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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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9KB
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250 lines
Datenschleuderer unter sich
Die I. Hacker-Tagung in Hamburg
Bericht von Werner Pieper
"Informarforz - where con I ger some?
Informanan─that's wkatineedsome
Live me a lirtle Information. . .
If only I couid Und a way. . . what
need Es u lead, but 1 doch know
where to Start... Information"
Dave Edmunds, Information
Ich laufe durchs winterliche Eidelstedt.
Eben bin ich mit dem Nachtzug ange-
kommen. Nun suche ich das Bürger-
haus. Dort findet die erste Tagung des
Chaos Computer Club statt' der Com-
puter Hacker Verschwörung. Dave Ed-
munds Information' hallt mit maxima-
ler Lautstärke vom Walkman in meine
grauen Zellen. Aufwachen! Bürgerhaus!
Treten Sie ein.
Das Tagungshaus hat äußerlich den
Charme eines Behördenhauses der DD~
aus den Fünfzigern. Gerade freue ich
mich über das Erfolgserlebnis, den Ein-
gang hinten gefunden zu gaben, schon
stürzt ein Knabe mit fanatischen Augen
und einem Detektor auf mich zu. "Foto-
apparat? Waffen?'. Der Piepser piepst
wie verrückt. Aber eine Körper-und Ta-
schenkontrolle fördert nichts Unerlaub-
tes zu Tage. OK. Eine Karte bitte (Ein-
tritt für zwei Tage 30 DM, für Mitglieder
20 DM, für Frauen 10 DM, für die Pres-
se 50 DM). Glücklicherweise habe ich
die Ankündigungen genau gelesen und
ein gefordertes Paßbild dabei. Das wird
in den Ansteckausweis geklebt, auf dem
auch dein Name (muß Ja nicht der richti-
ge sein) und deine Spezialgebiete einge-
tragen werden. PC? Funkt BTX? Engl.?
Mein Vorsatz hellwach zu werden wird
durch die bequemen Sessel im Archiv-
und Kopierraum zunichte gemacht. Ich
bin pünktlich. Aber ein Dutzend anderer
waren pünktlicher: sie haben schon eine
Nacht durchgemacht. Für nicht wenige
ist dies die erste von drei Nächten ohne
nennenswerten Schlaf.
Überall stehen elektronische Versu-
chungen herum: mehrere Videomaschi-
nen kopieren ("Dr. Wau's gesammelte
Auftritte in ARD u. ZDFi' u.a.), der
fürs Wochenende zur Verfügung gestell-
te Fotokopierer kommt überhaupt nie
zur Ruhe und im Computerraum unten
geht man mit den Bits nicht zimperlich
um. Nix von wegen ,Bitte ein Bitl'. Hier
gehts um Megabites, so scheint mir.
Die Tagung findet in mehreren Räu-
men in zwei Stockwerken statt. Die
Hauskommunikation erfolgt mit Hilfe
von Feuerwehrtelefonen zum Kurbeln.
Der Besucherstrom setzt ein. Viele Leute
suchen einen Platz für ihren Schlafsack.
Ob sie ihn wirklich brauchen werden?
Frühe Ausgaben der DATENSCHLEU-
DER, dem Vereinsorgan des CCC wer-
den verlangt und müssen kopiert wer-
den. Die DATENSCHLEUDER ist
meist bald vergriffen. Chaos Aufkleber?
Abhöraufkleber? ,With Chaos you can't
go wrang'' Chaos Paraphernalia.
rät
Ich setz mich ins Archiv und blätter in
herumliegenden Papieren. ,Security
of Sensitive Areas in working hours─
The new philosophy.'─,Proof of Iden-
titiy─A review'. Infos des Bundesmini-
sters des Innern. ,Innere Sicherheit' auf
Graupapier, lOO~o schonend. Immer
mehr Jungs schauen herein. Eigentlich
nur Jungs. Auch in den kommenden
zwei Tagen wird es kaum Frauen geben
hier. Hacken ist eine Männerdomäne.
Die einzigen Frauen die auftauchen wer-
den sind die Fernsehassistentinnen. So
gesehen ist das ganze recht un-sexy. An-
dererseits ist es ein Vergnügen, so viele
pickelige unattraktive Jünglinge, so gut
drauf zu erleben. Die Jungs wissen, daß
sie ein Ding gefunden haben, das span-
nender ist als Disco. Nix ,No Future'r:
Hier sind die lustigen Hackerbuam. Alle
auf einem Haufen . Das ist was anderes
als die endlosen Nächte daheim vor dem
einsamen Terminal, die man ihnen Je-
doch ansieht. Etliche blasse Gesichter
führen Selbstgespräche.
Stimmengewirr reißt mich aus meinen
l~auschalbeobachtungen. Zumal, was
soll ich klagen, hab ich mir doch ein
20 DM-Zimmer auf der Reeperbahn ge-
mietet wo meine Provinzleraugen genug
von der andern Seite der menschlichen
Medaille sehen. "ln der WDR Computer
bin ich leicht reingekommen'"
"Echt?!". Im Hauscafe wird schon heftig
gefachsimpelt. Drei bayrische Junghak-
ker versuchen ihre selbstgebastelte Hak-
kerzeitung zu verkaufen. Was für ein Er-
folgserlebnis für sie, als ich eine erstehe.
Sie haben nur ein paar Stunden Zeit und
müssen dann wieder nach München. Ob
die Eltern das ahnen? Aber vielleicht
waren die damals ebenso pfiffig um mal
in den Starclub zu kommen. Ich bin in ei-
nem Haufen Mutanten gelandet. Alle
reden und ich verstehe Bahnhof.
Im Computer-Raum Dimmern die
Bildschirme. Unerklärliche Zahlenko-
lonnen auf laufendem Meter. Vor jedem
der 20 Monitore sitzt/steht eine Traube
Neu-Gieriger. Jungs tauschen Disketten
wie ihre Vorväter Briefmarken. Der heu-
tige Vorteil: die Schätze lassen sich ko-
pieren.
Das erzählte mir auch ein Segeltuch-
macher im Hafen. "Was, bei der' Hak-
kern sind Sie? Das sind doch die Piraten
vor' heute. Sie kupernfremde Schiffe und
rauberz die Schätze. Nur Fristdecher als
früher. "
Vor einiger Zeit war ich auf einer eu-
ropäischen Fachmesse für technische
Kommunikation. Dort gab es 180 Vor-
träge in zwei Tagen und genausoviel
Fachchinesisch wie hier. Aber was für
Unterschiede. Dort war alles gezwun-
gen, nur Krawattenträger und Graurök-
ke, Wichtigtuer und Blasierte. Hier ist
Leben.
Da hängt einer am BÜX, soll ich ihn
rausschmeißen? ruft jemand aus der
Kommandozentrale. Gefragt wird Wau.
Waü sagt: ,Jau!~. Waü hatte dereinst die
Chaos-Vision, und die Wirklichkeit hat
ihn einfach positiv überrumpelt. Er ist
Veranstalter, Hauptredner, Ansprech-
person für die Presse wie Provinzhacker.
Er hat ja auch erst letzthin den Coup mit
den 130000 DM gelandet. Er kann es
sich leisten, schmunzelnd eine Essensein-
ladung von dem Schwarz-Schilling aus-
zuschlagen. Er sieht verwegen aus. Gera-
de wie ein Piratenkäpten. Er erzählt im
Vortragsraum was über MaIlboxen. Ich
mul3 mich erst langsam an die Sprache
gewöhnen: An Sternchen Verdeern nllr
die Post . . . es muß so einfach wie Flip-
pern sein . . . Incom Mai/ Box ist OK . . .
Andere haben zu komplizierte Befehis-
spracken . . . Mainoxer Sturzen noch ah
... Mall Box ist zei/enorientier' ...
BTX seitenorientiert ... Dann stürzt
Wau mitten im Satz selber ab. Moment,
ich bin kurz draußen. Kein Wunder,
schon eine Nacht durchgemacht, und
der Streß nimmt zu. Die Multi User Box
ist ein Ziel, aber finanzieR nickt erreich-
bar. Zur Telebox will ich nicht viel sa-
gen, die spricht gegen sich selbst....
Mit Löschbefehlen wie, /all ' streut man
den Leutendoc}2 Scheibe ins Hirn ...
Unterliegen Hausklingeln der Genehmi-
gungspflicht? A ach eine Türklingel be-
de7~tet einen ,rar~müherschreitenden Da-
tenvericehr'. Warum sollen dann Mo-
dems aus selbstgebastelten C~mmistöp-
seln anmeldepflichtig sein? Die Postho-
heit sollte an der Steckdose endend
Apotheker benutzen unangemeldete
Modems. Bei legalen Problemen maß
einfach jeder selber wissen, wie eng er
das sehen wil/., Und wenn ungebetener
Besuch von der Post kommt, so sagen
sie ihm durch den Briefschlitz der Tiir:
,Rufen Sie mich doch bitte vorher an.'
Auch ein Postler braucht einen Haus-
durchsuchungsbefehl. Das ist Er Pro-
blem. Die eine Seite, die Post, versteht
nichts, aber dürftet die die argödere Seite
─die Polizei, versteht, aber darf nicht.
Postlernfitze sind gut, und Wau's Hu-
mor kommt allemal rüber. Auf die gute
englische Art. Ein Hacker macht einen
Fehler rar einmal versehentlich─fort-
an mit Absicht. Man dankt ihm mit sat-
tem Applaus, und er gibt noch einen gu-
ten Tip für Telefonfreaks: Die B2`ndes-
post hat [hefte und Bücher zum Thema
Telefon. Da steht alles drin, um ein Tele-
fonsystem zu verstehen. Und wenn man
es versteht kann man damit arbeiten.
Vor allem, was zwischen den Zeilen
steht, ist das Geld wer'. Jaja, hier haben
oft die dümmsten Sätze die tiefste Be-
deutung. Aber manchmal auch nicht.
Im Zoo ist ein Delphinbaby gstorben.
ich mache einen Reeperbahnbumme],
esse und laufe gegen Mitternacht wieder
im Tagungszentrum ein-. Da sitzen 20
hard core Hacker und hacken. Hands on
Lid