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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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12KB
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262 lines
Testout of Conga?
Wir haben uns in Steffens Eppendorter Wohnung zu-
sammengesetzt. Sein Heim gleicht eher einem Fach-
geschäft für Personal-Computer. Die Kühlgebläse er-
zeugen das für einen Hacker beruhigende Hintergrun-
drauschen~ Monitore signalisieren in giftgrüner Schrift.
daß sie betriebsbereit sind. Steffen' hochaufgeschos-
sen. schlaksig. vierundzwanzig Jahre alt, bewegt sich
wiccinFlugloiseimKontrollzentrumeine~Flughafens,
doch laufen hier nicht Positionsdaten von Airlinern
auf. sondern Anfragen von Computer-Kids: Wie ist
diese oder jene Platine für meinen Rechner zu löten?
Oder auch schon mal die Bitte eines Freundes. Steffen
soll über Bildschirmtext eine Nachricht weiterleiten
seit Stunden versuche man schon eine Telefonverbin-
dung herzustellen' doch der Anschluß sei ständig
besetzt Rückruf erwünscht.''
"CCC ': "Die Hacker sind so was wie Spechte im Wald.
die in die Baume Löcher hineinhacken, sich reinsetzen
und drin wohnen für 'ne Zeit und dann sich ein neues
Nest suchen. Manchmal wird auch was drin ausgebrü-
tet. Das kommt vor. Aber deshalb stirbt der deutsche
Wald nicht. Auch wenn einige das vielleicht behaupten
mögen. Nur fliegen Hacker jetzt nicht durch die Luft
und hacken Löcher In Baume, sondern wohnen in den
Rechnern und gucken sich um, was da so am laufen
ist. Sie fliegen durch die Datennetze statt durch die
Luft. "
.,Steffen. Wau und Vic sind deutsche Hacker. Über der
Programmiererei haben sie noch nicht den Wald ver-
gessen. Wau. mit vierunddreißig schon der Senior
unter den Hamburger Hackern. gibt zu, daß er nach
einer Nacht am Bildschirm sich schon mal gern am
grünen Rand der Alster entstannt und den Enten
zuschaut Vic. dreizehn Jahre junger. hat dagegen
einen Stil kultiviert, den man schon eher bei einem
High-Technology-Jünger vermutet. Müßiggang. das
heißt Zur ihn. nachts allein im Auto bei Kassettenmusik
über Landstraßen zu rauschen. Und dann kann schon
mal passieren, wovon er in der neuesten Datenschieu-
der. dem Informationsblättchen des CGC, des Chaos
Computer Club in der für ihn typischen Schreibe
erzahnt Er nennt das Autohacking "
''Plotzlich ist da so ein gelb lackierter Glaskasten am
Straßenrand. Der Datenkoffer wi rd rasch zur Hand
genommen und säuberlich ausgepackt. Man nimmt
den unförmigen Schnorchel der gelben Datentankstel-
le aus der Zaptsaule und steckt ihn in den CCC-
geprüften EinfuFlstutzen. Die Tankgroschen fallen klo-
ternd in den betagten Münzer und es wird zwischen
blormalmailbox, Supermailbox oder PADgas gewählt.
Der langen Leitung folgend begibt man sich in den
Schutz der molligen Dose. Zwischen bzw. auf den
Kanten beider Vordersitzmöbel wartet schon die alt-
vertraute Texi-Tastatur (tragbarer Computer M10,
TRS100 o. PX8 d.Sazzer) und das lobenswert lesbare
LC~Display. "
"Zwischenbemerkung: der Hacker-Jargon sollte nicht
darüber hinwegtauschen. daß hier eigentlich nur über
eine Art Telefonat zwischen Computern berichtet wird
(zwischen Menschen an Computern. d. Sazzer). Aber
das ganze muß natürlich noch eine Pointe haben. Vic
erzählt werter:''
'Während des Genusses von 'Hotel Calilorniat und
der Hermes-VAX (VAX: C)roßrechnertyp, d. S.) kracht
es piotzlich. Verärgert durch die vielen hochmathema-
tisch anmutenden Sonderzeichen auf dem Display
blicke ich auf. um deren Ursache zu erfassen So ein
blöder Radfahrer hat das Kabel beim überqueren
mitgerissen! "
..Die Bekanntschaft mit Steffen, Vic und Wau hat mein
Bild von den Hackern zurechtgeruckt Wenn die drei
typisch tur die deutsche Szene sind - immerhin geho-
ren sie ja zu den herausragenden Vertretern (nur zu
List
und Lust
der Hacker
Uberarbeifefes/ergänztes Gespräch
von "Joachim Hans MüRer', und
,'CCC" (vgl. DLF-Sendung 5. 7. 85).
"JHM": "Selten so gelacht. Vic, Steffen und Wau könnten sich ausschütten vor Lachen
über den Titel zu dieser Sendung. Der trifft anscheinend ins Schwarze: 'List und Lust
der Hacker'.
Die drei sind in der Compuler-Szene bekannt. Also unter den Leuten, für die der
Computer eine persönliche Herausforderung bedeutet, viel mehr ist als ein Werkzeug,
mit dem man Geld verdienen kann. Sie gehören zum hartem Kern des Hamburger
Chaos Computer Club, einer 'galaktischen Vereinigung ohne feste Strukturen' - so
jedenfalls hat der listenreiche Wau seine Initiative apostrophiert. Sternguckerei geteilt
duch Selbstironie ergibt einen Wirklichkeitssinn, der vieles vereinbar erscheinen läßt;
Liebe zur Logik und Spaß am Chaos, Perfektionismus in Sachen Technik und Spieleriselfe
Mehrdeutigkeit in der Kommunikation, Anarchie und Organisation, Absurdität und Sinn.
den von den hefedien gejagtesten, d. Sazzer.) - so
bestätigt das mal wieder die alte Wahrheit, daß in
Amerika eben alles anders ist. In Berichten aus den
USA liest man von fanatischen computersüchtigen
jungen Männern, die mit zersaustem Haar und tief
eingesunkenen brennenden Augen vor dem Bedie-
nungspult sitzen, an nichts anderes mehr denken als
THE HACK (kenn ich hier aber auch, d. Säzzer) Wenn
dieses Bild einfach übernommen wird, so ist das wohl
eher ein Ausdruck einer Dämonisierung der Technik
als Ergebnis vorurteilsloser Recherche. THE HACK -
darunter verstehen Hacker die gelungene Uberlistung
eines Computersystems. Wau und seine Freunde hat-
ten ihren ersten spektakulären Erfolg Groß nur wegen
der hiedien, d. Äzzer) Ende letzten Jahres, als sie den
Computer der Hamburger Sparkasse dazu veranlas-
sen konnten. eine ganze Nacht lang in kurzen Abstän-
den eine gebührenpflichtige Seite ihres eigenen
BilÖschirmtext-Angebotes abzurufen. Wau bestätigt,
daß es allen eine diebische Freude bereitet habe,
damit der Bundespost einen gravierenden Mangel im
BilÖschirmtext-System nachgewiesen zu haben:"
" Man hat h ier gehockt und so ei nen kiel nen Hei mcom-
puter an Bildschirmtext angeschlossen und'n kleines
Basic-Programm geschrieben (in der Hackerbibel
irgendwo abgedruckt} und das machte immer 'klack-
klack, klack-klack'. Jedesmal, wenn das 'klack-klack'
machte, waren auf dem eigenem Gebührenzähler 9,97
DM mehr. Ein sehr verrücktes Geräusch. - Ich hab'
h ier gesch lafen. Und d ie ganze Nacht machte es i Immer
so 'klack-klack. klack-klack'. Ich wußte: heute hast du
'nen sehr guten, ruhigen Schlaf. Irgendwie war das
ein berauschendes Gefühl. Man horte das Geld zwar
nicht klingeln, aber es machte immer 'klack-klack'. Am
Morgen nach dem Aufstehen haben wir ausgeschaltet.
Gar nicht genau nachgeguckt, wieviel. War auf alle
Falle genug. Irgendwann muß man das ja mal ausstel-
len. Kann ja nicht ewig 'klack-klack' machen. - Wir
hatten schon 'ne gewisse Angst dabei. Das ist die
andere Seite gewesen Wir haben Überlegt, vielleicht
kommt bei zehntausend Mark 'ne große Alarmglocke
in Ulm (Btx-Zentrale, d. S ), weil das ungewöhnliche
''~1
1 - ~
1~:
0 0 0 OB
~ V~
F~6( FM ~ ~ ~
`'f Sonst like the way this Computer
makes dec;sions! " ~Creative Computing
Betrage sind, und dann rückt hier eine Horde Polizei
ein... Da die SoHware im Bildschirmtext gerade eben
so lief damals. hatten die Programmierer für solche
Spielchen wirklich keine Zeit. Unsere Befürchtungen
waren völlig unberechtigt. - Wir haben die Software
überschätzt. - Aber man muß Bildschirmtext ein Lob
machen, weil in dieser Zeit. wo der Abruf lief, nicht
ein einziger Systemabbruch passiert ist. Wir brauchten
das ganze nicht neu zu starten. Das ging alles in
einem Rutsch durch. Was wir normalerweise sonst bei
ähnlichen Arbeiten mit dem Btx-System nicht unbe-
dingt gewohnt sind."
,,Solche despektierlichen Tone hört man bei der Deut-
schen Bundespost nicht gerne, zumal Bildschirmtext
noch längst nicht den erhoben Zuspruch gefunden
hat. 1983 prognostizierte man eine Teilnehmerzahl
von 150 OOO bis Ende letzten Jahres, bis Ende 1985
sollten 400 000 Anschlüsse vergeben sein. Tatsächlich
sind erst gut 25 000 auf den neuen Informationsdienst
eingestiegen Die Hamburger Hacker, besonders Stef-
fen, sind Profis, was Bildschirmtext betrim. Aber sie
kritisieren das System als zu träge, technisch anti-
quiert, unsicher und nicht benutzerfreundlich. Den
Beweis für seine Unsicherheit gegenüber Hacker-
Angriffen konnten sie erbringen Sie hatten das schon
vorher auf einer Tagung indirekt angekündigt, waren
aber auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen.''
''Genau vier Tage vorher waren wir in Köln auf 'ner
Datenschotzfachtagung und haben von unserer Erfah-
rung mit dem System berichtet und eine Reihe von
Fehlern und Schwachen aufgezeigt. Die Leute, die da
zugehört haben, also Datenschutzbeauftragte von der
Industrie, haben das sehr nachdenklich aufgenommen.
Die Sachen die sie da gehört haben, die konnte vom
Podium kein Industrievertreter sagen, die konnte kein
Behördenvertreter sagen Auch Leute von den Daten-
schutzheauffragten haben sich im Verhältnis da noch
sehr vorsichtig geäußert. Die können nicht direkt
Softwareschwächen von IBM (Immer Besser Manuell,
d. Hetzer) beim Namen nennen oder andere Fehler so
offen aufzeigen. In deren Interesse ist es, Ruhe zu
bewahren und das hinter den Kulissen zu klären. Wir
haben ein paar Sachen einfach an die Öffentlichkeit
gebracht, die Post und Industrie in der Situation weh
getan haben.
- Wir haben die Narrenfreiheit, daß wir so was tun
können. Und werden sogar dazu eingeladen. Das als
unsere Chance und Aufgabe haben wir aber erst in
letzter Zeit begriffen: diesen Dunstschleier, der vor
der ganzen Gomputer-Szene und vor der ganzen
Computer-Welt an sich steht, einfach wegzuwischen
und reinzutreten manchmal, wenn's mal sein muß. -
Das ist jetzt schon die Formulierung dessen, was wir
tun können oder könnten - soweit wir's eben schaffen,
soweit es uns gelingt - als 'ne positive Chance. Eben
nicht nur wie kleine Kinder mit einem neuen, schönen
Spielzeug rumzuspielen, sondern auch zu Überiegen,
was das für Folgen hat und welche Möglichkeiten man
da hat. das aufzuzeigen, möglichst exemplarisch, Mög-
lichst plastisch und verständlich."
"Mit ihrer Aktion hatten die Hacker gegen Recht und
Ordnung verstoßen. Doch weil sie ohne zu Zögern
informiert hatten, keine Anstalten unternahmen, die
Gebühren einzutreiben, und glaubhaft machen konn-
ten, daß es ihnen nur um eine Demonstration ging,
verzichtete die Bundespost darauf, sie wegen einer
Ordnungswidrigkeit zu belangen, die mit bis zu 50 000
DM geahndet werden kann {hier irrt der Autor, der
Hamburgische Datenschutzbeauftragte ermittelte noch
bei Redaktionsschluß dieses Buches - d. Säzzer), Man
muß ja auch froh darober sein, daß hier Schwächen
offenbart wurden, bevor Computerkriminelle daraus
ihre Vorteile ziehen konnten Doch wer Glaubt. es wäre