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1994-11-28
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5KB
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88 lines
Die Realität des U-Boot-Kriegs
Ein Simulationsspiel fesselt den Spieler, weil seine
Kombinationsfähigkeit und sein Reaktionsvermögen auf die Probe
gestellt werden. Es geht wie bei fast jedem Spiel darum, sich mit
anderen zu messen, besser als die anderen zu sein. Dieses
natürliche Bedürfnis der Menschen wird von den meisten Spielen genutzt.
Auch der Krieg läßt sich vordergründig unter diesem
Gesichtspunkt sehen: es gibt die "eigene" Mannschaft und den
"Gegner", den es zu überlisten gilt. Unzählige Brett- und
Computerspiele nutzen daher historische und phantastische
Kriegsszenarien, um den Spieler in ihren Bann zu ziehen.
Der Krieg wird dadurch zu einem abstrakten Geschehen, in dem
mit überlegten Handlungen Punkte zu machen sind. Der Sieger ist
für Momente der Held des Tages. Die Realität des Krieges wird auf
diese Weise ausgeblendet.
Gerade die Geschichte des U-Boot-Kriegs während des 2.
Weltkriegs kann zu einer Glorifizierung und Heldenverehrung
führen, die leicht von den Vernichtungsfeldzügen der Wehrmacht
im Osten, den Bomben auf Zivilisten und der Ermordung der
europäischen Juden ablenkt und letztlich davon, daß auch die U-
Boot-Besatzungen dem Willen einer Verbrecherclique an der
Spitze des Deutschen Reiches dienten.
Bereits zu Beginn des Krieges schuf Goebbels Propagandaapparat
die Heldenfigur des U-Boot-Kommandanten. Bekanntestes Beispiel
dafür war der Kapitänleutnant Günther Prien, nachdem er 1939
mit der U 47 in den englischen Militärhafen Scapa Flow
eingedrungen war und das Schlachtschiff "Royal Oak" versenkt hatte.
Der angefachte Siegestaumel täuschte rasch darüber hinweg, daß
die U-Boot-Waffe nur ein kleiner Teil von Hitlers
Kriegsmaschinerie war; die Propaganda behauptete, daß sich
diese Erfolge einfach vervielfältigen ließen und benutzte sie in
unangemessener Weise. Der U-Boot-Krieg, das hatten Goebbels
und die Seinen schnell heraus, ließ sich besser als die Kriege der
anderen Waffengattungen für Lügen und Verdrehungen benutzen,
weil er für den Außenstehenden nicht nachprüfbar war. Und so
wurden gerade hier bis zum Schluß die absurdesten
Erfolgsmeldungen hinausposaunt.
Die Illusion, beim U-Boot-Krieg ginge es im Grunde um eine Art
Kampf "Mann gegen Mann", verliert der rasch, der sich nur ein
wenig mit den historischen Hintergründen beschäftigt. Unmittelbar
nach der Kriegserklärung Englands torpedierte U 30 den britischen
Passagierdampfer "Athenia". 112 Menschen kamen dabei ums
Leben, vor allem Frauen und Kinder. Deutschland hatte also
bereits am ersten Kriegstag das Völkerrecht verletzt.
Dementsprechend negativ war das Bild der deutschen U-Boot-
Waffe in der ganzen Welt. Überhaupt ist das U-Boot vor allem für
die Vernichtung wehrloser Opfer gemacht - denn vor allem
Handelsschiffe galt es zu treffen, und unter dem abstrakten Wort
"Tonnagekrieg" verbergen sich unzählige tote Seeleute.
Die U-Boot-Besatzungen wiederum lebten wie Maulwürfe in einem
Bergwerk. Es gab im U-Boot weder Stau- noch Provianträume und
auch keine Schlaf- und Aufenthaltsräume. Nicht selten lebten die
Besatzungen hundert Tage in ihren engen Röhren, ohne sich
einmal die Beine vertreten oder Luft schöpfen zu können. Hygiene
war unbekannt; allein letzteres konnte auf Dauer psychische
Schäden verursachen - ohne die Einwirkung irgendeines
"Feindes". Dieser aber war mit den Augen nicht wahrnehmbar, ein
abstraktes Ziel, das nicht erlebt wurde. Trotzdem wurde man vom
Krieg zermürbt: so war der U-Boot-Krieg im Kern ein
Vorgeschmack auf das gegenwärtige Zeitalter möglicher
Massenvernichtung. Der U-Boot-Krieg gehörte zweifellos zu den
grausamsten Aspekten des Zweiten Weltkriegs. Der Autor Lothar-
Günther Buchheim, der selbst auf U-Booten am Krieg
teilgenommen hat, schreibt über die Härte der Kämpfe: "Immer
öfter treiben jetzt Überlebende der abgeschossenen Schiffe in
Rettungsbooten auf den unendlichen Ozeanen. Die U-Boot-
Besatzungen versorgen sie nach Möglichkeit mit Verpflegung,
Seekarten und Kompaß. Aus Seenot retten können sie die Opfer
ihrer Torpedos nicht. Ab September 1942 dürfen die U-Boot-
Männer überhaupt nichts mehr für die Schiffbrüchigen tun (...) Ihr
eigenes mögliches Ende vor Augen, mußten die Männer die oft
hilflos in ihren Flößen oder halb abgesoffenen Kuttern wartenden
Seeleute ihren schrecklichen Ende überlassen (...) Zur Angst vor
dem Verbranntwerden kam die Angst vor dem Öl. Wenn einem
Schwimmer im Wasser Schweröl in die Lungen kam, war er schon
halb tot. Angst auch vor der Kälte, die die Glieder absterben ließ,
und (...) Angst vor dem Durst."
Als die mörderische Schlacht auf den Weltmeeren zu Ende war,
war der größte Teil der Besatzungen umgekommen. Fast 39.000
deutsche Seeleute sind auf U-Booten ausgefahren, 27.082 sind
nicht wiedergekehrt.