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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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10KB
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244 lines
die innersten Geheimnisse erobern zu lassen,
und der Allmachtsgefühie, die der Computer
durch eine Vielfalt an Simulationsmöglichkeiten,
vom Nachtflug bis zur psychologischen Beratung,
hervorrufen kann.
Winter4. Kerstin ist sauer, weil Sven und ich
uns beim Frühstück nur noch in BASIC unterhal-
ten (IF HUNGER THEN GOTO ALDI:RETURN) und
auch die Witze einschlägig werden (Asterix und
die Daten, featuring Tullius Datenbus). Sven ent-
wickelt seine Vorstellungen, wie ein russicher
Mikrocomputer aussehen könnte, vom kohiebe-
triebenen Dampfprozessor im groben Bakelitge-
hause mit Außenbord-Startleine weiter zum Ma-
rionettenrechner, der via Seilzug von einer Schar
dissidenter Naturwissenschaftler im Keller be-
trieben wird. Und ich bemerke, wenn ich mit
anderen Leuten spreche, einen missionarischen
Ton in meiner Stimme. Ich rede wie ein hochhe-
zahiter Computervertreter mal Autofanatiker
("von Null auf Hundert in vier Nanosekunden'')
dividiert durch Künstler ("Ich werde die Lyriker
wegrational isieren''~.
Sven schreibt ein kilometerlanges Spiel-
Programm aus Eineßzeitschrift ab. und eigentlich
hätte es ein PAC-MAN werden sollen, der sich
durch ein Labyrinth von Punkten und Vitaminpil-
len hindurchfrißt. Als er das Programm nach drei
durchtippten Nachten startet, frißt es sich selbst
auf, und nur eine Handvoll verstümmelte Anwei-
sungen bleibt zurück. Mit unserer Telefondaten-
bank braucht man etwa die zwanzigfache Zeit,
um an eine Adresse zu gelangen als mit einem
Registerbuchlein, das man auch in die Jackenta-
sche stecken kann. Und die Träume von raumli-
chen Grafiken, die sich in eleganten Verlaufen
auf dem Bildschirm verwandeln, verblassen wäh-
rend der vier Stunden Rechenzeit, die der Com-
puter zum Aufbau eines dieser dekorativen 3~}-
Funktions-SomUreros benötigt. Die Sylvester-
stimmung legt sich.
Frühjahr 1984. Wir trösten uns in der Welt der
schnellen Spiele und reißen innerhalb von zwei
Monaten zwei Joysticks kaputt. Ich laufe vier
Millimeter Bartwuchs iang mit ',Loderunner''
durch Irrgarten. Sieben Wochen später erreiche
ich erstmals den 30. Level. [)as Spiel hat etwa
900 Levek
Sven gelangt in ''Fort Apocaiypse" in die Blaue
Zone. Aufregung ebenso als das Giri am 'Astrid
Poker'~-Bildschirm erstmals die Bluse auszieht.
Das Abenteuerspiel "Hitchhiker" kontert die Ein-
gabe HELP mit "It's no times for Beatles-Hits,
boys". "The Dallas Quest", wo man zu Anfang
Sue Ellen im Wohnzimmer der Southfork Ranch
begegnet, mahnt den Aktionsvorschlag ''Fuck
Sue Ellen" an mit einem "Watch your ianguage".
Schließlich gerät auch Kerstin in den Sog eines
Abenteuerspiels und wir suchen vier Tage lang
durch 16 Länder hindurch nach dem "Stein der
Weisen", bis kurz vor dem Ziel durch einen
Programmfehler das ganze Spiel abstürzt.
-
/~L
Ich kann nachts nicht einschlafen weil die
"loderunnert'-Männchen hinter den geschlosse-
nen Augen weiterwimmeln, und weil ds WEITER-
I\AACHEN nicht enden will, das den Reiz der
Spiele ausmacht, da es nichts zu gewinnen gibt
als Punktesummen, die in der "Hall of Fame"
verbucht werden
Sommer 1984. Nur mit einem Walkman und einer
Schreibmaschine ausgerüstet verbringe ich drei
Monate auf dem Land. Zu Anfang macht mir der
Großstadt-Entzug etwas zu schaffen und ich wün-
sche mir ein Notpaket mit einer kleinen Asphalt-
scholle, einem Stück Sichtbeton und einem klir-
renden Neonrohrchen. Nach einer Weile verdun-
stet das nervöse Informationsflimmern aus der
Seele in die blaue Sommerhitze und ich kann
von Computern ruhig und schlicht reden wie von
Radioapparaten und Apfelbäumen. Im CHIP-
Magazin lese ich etwas über ROBOT-Ställe in
amerikanischen Großfarmen und über "Software
zur Kuherkennung".
Herbst 1984. Zurück in Hamburg erliege ich
neuerlich dem Legekitzel. Es gabe so viel schö-
nes Spielzeug, das man an den Computer an-
schließen kann: Grafiktablett oder Lichtgriffel, um
auf dem Bildschirm zu zeichnen; Sprachausga-
bemodule; Digitizer mit denen Realbilder vom
Videoband im Rechner weiterverarbeitet werden
können, Licht- und Feuchtigkeitssensoren, Kia-
viaturen und Mischpulte; etc.
Ich schaffe mir einen grafikfähigen Drucker und
einen flimmerfreien und entspiegelten Monitor
an und steige von der Schreibmaschine auf ein
Textverarbeitungsprogramm um.
Es gibt einen kleinen Schmerz, der Abschied
heißt: das Schreiben, ohnehin nur hauchdünn
stofflich in Gestalt der schwarzen Buchstabenab-
drücke auf dem Papier, wird vollends immateriell:
Lichtspuren auf dem Bildschirm. Dem gegenüber
sind die Bearbeitungs- und Korrekturkomforts
der Textverarbeitung bestechend und die Papier-
gebirge auf dem Schreibtisch verschwinden hun-
dertseitenwetse auf den postkartengrollen Dis-
ketten. Dadurch vereinfacht sich auch die Ver-
nichtung lastiger Romanmanuskripte wesentlich:
man braucht nur noch einen Schluck Kaffee über
das Speicherscheibchen zu gießen.
Winter 1984. St. Pauli als Wohngegend ist gut für
die City-Romantik und schlecht für die Nerven.
Ich ziehe um in eine Gegend mit Nachtruhe, baue
den Computer in ein praktisches Cockpit und
richte die übrige Wohnung orientiert an dem
zentralen Möbel ein. Mir ist, als wäre zwei Jahre
lang ein Freund mit geöffneter Bauchdecke vor
mir gesessen und nun ist alles verheilt; endlich
hat der Peripherie- und Kabelsalat ein Ende.
Einzwei Rückfalle in orgiastisches Programmie-
ren, und gemessene Missionierungstätigkeit
hauptsächlich bei Frauen; sonst angenehme Ar-
beit mit dem Wordprocessor und mit
Archivierungs- und Zettelkastensystemen. Win-
terstimmungen, die Diskettenstation lrneine Da-
tennähmaschine) rahert leise während eines
Speicherdurchgangs und drauflen schneit es.
Vorfrubling 1985. Ich lerne Sys kennen, einen
Datenjaguar, ein sympathisches Raubtier. Sys
sieht aus, als könne man ihn mit einem Löschblatt
bewußtlos schlagen, und er flaniert mit beiden
Händen in den Hosentaschen durch die interna-
tionalen Computernetze ("Small brother is lat-
sching through"}. Er kennt viele Hintertüren und
Software-Klofenster, durch die man in eine Re-
chenanlage einsteigen kann. Damit sind wir wie-
der bei den Nylonstrümpfen vom Anfang: Die
Computersysteme und Sicherheitsmechanismen
werden immer feiner und engmaschiger; dafür
gibt es immer mehr Löcher.
Sys zeigt mir, wie man durch das Globale Dorf
reist, durch Computer und Großrechenanlagen
rings um die Welt: Erst Patex-D, eine Art Date-
nautobahn der Bundespost anwählen, derb Tele-
fonhörer in die Manschetten eines Akustikkop-
plers stecken und eine NUI (Netzwerk User Iden-
tität) eingeben; auf gehts. Ich versuche es selbst
und lege den Zutritt für Datex-P für eine Viertel-
stunde lahm. Sys macht mich darauf aufmerksam,
was es für politische Folgen haben konnte, wenn
es uns gelänge, meine Fehlerkette zu reprodu-
zieren.
Knotenrechner, vergleichbar mit groffen Auto-
bahnkreuzen, führen uns weiter in internationale
Netze. Wo sind wir gerad? Sys findet das unwich-
tig Ich bin aufgeregt wie in eiderfliegenden
Geisterbahn. in den Eingangszeilen des Rech-
ners, mit dem wir gerade verbunden sind, steht
die aktuelle Ortszeit, und mit Hilfe einer Weltzeit-
tabelle und einer Kleinen Weltkarte in meinem
Kalender lassen sich die zivilisierten Gebiete
einpeile, in denen der andere Computer stehen
könnte. Der Gebuherenzahler am Telefon kreucht
alle paar Minuten eine Einheit weiter; Datenfern-
verbindungen sind relativ billig.
Ich habe das Comnputeralphabet gelernt, nun
möchte ich auch damit aktiv werden: mailboxon
(BIitzfernschreiben)' Bilder und Töne übertragen,
in großen Datenbanken wühlen, oder im Delphi
Network das Orakel konsultieren, das jede Frage
beantwortet. Sys fuhrt mich an einen Rechner,
an dem ich Zutrittscode raten kann, und geht sich
in der Küche ein Käsebrot machen.
Ich lasse mich alle zehn Sekunden aus der
Abfrage werfen, bis die Maschine plötzlich auf
eine Quatsch-Eingabe antwortet. Ich gebe noch
einen ironischen Satz ein, die Maschine entge-
gnet genauso ironisch und ich bin beeindruckt.
Ich kenne passable Gesprächssimulationen. aber
die hier ist splendid. Noch ein paar Scherzchen,
und der Computer blödelt gekonnt zurück. Das
Programm müssen famose Leute entworfen ha-
ben. Dann kommt Sys aus der Kuche zurück und
erklärt mir, daß ich mich nicht mit dem Computer
unterhalte, sondern einem Netzflaneur begegnet
und nun On Line bin.
Da ist es wieder- Das Basic-Gefühl.
Peter Glaser, 1985
basicgh1.ws
1
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~"~Q Äfft
i:?-C: :'~?
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N~S1A~ d1 ~