DIE ZEIT - Nr. 49 - 30. November l9B4 Bildschirmtext Ein Schlag gegen das System Ein Computerclub deckt Sicherh ~tslocken im Bt-Programm der Post auf / Von Themas von Randew Wer sich in den kommenden zwei bis drei Jahren dem Btx-System anschlieát, geh”rt wegen Dumroheit bestraft." Dieses ver- nichtende Urteil ber den neuen Senice der Bun- despost, Bildschirmtext, war vorige Woche auf der achten Datenschutzfacheagung in K”ln zu h”- ren - aus berufenem Munde. Gef„llt hatte es der Vorsitzende der veranstalteadert Gesellschaft fr den Datenschutz (GDD), Professor Reinhard Vossbein, nachdem ihm die Ausfiihn~ngen eines Computerfreaks zu Ohren gekommen waren. Mit Witz und lockeren Sprchen hatte Herwart ("Wau®) Holland vom Hamburger "Chaos Com- puter Club" (CCC) geschildert, wie es seinem 23i„hri~en Clubfreund Steffen Wernery gelungen war, den B~ldsch~rrn-D'ense aufs Kreuz zu legen. Eher tippe einer sechs Richtige im Lotto, als daá er sich illegal das Paáwort eines Btx-Teilneh- mers verschaffen k”nne, hatten Bildschirmtext-Ex- perten der Post geprahlt. Just das aber gelang den E lamburger Computerchaoten auf Anhieb. Ein Fehler, znftig bug (engl. K„fer) genannt, im Computerprogramm des Systems machte es den Hackern kinderleicht. Daá etwas mit dem Pro- gramm nicht stimmte, war schon vielen Bild- schirrntextanLietern aufgefallen. Anbieter gestalten schirmfllende Bilder mit In- forrnationen darber, was sie zu offerieren haben, Waren aus dem Versandkatalog, Urlaubsreisen, mit Kontoauszgen fr Bankkunden oder schlich- ten Mieteilungen an Freunde. Diese "Seiten. k”n- nen dann von - hierzu berechtigten - Bex-Teilneh- mern abgerufen und die darin enthaltenen Fragen etwa nach einer Flugbuchund, oder Geldberwei- sung, auf der Tastatur am heimischen Bex-Zusatz- ger„t beantwortet werden. Doch der Platz auf einem FernsehLildschirrn ist beschr„nkt; die Bex-Seite kann nur 1626 Zeichen fassen. IJnd damit der Gestalter beim Editieren weiá, wieviel Zeichen er jeweils noch in seinem Werk unterbringen kann, wird ihm diese Zahl am unteren Bildrand angegeben. Bis vor kurzem stimmte aber diese Angabe nicht- Programmierer sind notorisch schlechte Kopfrechner. Die Seite war schon voll, ehe die Zahl der verfgbaren Zei- chen Null erreicht hatte. Aus diesem Grund erleb- ten viele Anbieter, was eigentlich nicht passieren darf, einen chaotischen Zeichenberlauf. Pl”tzlich geistern auf der Seite allerlei W”rter, Zahlen oder unverst„ndliche Buchstabenfolgen. Der Grund fr diesen Zeichensalze: Der Sch”pfer des Btx-Programrns hat offenbar vergessen, fr die "Mllabfuhr" zu sorgen, n„mlich dafr, daá ber- schssiger Text vom Programm ignoriert oder ir- gendwie beiseite geschafft wird. Darum schieben die zuviel getippten Zeichen Teile aus dem Pro- grammschreiber ins Bild; und die sind, wie die Hamburger Hacker herausfanden, manchmal ver- rarerisch. Sie k”nnen aufgerechnet das Geheimnis preisgeben, daá ein Btx- le~lnehrner strengstens zu hten hat, seine Kennung. Dieses Paáwort ist der Schlssel fr den Zugang zum System. Damit kann zwar noch nnemand ein *emdes Banlckonro plndern, aber doch eine Menge Unfug stiften. Waren k”rnen bestellt, Urlaubsreisen gebucht, Zeitschriften abonniert werden. Fr den dabei entstandenen Schaden haftet laut Vertrag der rechtm„áige Besitzer des Sicherheitscodes. Steffen Wernery und seine Genossen brachten - der Club ist eingetragener Anbieter - Btx-Seiten in Massen zum šberLauf und studierten dann die Geisterzeichen auf dem Bildschirm. Darunter ent- deckten sie das Paáwort "usd 70000® der Ham- burger Sparkasse (Haspa). Damit lieá sich veran- stalten, was die Chaoten lange geplant hatten, eine eindrucksvolle Demonstration der Unzul„nelich- keit des Bildschirmtextes. Sie richteten eine n~nen- denseite® ein. Anbieter drfen fr den Abruf ''hrer Seiten eine Art Schutzgebhr oder Spende verlan- gen, die jedoch nicht h”her als 9,99 Mark sein darf. Wer eine solche Seite aufruft, dessen Konto wird automatisch mit der Gebhr belastee. Mit dem Sparkassen-PaBwort riefen die Hacker jetzt ihre eigene kosrenpflichtige Seite ab - und 9,~7 Mark waren verdient. Dies sollte m”glichst oft geschehen, weshalb ein Heimcomputer daftir programmiere wurde, die Seite laufend automatisch aukurufen. Er tat es brav, und w„hrend sich die Cl~bmitgliede- ande- ren T„tigkeiten widmeten, klingelte Ale drei Se- kunden die Kasse. Von Sonnabend 18 Uhr bis Sonntag 13 Uhr kamen inselbesame 135 000 Mark auf das ClubLonro. Die freilich berwiesen sie der Haspa zurck. Einen f7ack haben amerikanische Studenten, lan- ge schon bevor Computer popul„r wurden, die Art von Streich getauR, mit der Technik ausge- trickst wird. Legende ist der back von Cuppein Crunch geworden, einem Studenten, der seinen Namen einer Cornflakes-Sorte entlehnt haue. Den Packungen dieser Frhstckskrmel lag eine klei- ne Plastikpfeife bei, die zuf„llig egale auf 2600 Hertz gestimmt war. Im amerikanischen Fem- sprechsystem, das harte Cuprain Crunch herausge- n~ftelt, lieá diese Frequenz, wenn sie ins Mikro- phon des Telephonh”rers gepfiffen1 wurde, den ebuhrenzahler abfallen. I}er Trick mit den kostenlosen Ferngespr„chen sprach sich schnell herum; er machte die Cornfla- kes-Firma reich und die Telephongesellschafe arrn. Jedenfalls fand sie sich in argen Schwierigkeiten. Es galt den schwer urmittelbaren Verlust gegen ei- C~