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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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213 lines
Seite 1 0
TELEKOM - Markenzeichen für was?
Vor mehr als fünfzig Jahren beschrieb Hans
Domizlaff die "Grundgesetze der Marken-
bildung". Sein Lehrbuch hatte den bezeichnen-
den Titel "Die Gewinnung des öffentlichen Ver-
trauens". Begriffe wie "Markenstil", "Stiltreue"
oder "Stilbruch" waren vorher im Zusammen-
hang der Markentechnik ungebräuchlich. Mit
der Privatisierung der Post stieg das Chaos im
Marken-Maukt.
Die Postprivatisierung schwappte in mehre-
ren Wellen durch die viergeteilte Post (dreimal
Wirtschaft, einmal Herrschaft) und brachte Be-
griffe wie "corporate identity" hoch und ande-
res ging den Bach runter.
"Wir sind nicht mehr, was wir waren,
aber mir san mir'`
könnte eine hajuwarische Kurzform dafür
sein. Die TELEKOM schwankt zwischen
Traditionslosigkeit und Tradition hin und her.
Erschwerend wirkt, daß es zwei wesentliche
Traditionen gibt: die Wirtschaftmacht mit Mo-
nopol-Anspruch frei nach Thurn und Taxis und
die ganzheitlich denkendeTradition eines multi-
kulturellen Heinrich von Stephan, der rund zwei
Dutzend Sprachen beherrschte und den Welt-
postverein begründete. Am freien Markt einge-
kaufte Manager"aus dem Konzern sonstwoher"
wissen das nicht unbedingt.
Die Vertrauensbasis
Eine große, im Aussterben begriffene Grund-
lage des "Markenzeichens Post" war ein gewis-
ses Grundvertrauen auf das "Postgeheimnis".
Bei allen negativen Erfahrungen unter den ver-
schiedensten Regierungs-forrnen zwischenWei-
mar und Hitler, Ulbricht und Honecker, Ade-
nauer und Kohl (* I ) gibt es in der Bevölkerung
ein Grundvertrauen auf das grundgesetzlich
verankerte "Postgeheimnis". Das ist ein Stück
Wettbewerbsvorteil der TELEKOM gegenüber
den Privaten, wenn von der ganzen undurch-
sichtigen juristischen Problematik abstrahiert
wird.
Zumindest die Skandale der Zukunft sind
schon jetzt absehbar, weil bei wenigstens einem
"privaten" Mobilfunkbetreiber mit ungehäuften
personenbezogenen Daten so gearbeitet wird,
Ausgabe 5 1
_
daß es nach dem Verständnis von Verbraucher-
schütze~n unschön bis kriminell ist. Doch auch
bei der "gelben Post" verliert die bisher in dö~f-
lichen Posthalterfamilien von Generation zu
Generation weitergegebene"Grundhaltung"
zum Postgeheimnis absehbar ihre Bedeutung,
weil ausgerechnet die Inhaber der Dorfzentrale
für Nachbarklatsch, die "Tante-Emma-Läden"
zukünftig die Postverteilung vornehmen wer-
den und noch ganz anders Wissen über ihre
Mitmenschen ansammeln werden als bisher.
Abgesehen von der bisher eher unzureichenden
Schulung der Geschäftsinhaber zu dieser Frage
werden die Skandale dazu passieren; ein Jour-
nalist kann schon heute dafür eine Schublade
reservieren. Bei der TELEKOM wird sich das
subtiler ereignen, aber eine ähnliche Tendenz.
ist absehbar.
Inqulsition und Grausamkeit
Zur "corporate identity" gehört eine Wieder-
erkenabarkeit auch durch die Farbe. Es ist klar,
daß schwarz-gelb gestreift verpackte Waren den
höchsten Aufmerksamkeitswert erregen. Aber
Zigaretten in einer solchen Packung sind kein
Renner, eher Penner. Nach Vierteilung der Post
hatte die TEBE2:KOM außer dem ausländischen
Namen auch ein Bedürfnis nach neuer Farbe:
Abkehr von schwauz-gelb.
Der Bischof von Lötrecht kann als Vorläufer
des Funkmonopols gelten, weil er schon Jahr-
zehnte vor Thurn und Taxis den Wind als me-
chanischen Vorläufer der elektrischen Wellen
(deutsch: Fernmeldewind) monopolisierte: er
kassierte von allen Müllern mit Win~l-Mühlen
eine kirchliche Abgabe für die Nutzung des
himmlischen Kindes, das Windes. Bei Berück-
sichtigung dieser Sachlage ist die heilige Farbe
der Würdennager der Inquisition "lila`' in der
modernen Reinkarnation "magenta" fernmelde-
windlogisch; hinzu kommen Einsprengsel in der
Farbe, die üblicherweise den Behörden zuge-
ordnet wird: grau. Die Farbwähler haben aber
nicht beachtet, daß die TELEKOM zum Thema
Fernmeldewind nur noch ein Mitspracherecht
hat wie jeder andere Bürger auch;Wind machen
kann sie woanders.
. .
chic ~aten~c~leuber - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende In.
Ausgabe S 1
Monopolmarken - kann es das geben' Auch
die Briefmarke ist eine Monopol-Marke. "Ge-
wachsenn" Marken entstanden anders: sie hat-
ten als Grundvoraussetzung die Fähigkeit, ei-
nen eigenen Markt zu bilden - und sei er noch
so klein.
Klein und anfangs nur lokal bedeutend wa-
ren Wässerchen von "Johann Maria Fanjina ge-
genüber dem Jülichsplatz zu Cöln". Doch 4711
schaffte es im Gegensatz zu INTELs 80586, eine
Zahlenfolge am Markt durchzusetzen. Wenn es
zu überragenden Alleinstellungen am Markt
kam, wurden manche Markenhersteller
gelegenblich als "eigentlich unerlaubte Mono-
pole" verdächtigt und teilweise befehdet.
,.! ÖL
Bei der DBP-TELEKOM war das genau an-
dersherum. Ihr Markt war 100% und wer daran
tastete, bekam eine Gefängnisdrohung oder
"nur'` die Keule desWettbewerbsrechts (UWC).
Dem Polizisten dient der Gummiknüppel zur
Verteidigung des Rechtsstaates und der
TELEKOM das UWG zur Verteidigung ihres
Monopols.
Anders als viele, heute in aller Welt verbrei-
teten Markenartikel hat die TELEKOM neue
Absatzgebiete nicht erobert, sondern war in der
Tradition des FT:Z auf Marktabschottung und
Floflieferantenmonopol spezialisiert.
Um die "ewige Liste" der Programmierspra-
che VATIKAL nicht zu überfordern, hier nur ein
Seite 1 1
paar Beispiele: Die Festlegung der CEPT-No~m
bei Btx diente der Marktabschottung gegen eng-
lische Vtx-Geräte und gegen billige französi-
sche Minitel. Das Verbot der AT-Befehle bei
Modems und das Verbot der automatischen An-
passung der Modem-Geschwindigkeit sollte
ausländische Anbieter vom deutschen Markt
fernhalten; gleiches galt für "den dritten Draht"
am Telefon, die W-Ader: die international übli-
chen Zweidraht-Telefone waren von vornher
ein vom deutschen Markt ausgeschlossen, weil
ihnen der "deutsche I )raht" fehlte (Telefon ohne
W? Anschluß ist strafbar nach FAG 15.1 bei
max. 5 Jahre Knast).
Nach der Grundregel "was wir nicht kennen,
ist verboten" hat die TELEKOM sogar verbo-
ten, die Öffnung des Brandenburger Tores per
Satellit weltweit zu übertragen. Die hübsche
Begründung: zum Satelliten kann man nur sta-
tionär senden und für mobile Satelliten-Uplink-
Stationen gab es in der BRD damals noch keine
Zulassungsrichtlinien und deshalb ist das Ding
unzulässig' egal in welchem Land das sonst
genehmigt ist; packt das Ding sofort wieder ins
Flugzeug und karrt es dorthin, wo ihr es her habt.
Nina Hagen, die Ende 1994 in einem TV-
Werbespot derTELEKOMA.G. vom Mauerfall,
S atellitenübertragung und Korn munikations-
freiheit schwärmte, hat sich wohl nur für den
A.G.-Werbespot einkaufen lassen, weil sie von
der "Brandenburger Torheit" der TELEKOM
nichts wußte.
Erst heftige Interventionen des Satelliten-
betreibers von Panamsat, ReneAnselmo, beweg-
ten den damaligen Bundespostminister zu ei-
nem Einlenken und einer "Genehmigung" für
"nicht genehmigungsfähige Geräte" - Voraus-
setzung, um die Öffnung des Brandenburger
Tores per Fernmeldewind weltweit zu senden.
Es ist im Rückblick interessant, welcheTV-Jour-
nalisten von dieser"Brandenburger Torheit`'
wußten und wer sich (nicht) getraut hat, das zu
berichten.
Daß ein simples Gerät wie eine mobile Sat-
Sendestation für Postbeamte eine "wundersa-
me Erscheinung" eines "unvorstellbaren Gerä-
tes" war, ist eine Folge der Trennung zwischen
Die :£ntcn~chleu~cr - Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende ~