Schn”de neue Weit Der Titelheld: Seine Existenz ist eine notwendige Bedingung, er heiát Ben Hampleman (sprich H„mpelm„hn). lebt in New York und findet diesen idiotischen Namen berhaupt nicht witzig, obwohl er nun schon gut vierzig Jahre Zeit gehabt hat, sich daran zu gew”hnen. Eine n„here Charakterisierung soll hier nicht erfolgen, es sei nur vorab verraten, daá er eine Schw„che fr Karamell-Bonbons hat, eine Tatsache, die man sich ruhig merken solte, zumal sie ohne die geringste Bedeutung ist. Was bisher geschah: Nun, eigentlich nicht besonders viel, wenn man von ein paar versehentlich gestarteten Interkontinentalraketen, dem Zusammenbruch des Weltwirtschafts- ystems der Ausrottung der Wale und „hnlichem Kleinkram absieht, der ohnehin l„ngst verj„hrt ist. Wie jeden Morgen half es auch nichts, sich unter dem Kopfkissen die Ohren zuzuhalten Einmal hatte es geholfen, doch seitdem hatte das Terminal, das neben seinem Bett stand, einfach Die Lautstarke erh”ht, mit der nun die Anfangstakte von 'Im Frhtau zu Berge' durch Ben's 2 tf2 Zimmerwohnung dr”hnten. Er haáte diese Melodie; als er vor fnf Jahren hier eingezogen war, hatte er, seinem ki ndlichen Spieltrieb folgend' auf die harmlose Frage des Appartementsrechners 'Wann wnschen Sie geweckt zu werden?' mit 'Im Frhtau' geantwortet. Der Appartementrechner hatte ber Taus und Stadtteilknoten Verbindung mit dem Rechner der Sozialversicherung aufgenommen, dort den Hinweis auf die Deutschst„mmigkeit einiger Mitglieder in Ben's Ahnenreihe entdeckt und nach Hilfestellung der Datenbank 'Fremd- l„ndisches Liedgut' des Antropologischen Instituts die bereits erw„hn- te musikalische Darbietung zustande gebracht, die sich seither Mor- gen fr Morgen um 5.30 Uhr wiederholte. S„mtliche Antr„ge auf L”schung oder Žnderung der Order waren mit dem Hinweis auf [)atenschutzdestimmungen, die auch in jener Zeit dem Schutz der Daten dienten, abgelehnt worden. Mit naturwissenschattlicher Metho- de hatte Ben bereits alle g„ngigen Haushaltschemikalien wie Kaffee, CompuCola oder Joghurt in s„mtliche ™ffnungen seines Schlafzim- merterminals gegossen, aber auáer einem gr”áerem Posten 'Wartung und Pflege' auf seiner Mietabrechnung hatten sich keine Ergebnisse eingestellt. Eher aus Gewohnheit tippte er schlaftrunken 'Shit' in die Konsole, es bereitete ihm doch immer wieder ein diebisches Vergn- gen, die solcherlei verdutzten Computer mit 'I don't know how to Shit' oder 'command not known' antworten zu sehen. Diesen Morgen wurde Ben um eine lllusion „rmer: der Bildschirm riet, freundlich grnlich leuchtend: 'Du solltest morgens nicht schon so fluchen, Ben!' Irgendwer in der Zentrale schien etwas gegen ihn zu haben. 'Die Welt ist schiecht', murmelte Ben und schlurfte miámutig ins Bad. Dort warf er den Einwegpyjama in den Zentralpyrolator und lieá sich unter der Dusche die seinem Status zustehenden 75 Liter 38 Grad Celsius warmen Wassers ber den K”rper rinnen. Nur unwesentlich erfrischt begab er sich unter den Warmlufttrockner. Die Trockner hatten vor ca. 15 Jahren die aus hygienischen Grunden verbotenen Handtcher abgel”st. Wie Ben aus Erz„hlungen seiner Urgroámutter wuáte, war es seit Ende des 20. Jahrhunderts niemandem gelungen, Steuerungen fr diese Automaten zu entwickeln. Viele Leute hatten sich inzwischen mit den versengten Haaren abgefunden, andere muáten w„hrend des Trocknens st„ndig auf und ab hpfen, um die UitraschallSensoren zum Ansprechen zu bringen. Ben hatte neben der Dusche einen hitzebest„ndigen Handschuh h„ngen, den seine Mutter aus der Zeit gerettet hatte, in der die Mahlzeiten noch durch W„rmekonvektion in Metallgef„áen zubereitet wurden. Die behandschufte Hand diente, gegen den Siedendheiáen Luftstrom immun, als K”der fr die Senso- ren, w„hrend sich der Rest des K”rpers in klimatisch gem„áigteren Zonen aufhalten konnte. Nach Beendigung des Waschprogramms nahm Ben seine Arbeitskleidung aus dem Desinfektionsschrank und begab sich wieder ins Schlafzimmer, wo sich das Bett inzwischen in einen Tisch und einen Sessel verwandelt hatte. Ben hatte es schon als kleiner Junge aufgegeben, sich darber zu wundern, woher solche M”belstcke auftauchten und wohin sie wieder verschwanden. Er nahm eins der SojaBr”tchen, w„hlte die rosafarbene Brotaufstrichtube mit der Aufschrift 'Thunfischpastete', die immer so gut nach Erdbeeren schmeckte, und begann w„hrend des Frhstcks auf dem Terminal seine Post durchzubl„ttern. Er verweilte kurz bei einem Schreiben des Megarotik Versandes, obwohl das Sonderangebot von Plexi- glasBH's sicher nicht fr ihn bestimmt war. Die Jungs vom Service hatten ihm erkl„rt, daá solche Vorkommnisse, die von Laien nur allzuleicht als Irrtum fehlinterpretiert wrden, Paradebeispiele fr den ~. N~ r„t ~ == ,~_ ~ ~ . ,'~ tD ~ .= _ :~ a;: a ~ ;: a ~; p ~¯~ I/hp - U ~ -AS ~ . ~ Anne schier unglaubl”ichen Fortschritt der knstlichen Intelligenz seien. In diesem Fall hatte der MDN (mail Distribution node) festgestellt, daá 50.2% der an Ben gerichteten Schreiben ortbegrafische Fehler im Namen aufwiesen und daraus den logisch einwandfreien Schluá gezogen, daá alle Empf„nger in New York, deren Namen mit B beginnen und nicht den 10A 7 ortbegrafischen Regeln fr Personennamen gehorchen, mit Ben identisch seien. Ben verab- schiedete sich mit 'teil 1A2567C8DU I love you' von seiner Freundin Judy, die sich wahrscheinlich im Moment irgendwo an der Ostkste aufhielt, und machte sich auf den Weg. Zun„chst kletterte er šber die rostige Feuerleiter, deren Alarmkontakt schon vom vorherigen Mieter seiner Wohnung sabotiert worden war, in das Stockwerk ber ihm, denn dort wartete der eigens fr ihn terminierte Fahrstuhl, der ihn ohne Verz”gerung in das unterirdische Brozentrum der 'Nevermore Insurance Co.' brach- te. Am Eingang zu seinem Bro identifizierte er sich routinem„áig als Benson Heidelberg. Diesen Namen trug er, soweit er sich erinnern konnte, seit er beim Einstellungstest seine deutschen Urahnen erw„hnt hatte und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, der auáer dem Namen wenig mit seinen historischen Vorbildern gemein hatte. Ben war als Sachbearbeiter fr 'Potentiell system- bedingte bedingte Sachsch„den' t„tig, ein Job, der sicher nicht zu den interessantesten z„hlte, denn solange Ben hier arbeitete, war noch kein Fall vorgekommen, in dem ein Gesch„digter beweisen konnte, daá der Schaden wirklich durch das Computer- system verursacht worden war. Daher hatte die Gesch„ftsleitung auch schon vor geraumer Zeit beschlossen, Bens Arbeitsplatz wegzurationalisieren, aber da es in der Personaldatei keinen Besch„ftigten seines Namens gab, hatte ihn seine Kndigung nie erreicht. Ben rief die zur Bearbeitung anstehenden F„lle auf, drckte jedesmal nach Erscheinen einer neuen Bildschirmseite 'Abgelehnt/Anschreiben D17' und hatte so nach einer halben Stunde sein Tagespensum erledigt. Die Zeit bis zur Mittagspause vertrieb er sich mit dem Konstruieren kleiner Raumschiffe auf dem Grafiktablett, und als um 12.11 Uhr, begleitet von einer kreissagenartigen Piezofanfare, der Satz 'Was wnschen Sie zu trinken ?' auf dem Bildschirm erschien, tippte er 'OJC', fr 'orange juice', gefolgt von seiner 19stelligen Sozialversicherungsnummer ein und fand in der dafr vorgesehenen Schreibtischschublade nach einigen Minuten neben dem Standard-Vitamin-Konzentrat den gewnschten Kaffee, der ebenso prompt vom Gehaltskonto des Datenmechanikers Applevan abgebucht wurde. Aber das wuáte Ben nicht. Die zweite H„lfte seines Arbeitstages verbrachte Ben damih die Nummern auszuprobieren, die Judy von diesem Altertumsfritzen hatte, den sie vor kurzem auf einem Seminar in Baltimore kennengelernt hatte Es handelte sich dabei, wie sie sagte, um die IDs der Bibliothek des Geschichtswissenschaftli- chen Instituts. In diesen Dateien hatte Ben schon die merkwur- digsten Sachen ber alte G”tter und Mythen gefunden. Eine Instruktionsserie handelte offenbar von einem Urzeitherrscher namens 'Donkey Kong'. Ben verstand nicht viel von dem, was auf der Mattscheibe vor sich ging, aber irgendwie fand er es lustig. Nach dem solchermaáen ermodenden Arbeitstag kehrte Ben in sein Appartement zurck, nahm ein Bad, weil sonst das Abend- essen nicht ausgegeben wurde, und sah sich noch die Holovision 'Der Geist des Kryptographen' an. Mehr aus Gewohnheit teilte er dann seinem Schlafzimmerterminal mit, daá er am n„chsten Tag um 16.30 Uhr geweckt zu werden wnsche, und legt sich ins Bett. Vor dem Einschlafen z„hlte er im Geiste noch ein paar Dutzend Lochkarten, und auf der Schwelle zum Tiefschlaf streifte eine Vision den Rand seines Unterbewuátseins: Terminals in allen Farben des Regenbogens strzten zeitlugenartig in komischen Pirouetten endlose Fahrstuhlsch„chte hinab, einander aus den leeren H”hlen impl„dierter Bildr”hren ratlose Blicke zuwerfend. Ben l„chelt. Jrgen Scriba SGHOENH1.WS 850731 0506