Joseph Weizenbaum sagte einmal, daá die negative Utopie' Computer k”nnten so denken wie Menschen, l„ngst nicht so erschreckend sei wie die Realit„t, in der Menschen so funktional denken und handeln wie Computermaschinen. Gegen diese B- rokratenherrschaft in 0st und West mssen wir etwas positives setzen. Wenn mir w„hrend einer Diskussion vorgeworfen wird, daá der von mir verwendete Begriff ''Menschlichkeit" zu schwam- mig sei und genauer definiert werden sollte, dann habe ich mit der knstlichen Intelligenz des IJniversit„tslebens, der Verwis- senschaftlichung des Menschen in der Tat mehr Schwierigkeiten als mit toten Maschinen. Die erschreckenden Realit„t die Wei- zenbaum meinte, hat Walter Volpert kurz und pr„gnant beschrie- ben: Wir leben in einer Welt der In Zeit-Not-Gerafenen, eine graue Weit ohne Muáe' ohne sch”pferisches Sied und vor allem ohne mitmenschliche W„rme und - Liebe. Wir beI7andeln unseren K”rper wie eine Maschine, mit htness-Programmen und einer Medizin nach Art der Wartung, Reparatur und fnstandsetzung von Maschinenteilen. Wir verwechseln Vernunft mit rationalen Problemi”sungs-Prozeduren und freuen uns, daá wir alles Stack fr Sfack abhaken und einordnen k”nnen. Wir sperren unsere Gettrle In dunkle Verliese und wundern uns, wenn sie als Monster zurckkehren. Wir sehen die Mitmenschen als Lust-und Agres- sionsobiekt an und ansonsten als Werkzeuge, mit denen wir beliebig umgehen k”nnen. Das alles macht uns krank' teer und einsam. Und weit wir es nicht wahrhaben wollen, platzen wir vor Leistungs- und Konkurrenzsucht und h„ngen unsere Liebe und unsere Achtung an chromglitzernde Autos und tiirRis flimmernde Heimcomputer. Das sind Verhaltensformen von Menschen und nicht von Computern. Mir bleibt nur die šberzeugung, daá sich gesellschaftliche Bruchlinien und private Widersprche niemals mit technischen Mitteln oder einer reduktionistischen Philosophie lautlos ausschalten oder bew„ltigen lassen. Manch tumber Linke denkt wie die M„chtigen, wenn er - nur kritisch Ä davon ausgeht, daá sich der Mensch wie eine Marionette durch Com- putertechnik und Kabelanschlsse letztendlich harmonisch- harmios g„ngeln lieáe. Diese Leute halten Menschen fr willen- lose Gesch”pfe und machen ihn in unseren K”pfen zur Maschine. Die negative Kritik ist auf dem besten Wege, menschliche Krea- tivit„t totzuschlagen und selbst entscheidend dazu beizutragen, daá sich ihre Prophezeiungen am Ende erfllen k”nnten. Orwell stecht nicht in den Computern, sondern in den K”pfen'.,J Doch zurck zum Computer und m”glichen Formen einer "gegen den Strich gebrsteten" Anwendung. Zu Beginn hatte ich die Videoszene als Beispiel alternativer Nutzung elektronischer Me- dien genannt. Niemand k„me heute auf den Gedanken, die Videoszene im gleichem Atemzug mit den menschenverachten- den Horror- und Pornovideos zu nennen, nur weil beide das gleiche Medium benutzen. Die dahinter steckende Ideologie, die den Menschen als Rohstoff verwendet, ist die gleiche, mit der wi r es in der angewendeten Computertechnik berwiegend zu tun haben. Wilhelm Steinmller spricht in diesem Zusammenhang von der Industrie der geistigen Arbeit. Es gilt deshalb, in Theorie und Praxis eine davon eindeutig aágrenzbare An- ~ , Wendung zu entwickeln. Der Hambur- ger HASPA-Hack mag ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein. Es ist, wie Walter Volpert schreibt, "ein positiver Ansatz, daá gerade Computer-Enthusiasten den Mythos der unangreifbaren Maschine zerst”- ren k”nnen - das bringt ihnen viele Sympathien ein". Allerdings ist nicht es ratsam, jeden Monat publikumswirksam irgendwel- che Datenbanken aufzupacken. Am Ende bleibt nur, wenn berhaupt, ein nach Sensationen lsteroder Presse- rummel, der schnell verebbt. Dies kann nicht die einzige Perspektive eines '7Robin-Data-Widerstandes" sein. Doch wenn ein Teil der Hacker die kompetentesten Kritiker der Daten- sicherung und des [}atenschutzes sind, warum sollen dann Hacker und Computerfreaks nicht in einem „hnli- chen Sinne die kompetentesten Kriti- ker einer menschenverachtenden Computertechnik sein? Warum sollten nicht Anti-Kabel-lnitiativen und Com- Puterfreaks zusammen eine fundierte Kritik entwickeln und eine gegen den Strich gebrstete Computeranwen- dung erarbeiten, eine Computerkultur, in der der Aufbau sozialer Netze den absoluten Vorrang vor der technischen Vernetzung erh„lt. &~ Es ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die sogenannte "Szene" die Computertechnik nutzen wird. Das beste Beispiel dafr ist die taz, deren Existenz ohne Textverarbeitungssystem berhaupt nicht denkbar w„re. Und schlieálich gibt es kaum eine andere gesellschaftliche Gruppe, die so ''versessen" auf Infor- mationen ist, deren šberwiegende Arbeit in der Anh„ufung von Wissen und dem Fllen von Archiven besteht. Dennoch wird beispielsweise ein "Chaos Communication Congress" niemals durch ein eng geknpftes Netz von Mallboxes ersetzbar sein. Technische Kommunikation Ist immer auch reduzierte Kommuni- kation. Als kommunikationsf”rderndes Medium hat der Computer in sehr wenigen F„llen einen wirklichen Nutzen und wird nie mehr leisten k”nnen als das Telefon - im Gegenteil. Hier gilt auch, die Diskrepanz zwischen Bedeutungszuweisung, die im Interesse der Computerindustrie liegt, und den wirklichen M”g- lichkeiten der Computertechnik zu berwinden. Es máte auch gefragt werden, ob mehr Technik zwangsl„ufig auch zu mehr und zu welchen Informationsm”glichkeiten fhrt - und was aus dieser Mehrinformation an praktischen Handeln resultieren kann. Die Informationstheorie unterscheidet sinnigerweise zwischen Daten und Informationen. Daten sind im Sinne der Inforrnations- theorie quantitativ meábare Gr”áen - gemessen in bit ”der byte. Sie haben zun„chst keinen Informationsgehalt. Dieser nicht meá- bare Informationsgehalt entsteht erst dann, wenn den Daten eine Subjektive Bedeutung beigemessen wirdÄwenn sie in letztlich soziale Zusammenh„nge gestellt werden. Ohne diese Zusammen- h„nge, ohne praktischen Zweck ohne Ziele und Inhalte w„re ein alternatives Computernetz nichts weiter als ein "alternatives Btx". All'diese Fragen k”nnen im Rahmen dieses Beitrages natrlich nur angedeutet werden. Ich wrde es deshalb begráen, wenn auf dem n„chsten Chaos Communicatmn Congress" (Hamburg 28.-30. 12. 85) Arbeitsgruppen aus der Computerszene und die- jenigen, die in verschiedenen Initiativen arbeiten und ber An- wendungsm”glichkeiten der Computertechnik nachdenken, sich treffen - gegenseitig beraten, um Perspektiven zu entwickeln. Es gilt, eine Computertheorie zu erarbeiten, die als Gegenposition zur herrschenden Computermythologie gelten kann, die den respektlosen Umgang mit der Technik d.h. auch mit der dahinter stehenden Macht f”rdert und die Ehr/Furcht durchbricht. Aber - Iheorie formuliert immer ErfahrungenÄeine Theorie vor allem Handeln zu setzen w„re denkbar ein UndingÄhierzulande aber sehr beliebt. Doch weil maschinenstrmende Romantik die Ent- wicklungen ebensowenig zurckdreht wie sentimentaler Kultur- pessimismus, wird es h”chste Zeit, die kreativen Kr„fte zu vernetzen und gemeinsam gegen die verordnete Tendenz zu experimentieren. Da wird man sich gegen Technikfetischismus und Kulturpesslmismus gleichermaáen zur Wehr setzen mssen Äeine nicht leichte AufgabeÄaber wie sagte Erich K„stner so weise: Es gibt nichts Gutes, auáer man tut es! Alioscha Ischdons VOLKMPH1.WS ~731 1~2 G1~ 1 1 Endstation Bundeskriminalamt. Computerraum beim BKA in Wiesbaden mit Kartei- liften und Datensichtstationen In...