Peter Glaser DER MAC Wie zwei Frchtchen und eine Frucht den Lauf des 20. Jahrhunderts ver„ndert haben. Peter Glaser ber 10 Jahre Apple Macintosh. Steven P. Jobs tr„umte davon, eine Beule ins Universum zu machen. Die Vorarbeiten dazu begannen Mitte der siebziger Jahre in seiner Garage in Los Altos, L.A. Sein Freund Steve Wozniak hatte einen Computer gebaut. Technofreaks waren von dem virtuosen Drahtverhau schwer beeindruckt. Jobs war 22, hatte etwas Ahnung und das Talent von Huckleberry Finn, der andere dafr bezahlen l„át, daá sie fr ihn den Gartenzaun streichen. 1976 berredete er Wozniak, seinen Job bei Hewlett-Packard aufzugeben und mit ihm eine eigene Firma zu grnden - Apple Computer Inc. Fr die meisten Menschen stand damals fest, daá Computer groá wie Kraftwerkstrafos sind und Schubkarren voll Geld kosten. Das junge Unternehmen verkaufte seinen apfelkistengroáen Apple II, eine grne Box mit Kinn, fr unter 1500 Dollar [1]. Er konnte nur Groábuchstaben ausgeben, sein Speicher faáte ein Fnfzehntel dessen, was heute auf einer Diskette Platz hat, und er hat unsere Zivilisation ver„ndert. Der phantastische Siegeszug des Personal Computers erinnert frappierend an den Erfolg einer anderen sonderbaren Erfindung der siebziger Jahre: Slime. Grner Schleim in einer miniaturisierten Plastikmlltonne. Zuvor muá es einen Moment der Khnheit gegeben haben, in dem ein Mann zu einem anderen etwas sagte wie "Laá uns ekliges Zeug in Plastikmlleimerchen verkaufen und damit reich werden". Genauso mssen sich Jobs und Wozniak eines Tages gesagt haben "Laá uns allen Menschen kleine Maschinen verkaufen, mit denen man feindliche Funksprche entschlsseln, Geschoáflugbahnen berechnen und Verwaltungsvorg„nge automatisieren kann." Etwas anderes hatte man mit Computern so gut wie nie gemacht. Es war ein kleines Stck Software, das Apple die massenwirksame Magie verlieh. Die Harvard-Studenten Bob Frankston und Dan Bricklin schrieben ein Programm, das so interessant war, daá Leute bereit waren, sich einen Computer drumrum zu kaufen. Es hieá "VisiCalc", bertrug das Prinzip der Tabellenkalkulation vom Papier auf den Computer und machte ein neues, ungemein flexibles Werkzeug daraus [2]. Ich habe mal mit "VisiCalc" und ein paar Punks einen angenehmen Abend verbracht. Irgend jemand hatte eine Diskette mit dem Programm mitgebracht. Keiner von uns hatte eine Vorstellung davon, was eine Tabellenkalkulation ist. Wir sahen K„stchen am Bildschirm und gingen davon aus, daá es sich um ein Spiel han-delt. Jemand tippte etwas ein und drckte so lange auf der Tastatur herum, bis sich etwas ver„nderte, dann war der n„chste dran. Wer das nicht mehr komisch fand, hatte verloren. 1979 war Apple ein Milliarden-Dollar-Unternehmen. Im Dezember desselben Jahres gestattete die Firma Xerox einer Gruppe von Apple-Leuten - Steve Jobs, Programmierer Bill Atkinson, Apple-Pr„sident Mike Scott und einigen Ingenieuren, die gerade an einem neuen Apple-Computer namens "Lisa" bastelten [3] - Einblick in ihre Entwicklungsabteilung im Palo Alto Research Center (PARC). Es folgte der Groáe Postraub des Informationszeitalters. Die Xerox-Forscher hatten einen Computer namens "Alto" gebaut, den die Gesch„ftsfhrung recht esoterisch fand. Er konnte in "Fenstern" Text oder Grafik anzeigen, und Befehle lieáen sich mit einer "Maus" aus PopUp-Mens abrufen, die am Bildschirm erschienen. Klick. Jobs explodierte fast vor šberschwang. "Warum macht ihr da nichts daraus?", fragte er, "Das ist revolution„r!" [4]. Fnf Jahre sp„ter hatte das Universum eine Beule. Es war an einem Tag im November 1983, als "Rolling Stone"- Autor Stephen Levy DAS LICHT sah. In einem unscheinbaren Flachbau im kalifornischen Cupertino - im "Silicon Valley" - erhielt er Einblick in das gr”áte Geheimnis seit der Frage, wer auf J.R. schoá: Eine PR-Frau zog aus einer Leinentasche den ersten Apple Macintosh. Sie steckte ihn an, schaltete ihn ein, und der Bildschirm begann weiá zu leuchten. Computerbildschirme waren seit jeher grn und derart flimmrig gewesen, daá einem nach kurzer Zeit die Tr„nen kamen. Nun war es Licht geworden. Pr„zises, klares, weiáes Licht. Seither schreibt Levy Macintosh-Kolumnen auf Macintosh- Computern. Nun, da der Computer, der "den Cyberspace schmusig gemacht hat" (Time [5]), zehn Jahre alt geworden ist, hat er ein ganzes Buch darber geschrieben [] - ein Minnelied auf den Mac. Im Februar 1981 baute Wozniak mit seinem Privatflugzeug einen Crash und konnte nicht weiter mitarbeiten. Jobs muáte bitter erkennen, daá Wozniak als die Seele von Apple angesehen wurde. Jobs betrieb, was Jef Raskin, ein Mann der ersten Stunde, einmal MDH nannte - Management Durch Herumrennen [6]. Er nahm sich ein paar Leute und baute eine eigene Entwicklungsabteilung auf. Raskin gab dem Projekt seinen Namen: Die Žpfel der Sorte Macintosh mochte er am liebsten. (Er hielt es fr einen sexistischer Akt, einem Computer einen Frauennamen zu geben). [7] Ziel des Macintosh-Projekts war es, die Technik eines Computers so bequem zu machen wie ein Wohnzimmer. Andy Hertzfeld war der Mann, der das Herz des Mac programmierte - QuickDraw, die Mutter aller Fenster, Mlleimerchen und Mauspfeile. Hertzfelds Blut, hieá es, habe die Regenbogenfarben des Apple-Firmenlogos. Die Grafikdesignerin Susan Kare trug die Verantwortung fr den "Look" [8] - Dinge wie die feinen Nadelstreifen in der Titelzeile der Fenster, die "Icons", oder das kleine Selbstportrait des Mac, das man auf dem Bildschirm sieht, wenn man ihn einschaltet (Sein l„chelndes Gesicht weist darauf hin, daá der automatische Speichertest erfolgreich war und alle Chips ok sind). Eleganz war fr Jobs ein geradezu manisches Anliegen. Schon in der Steinzeit muá sich jemand etwas dabei gedacht haben, Faustkeile nicht bloá roh zu behauen, sondern sie mhevoll glatt und rund zu schleifen, was die Funktion in keiner Weise verbessert. Den ersten Prototypen der Macintosh- Hauptplatine - die grne Plastikplatte mit den Chips drauf - wies Jobs aus „sthetischen Grnden zurck [9]. Am 22. Januar 1984, w„hrend des Superbowl-Endspiels zwischen den Oakland Raiders und den Washington Redskins lief - das erste und einzige Mal - der Spot, der den Macintosh publik machte: "1984" (Regie: Ridley Scott [10]). Zu sehen war eine junge Frau in einem Macintosh-T-Shirt, die mit einem Vorschlaghammer einen Riesenbildschirm zerschl„gt, der die PCs des Erzrivalen IBM repr„sentierte [11]. Mit dem Spot begann die Žra von Werbung als News. Die drei gr”áten US-Fernsehsender brachten Ausschnitte des Spots in ihren Abendnachrichten [12]. Der Ur-Mac hatte einen Speicher, in den gerade mal acht Seiten Text paáten. Das Kopieren einer Diskette erforderte etwa 20 Minuten und ber 50maligen Diskettenwechsel [13]. Die Bastler waren genervt, weil man an der Maschine nicht mehr basteln konnte ("Nur zu ”ffnen von autorisiertem Fachpersonal") und nichtmal mehr die Disketten aus dem Laufwerk nehmen durfte, sondern "Diskette auswerfen" anklicken muáte. Auáerdem gab es auf der Tastatur keine Cursortasten. Die Positionsmarke am Bildschirm war nur mit der Maus anzusteuern. Die Maus l”ste einen Glaubenskrieg aus. Fr die einen war es die "popul„rste Maus seit Micky", fr die anderen eine fahrbare Hilfe-Taste oder etwas wie der Ziehgriff einer digitalen Klosplung. Die Testosteronis meinten, echte M„nner benutzen keine M„use, nur Mslifresser und New Age-Spinner. Wenn du nicht weiát, was CONFIG.SYS bedeutet (eine wichtige Datei am IBM-PC, die sich liest wie die mittelhochdeutsche šbersetzung der Gebrauchsanleitung fr ein mongolisches Moped), hast du keine Haare auf der Brust [14]. Inzwischen ist der Kalte Krieg brigens vorbei, und Maus und Windows sind der letzte Schrei am PC. Der Mac verkaufte anfangs bei weitem nicht so toll wie Jobs prognostiziert hatte. Gesch„ftsleute hielten ihn fr ein Spielzeug. Die Rettung brachten zwei Programme. Das eine hieá "PageMaker". Der Programmierer Paul Brainerd nannte das zugeh”rige Anwendungsgebiet "Desktop Publishing" (DTP); ein deutscher Fachmann versuchte den Begriff mal mit "Schreibtischoberfl„chenver”ffentlichung" zu bersetzen. DTP hat innerhalb weniger Jahre die gesamte Satztechnik und Grafik revolutioniert. Das andere ging 1987 aus einen Atkinson-Projekt namens "Magic Slate" (ma- gische Schiefertafel) hervor. Es sollte ursprnglich "Wildcard" heiáen, wurde dann aber als "HyperCard" berhmt [15]. Mit HyperCard kann man Texte, Bilder und T”ne auf elektronischen Karteikarten unterbringen und diese ber sogenannte "Links" miteinander zu ganz neuen Informationsgebilden vernetzen. 1983 hatte Jobs den Pepsi-Manager John Sculley zu Apple geholt. Am 31. Mai 1985 wurde Jobs von Chairman Sculley gefeuert. Er grndete ein neues Unternehmen - Next Computer -, das keine Beule im Universum hinterlieá. 1993, als Apples Gewinne absackten, teilte Sculley das Schicksal Jobs. Seine Nachfolge trat der Deutsche Michael Spindler an, Spitzname "the Diesel" [16]. Der Apple-Standardwitz ("Der Unterschied zwischen Apple und den Pfadfindern? - Die Pfadfinder haben erwachsene Aufseher") war obsolet geworden [17]. Heute ist der Mac zu einer Personifikation des PC-Zeitalters geworden und Apple eine ganz gew”hnliche Weltfirma. Damit wir auch unterwegs noch kraftvoll zubyten k”nnen, hat das neue Jahrzehnt mit einem chicen mobilen Mac begonnen: PowerBooks sind die Statussymbole der 90er. In den letzten beiden Jahren hat Apple eine geradezu phantasmagorische Palette von Mac-Varianten aufgef„chert. Jef Ruskin's Vision eines Computers, der so ntzlich, so hbsch und (fast) so bilig wie ein Schweizer Taschenmesser sein sollte, scheint versp„tet Wirklichkeit zu werden. Der "freundliche Computer" ist komplexer - zugleich funktionsm„chtiger und komplizierter - geworden als man sich vorstellen mag. Manchmal wundert es einen, daá man auf dem Mac auch einfach tippen kann. Im brigen waren die alten Zeiten an der Schreibmaschine auch nicht ganz so schlecht. Man hat nie den ganzen Vormittag damit zugebracht, ein neues Farbband zu installieren, hatte keinerlei Veranlassung, Monatsbl„tter in der Art einer "Triumph Adler Welt" zu abonnieren und ist nicht zweimal j„hrlich nach Hannover und Mnchen zur internationalen Schreibmaschinenmesse gepilgert. Klick. Steven Levy: Insanely Great. The Life and Times of Macintosh, the Computer That Changed Everything. Viking Verlag / Penguin Books 1994. (c) Peter Glaser