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Text File  |  1997-02-28  |  5.0 KB  |  127 lines

  1. sehen
  2.  
  3. · ~ ~ ─~ ~ ~ ~ ~ ─ ~ ~ ~ ~ ~ ~
  4.  
  5. Leute haben. Die müssen teilweise den ganzen Tag Fernsehen
  6. gucken und darüber befinden. Sozusagen psychische Folter
  7. gegen finanzielle Entschädigung.
  8.  
  9. In einer halben Stunde die Dienste des Internet zu erklären und
  10. vorzuführen, war zwar nicht wirklich in der ausführlichen
  11. Variante möglich, aber irgendwie zumindest im groben. Meine
  12. Vorgabe war, denen nicht nur zu vermitteln, an welche techni-
  13. schen Probleme Informationsblockaden stoßen, sondern vor
  14. allem, warum das aus gesellschaftlicher Sicht nicht sinnvoll ist.
  15. Kernkonflikt ist für mich dabei Kanal- gegen
  16. Kommunikationsmodell, genauer: repräsentativ gegen interak-
  17. tiv.
  18.  
  19. Denn die Vorstellung, man müsse zum Schutz der Gesinnung
  20. repräsentativ für den Zuschauer sorgen, kontrollieren und zen-
  21. sieren stammt genauso wie das Fernsehen selbst aus der alten
  22. repräsentativen Medienwelt. Im Fernsehen wird für einen
  23. gedacht, gehandelt und getan. Genau das halte ich für den ver-
  24. dammenden Faktor. Durch eine Teilnahmesimulation am
  25. Geschehen wird im Gehirn ein Prozess ohne eigene Teilnahme
  26. projiziert. Das so Erlebte ist aber eben nicht erlebt, sondern nur
  27. rezipiert. Denn durch reinen Medienkonsum - oder etwas netter
  28. formuliert, durch reine Informationsaufnahme - entsteht noch
  29. keine Weisheit.
  30.  
  31. Nur durch verstandene Erfahrung entsteht Bewußtsein, wenn
  32. überhaupt. Also etwa
  33.  
  34. Erfahrung + Information (Verständnis)=
  35. Bewusstseen
  36.  
  37. Das Schöne an Kommunikation ist, daß man dadurch Erfahrung
  38. macht. Will sagen, man muß nicht gegen jede Wand selbst fah-
  39. ren, es genügt oft, mit jemandem zu reden, der es gemacht hat.
  40. Und manchmal sogar, mit jemandem die Möglichkeit des
  41. Vorhandenseins der Wand mit Hilfe Dritter zu erörtern.
  42.  
  43. Die Förderung freier und ungehinderter Kommunikation steht
  44. vielleicht aus diesem Grund sogar in der Satzung des Chaos
  45. Computer Club. Inzwischen habe ich für mich jedenfalls klar,
  46. wie wichtig dieser Gedanke ist. Und das ist sozusagen das
  47. Kommunikationsmodell, interaktiv. Damit meine ich sozusagen
  48. die volle Interaktivität zwischen den Teilnehmern. Wer
  49. Interaktivität auf die "Auswahlinteraktivität" einer
  50. Fernbedienung reduziert, begeht eigentlich ein Verbrechen am
  51. Wort, wenn nicht an der Menschheit. Mit der Errichtung einer
  52. technischen Infrastruktur, die volle Kommunikationsinterakti-
  53. vität zu]ässt, ist allerdings noch keine Vernetzung der
  54.  
  55.     Wie ~nten~c~leu~cr
  56. Nummer 57, Dezember 1996
  57.  
  58. Teilnehmergehirne erreicht. Oder, um es mit Waus Worten zu
  59. formulieren: durch technische Netzwerke entstehen keine sozia-
  60. len Netzwerke. Zumindest nicht zwangsläufig
  61.  
  62. 1
  63.  
  64. Erwähnenswert erscheint mir im Rahmen dieses
  65. Gedankenspiels noch etwas, was ich im Rahmen einer
  66. Podiumsdiskussion auf den "Multimediatagen Schleswig-
  67. Holstein" neulich erlebte. Zusammen mit Helmut Thoma,
  68. Geschäftsführer von RTL und einigen anderen
  69. "Persönlichkeiten" durften wir laut über die Frage nach der
  70. zukünftigen :Entwicklung sinieren.
  71.  
  72. Thoma war vor mir dran und kam gleich zum Kern:
  73. "Aber der Konsument will doch gar keine
  74. Interaktivität, der will Unterhaltung, Sport und
  75. Spannung" faßte er seine Auffassung etwa zusammen.
  76.  
  77. Auf meine zunächst vorsichtig formulierte Frage, ob
  78. denn das Fernsehen den Menschen nicht in eine Rolle
  79. presse, aus der er gar nicht mehr herauskommt und nur
  80. die Auswahl zwischen den verschiedenen Programmen
  81. und dem Ausschalter (noch) lässt und vor allem' ob
  82. denn die Möglichkeit einer aktiven Mediennutzung erst
  83. einmal geschaffen werden müsse, um zu beurteilen,
  84. welche Anforderungen die Menschen haben, wußte
  85. Thoma gleich die Antwort: "Der Konsument will das nicht."
  86.  
  87. Ich dachte zunächst, er hätte mich nicht verstanden. Und führte
  88. das noch etwas aus: Es wäre ja zumindest möglich, daß ein ver-
  89. änderter Mediengebrauch (vom Konsumenten hin zum
  90. Aktivbenutzer) durch veränderte ("neue") Medien eintritt.
  91. Doch - wie ich schließlich einsehen mußte - scheiterte das
  92. Gespräch und der Informationsaustausch an einem begriffli-
  93. chen Definitionsproblem. Jedesmal, wenn ich "Mensch" sagte,
  94. verstand Thoma "Konsoment". Traurig, aber wahr. Für ihn
  95. besteht die Menschheit aus Konsumenten - andere Bilder passen
  96. da nicht rein.
  97.  
  98. Im Grund genommen, möchte ich abschließend sinnieren, hat
  99. sich Thoma in seiner eigenen VR eingeschlossen: in einer
  100. Begriffswelt, aus der er blöderweise nicht mehr rauskommt
  101. Dumm gelaufen. Viel dummer gelaufen ist allerdings die
  102. Entwicklung - die beschert Thoma wohl Zeit seines Lebens noch
  103. ein fettes Einkommen. Und wir und zukünftige Generationen
  104. müssen dann mit den so produzierten Konsumenten klarkom-
  105. men. Elleibt als Trost nur Wargames: "Things will never be the
  106. same. Ar~dy M.-M.
  107.  
  108. Die ~nten~c~leuber
  109. Nummer 57, Dezember 1996
  110.  
  111. Ralt 8runows~y
  112.  
  113. Herr Thoma, was ist mit dem Vorwurf, daß
  114. das Fernsehen das Aktivitätspotential syste-
  115. matisch abgebaut hat?
  116.  
  117. Prof. Or. ffelmuf Thoma
  118.  
  119. Das haben Unterhallungsangebote schon seit
  120. dem Altertun' an sich Auch in einer Oper
  121. kann man nicht eingreifen und den Hange
  122. lungsahlaul wesentlich verändern. Da Wöhrden
  123. kleine Revolutionen ges<:hohen.
  124.  
  125. · ·
  126.  
  127.