-Rechner als Haspa ausgewiesen, konnten sie sich in dem Btx-System frei bewegen und dem Flaspa~omputer Or- der erteilen, wieder und wieder eine mit 9,97 Mark Gebhr belastete Btx-Seite des CCC abzurufen*. Ergebnis: Von Samstag abend 22.00 Uhr bis 13.00 Uhr am Sonntag las der Haspa-Computer alle drei Sekunden eine Nonsens-Seite ("Es erfordert ein bemerkenswertes Team, den Gilb zu- n~ckzudrangen...") des Hamburger Computer Clubs. Insgesamt liefen auf diese Weise, wie die Computer-Freaks am blontag der staunenden 0ffentlich- keit berichteten, ann„hernd 135 000 Mark Gebhren wgunsten des CCC auf. Haspa-Vorstand Benno Sch”lermann h„tte "das nicht [ur m”glich gehaltene. Wiederholt hatte die Post ihren Btx- Kunden versichert, ein Fall wie der nun in Hamburg eingetretene sei "weit un- wahrscheinlicher als ein Sechser im kam Lotto". Nun erw„gt der Bank-Vorstand, die Post ffir "etwaige Sch„den, auch Vertrauenssch„den, haftbar zu ma- chen`'. Geschockt vom Coup der Hamburger Hacker - die mit ihrem Btx-Trick die Miábrauchmoglichkeiten des Systems demonstrieren wollten -, zeigten sich letzte Woche auch andere gewerbliche Btx-Kunden. Erhard Buchholz, Organisationsleiter beim K”lner Lebensmittel-Groáh„ndler Rewe, will den Hamburger Coup "sorg- f„ltig studieren". Bernhard Zeller, Junst und Gesch„ftsfhrer der Btx-Reisobera- ter GmbH in Frankfurt, sah sich durch die Btx-Schlappe wieder darauf gesto- áen, daá der Einstieg ins Breinetz jari- stisch einem "Sprung in eiskaltes Was- ser" gleichkomrne. Bisher schiebt der "Staatsvertrag ber Bildschinntext" bei Kenn- und Paáwort- Miábrauch den Schwarzen Peter den Btx-Anbietem w. Die Sicherungs-Co des. so verlangt Artikel 9, Absatz 8, mssen einen "dem Stand der Technik entsprechenden Schutz vor unbefugter Verwendung bieten": Wurde etwa von einem "Spaávogel" ber Btx, so Zellers Horror-Vision, ein JumbmJet komplett ausgebucht, der dann am Reisetag leer auf dem Rollfeld steht, ist es Sache des Reiseveranstalters' zu beweisen, daá ihn keine Schuld an der Trickbuchung trifft.. Die Post sucht ihre gewerblichen Kun- den zu beruhigen. Man arbeite, verlaute- te aus dem Bundespostministerium, "ge- meinsam mit Fachleuten" daran, die Bt~-Sicherheit "noch weiter zu erhm hen". Die Hamburger Schlappe, be- lcennt Postdirektor Bodo Frahm vom Bundespostministerium? habe -sehr weh getan". Die Postler schmerzt es, daá ihr neues Kommunikationsnetz just in der emde findlieben Startphase getroffen wurde: Seit dem 18. Juni dieses Jahres wird Bt~c bundesweit angeboten. Mit dem System, so die Hoffnung der Post' wurden die Bundesbrger den ersten Schritt in die elektronische Kommunikationsgesell- schaft vollziehen. Vor gut zehn Jahren in England als "Viewdata" entwickelt, koppelt Btx den heimischen Fernsehapparat an das fla- chendeckende Telephonnetz der Post. Ein Modem genanntes Zusatzgerat (ein- malige Anschluákosten: 55 Mark) holt die ber Telephonleitung korumenden Datensignale herein, ein Zusatzteil ("Decoder") im Fernsehgerat (Preis: ber 1000 Mark) verwandelt sie in Schnft und Graphik-Bilder auf dem TV- Schirrn. Ein zentraler Computer in Ulm sowie spezielle Rechner in Ballungsgebieten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg und Mnchen steuern den bundesweiten Da- tenfluB: Fahrplane und Borsenkurse, Kurznachrichten und Veranstaltungshin- weise, Sonderangebote und Wetterinfor- mationen k™nnen in Sekundenschnelle auf den TY-Schirm gerufen werden. Banken erm”glichen ihren Kunden Zah- lungsanweisungen šber Btx, Versand- h„user locken mit elektronischer Waren- bestellung, Reisebros beraten via Btx den Kunden zu Hause am Bildschirm. Mittelstandische Unternehmen, Arz- te, Apotheker und Buchhandler, aber auch private Btx-llutzer, so hoffte die Post, wurden das System Seiner Lawine gleich unaufhallharn weiterwachsen las- sen". Doch schon die Btx-Versuchspha- se von Juni 1980 bis August 1983 in West-Berlin und Dusseldor~enss dampfte die hochgesteckten Er~vartun- gen: Kritilcor empfanden den Postdienst als "entt„uschend" und bemangelten das Btx-Angebot: es sei "unzureichend, ja weitgehend langweilig". Hohe Kosten - private Btx-Nutzer halsen sich etwa 3000 Mark, gewerbliche Btx-Kunden ber 70 000 Mark Gerate- kosten auf - und anisangliche technische Mangel sorgten zusatzlieh dafr, daá die Nachfrage schleppend blieb. Derzeit sind etwa 19 000 Teilnehmer (davon 3000 Anbieter) angeschossen - eine Zahl, die in Kreisen der Wirtschaft als Gleich Null" gilt. Um gewerbliche Btx- Nutzer zu k”dern, hatte die Post 150 000 Btx-Kunden zum Jahresende 1984 vor- ausgesagt. Zu der Skepsis ber die wirtschaftliche Entwicklung gesellte sich die Sorge ber die Btx-Technik, deren Schwierigkeits- grad Minister Schwarz-Schilling mit dem eines "Mondlandeunternehmens" ver- glich. -Die Technik", so Bernd Hent- schel von der Gesellschaft Er Daten- schntz und Datensicherung, "ist die Tclce des Objekts." Mit Btx, warnten Experten, entstehe in der Bundesrepu- blik ein weites Feld fr Datenpiraten. Nicht Datenpiraten, wohl aber "Robin Hoods im Datennetz", so Chaos-Spre- cher Herwart ("Wau") Hoand, haben nun Btx-Benutzer und -Anbieter verun- sichert. Eltx-Kunden, so die "Welt`', fra- gen sich, ob statt "eines Paar Ski aus dem Versandbaus" wom”glich "zehn oder hundert Paar'` ins Flaus kommen. ú Beim Btx~ystem stellen die "Anbieter" Infonna- tions-,,Seiten" in Form stehender FemseLbiJder be- reit, etwa Versandhaus-Angebote, Rcise-Offcrten oder auch Warentest-laformationen. Fšr jede vom Nutzer abgerufene Seite kann der Anbieter ~cbuh ren berechnen, pro Seite bis zu 9,99 Maric.