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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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8KB
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238 lines
DER SPIEGEL,. W1964
_ _ ~
BILDSCHIRMREXE
- lge Spieen
Hamburger Hacker bewiesen: Das
Blideehinnte~n.System der Bun.
dospost Ist unscher. Ober Bbc wurde
die Hamburger Sparkasse mit
135 000 Mark Gebahron belastet.
Wer im gelben Hamburger Telephon-
buch unter der Namensspalte
"Werner" blättert, st5Bt auf Seite 1067
auf den seltsam vertummelten Eintrag
"Wern&lry". Wie der Unaussprechliche
- der Satz-Computer verhaspelte ein "e"
- wirklich heißt, durfte sich seit
Montag letzter Woche dem Herausgeber
des Walvers, Bundespostminister Chri-
stian Schwarz-Schilling, eingeprägt ha-
ben.
In der Nacht von Sonnabend auf Sonn-
tag hatte Steffen Werndry, 23, dem
hochgelobten Bundespostdienst "Bild-
schirmtext" (Btx) eine empfindliche
Schlappe beigebracht. Gemeinsam mit
Freunden vom Hamburger "Chaos Com-
puter Club" (CCC) forderte Computer-
Fan Werndry aus dem Btz-System der
Post sensible Daten eines anderen Be-
nutzers zutage: das besondern geschützte
Kenn- und Passwort ("usd70000") Für
den Btx-Dienst der Hamburger Sparkas-
se (Haspa).
Mit Haspa-Kenn- und -Passwort aus-
gestattet, schlüpften die Hacker gleich-
sam unter der elektronischen Tarnkappe
der Bank in den Btx-Computer: Dem
Pust-Rechner als Haspa ausgewiesen,
konnten sie sich in dem Btx-System frei
bewegen und dem Flaspa~omputer Or-
der erteilen, wieder und wieder eine mit
9,97 Mark Gebühr belastete Btx-Seite
des CCC abzurufen*.
Ergebnis: Von Samstag abend 22.00
Uhr bis 13.00 Uhr am Sonntag las der
Haspa-Computer alle drei Sekunden
eine Nonsens-Seite ("Es erfordert ein
bemerkenswertes Team, den Gilb zu-
n~ckzudrangen...") des Hamburger
Computer Clubs. Insgesamt liefen auf
diese Weise, wie die Computer-Freaks
am blontag der staunenden 0ffentlich-
keit berichteten, annähernd 135 000
Mark Gebühren wgunsten des CCC
auf.
Haspa-Vorstand Benno Schölermann
hätte "das nicht [ur möglich gehaltene.
Wiederholt hatte die Post ihren Btx-
Kunden versichert, ein Fall wie der nun
in Hamburg eingetretene sei "weit un-
wahrscheinlicher als ein Sechser im
kam
Lotto". Nun erwägt der Bank-Vorstand,
die Post ffir "etwaige Schäden, auch
Vertrauensschäden, haftbar zu ma-
chen`'.
Geschockt vom Coup der Hamburger
Hacker - die mit ihrem Btx-Trick die
Mißbrauchmoglichkeiten des Systems
demonstrieren wollten -, zeigten sich
letzte Woche auch andere gewerbliche
Btx-Kunden.
Erhard Buchholz, Organisationsleiter
beim Kölner Lebensmittel-Großhändler
Rewe, will den Hamburger Coup "sorg-
fältig studieren". Bernhard Zeller, Junst
und Geschäftsführer der Btx-Reisobera-
ter GmbH in Frankfurt, sah sich durch
die Btx-Schlappe wieder darauf gesto-
ßen, daß der Einstieg ins Breinetz jari-
stisch einem "Sprung in eiskaltes Was-
ser" gleichkomrne.
Bisher schiebt der "Staatsvertrag über
Bildschinntext" bei Kenn- und Paßwort-
Mißbrauch den Schwarzen Peter den
Btx-Anbietem w. Die Sicherungs-Co
des. so verlangt Artikel 9, Absatz 8,
müssen einen "dem Stand der Technik
entsprechenden Schutz vor unbefugter
Verwendung bieten": Wurde etwa von
einem "Spaßvogel" über Btx, so Zellers
Horror-Vision, ein JumbmJet komplett
ausgebucht, der dann am Reisetag leer
auf dem Rollfeld steht, ist es Sache des
Reiseveranstalters' zu beweisen, daß ihn
keine Schuld an der Trickbuchung trifft..
Die Post sucht ihre gewerblichen Kun-
den zu beruhigen. Man arbeite, verlaute-
te aus dem Bundespostministerium, "ge-
meinsam mit Fachleuten" daran, die
Bt~-Sicherheit "noch weiter zu erhm
hen". Die Hamburger Schlappe, be-
lcennt Postdirektor Bodo Frahm vom
Bundespostministerium? habe -sehr weh
getan".
Die Postler schmerzt es, daß ihr neues
Kommunikationsnetz just in der emde
findlieben Startphase getroffen wurde:
Seit dem 18. Juni dieses Jahres wird Bt~c
bundesweit angeboten. Mit dem System,
so die Hoffnung der Post' wurden die
Bundesbürger den ersten Schritt in die
elektronische Kommunikationsgesell-
schaft vollziehen.
Vor gut zehn Jahren in England als
"Viewdata" entwickelt, koppelt Btx den
heimischen Fernsehapparat an das fla-
chendeckende Telephonnetz der Post.
Ein Modem genanntes Zusatzgerat (ein-
malige Anschlußkosten: 55 Mark) holt
die über Telephonleitung korumenden
Datensignale herein, ein Zusatzteil
("Decoder") im Fernsehgerat (Preis:
über 1000 Mark) verwandelt sie in
Schnft und Graphik-Bilder auf dem TV-
Schirrn.
Ein zentraler Computer in Ulm sowie
spezielle Rechner in Ballungsgebieten
wie Berlin, Frankfurt, Hamburg und
München steuern den bundesweiten Da-
tenfluB: Fahrplane und Borsenkurse,
Kurznachrichten und Veranstaltungshin-
weise, Sonderangebote und Wetterinfor-
mationen kÖnnen in Sekundenschnelle
auf den TY-Schirm gerufen werden.
Banken ermöglichen ihren Kunden Zah-
lungsanweisungen Über Btx, Versand-
häuser locken mit elektronischer Waren-
bestellung, Reisebüros beraten via Btx
den Kunden zu Hause am Bildschirm.
Mittelstandische Unternehmen, Arz-
te, Apotheker und Buchhandler, aber
auch private Btx-llutzer, so hoffte die
Post, wurden das System Seiner Lawine
gleich unaufhallharn weiterwachsen las-
sen". Doch schon die Btx-Versuchspha-
se von Juni 1980 bis August 1983 in
West-Berlin und Dusseldor~enss
dampfte die hochgesteckten Er~vartun-
gen: Kritilcor empfanden den Postdienst
als "enttäuschend" und bemangelten das
Btx-Angebot: es sei "unzureichend, ja
weitgehend langweilig".
Hohe Kosten - private Btx-Nutzer
halsen sich etwa 3000 Mark, gewerbliche
Btx-Kunden über 70 000 Mark Gerate-
kosten auf - und anisangliche technische
Mangel sorgten zusatzlieh dafür, daß die
Nachfrage schleppend blieb. Derzeit
sind etwa 19 000 Teilnehmer (davon
3000 Anbieter) angeschossen - eine
Zahl, die in Kreisen der Wirtschaft als
Gleich Null" gilt. Um gewerbliche Btx-
Nutzer zu ködern, hatte die Post 150 000
Btx-Kunden zum Jahresende 1984 vor-
ausgesagt.
Zu der Skepsis über die wirtschaftliche
Entwicklung gesellte sich die Sorge über
die Btx-Technik, deren Schwierigkeits-
grad Minister Schwarz-Schilling mit dem
eines "Mondlandeunternehmens" ver-
glich. -Die Technik", so Bernd Hent-
schel von der Gesellschaft Er Daten-
schntz und Datensicherung, "ist die
Tüclce des Objekts." Mit Btx, warnten
Experten, entstehe in der Bundesrepu-
blik ein weites Feld für Datenpiraten.
Nicht Datenpiraten, wohl aber "Robin
Hoods im Datennetz", so Chaos-Spre-
cher Herwart ("Wau") Hoüand, haben
nun Btx-Benutzer und -Anbieter verun-
sichert. Eltx-Kunden, so die "Welt`', fra-
gen sich, ob statt "eines Paar Ski aus
dem Versandbaus" womöglich "zehn
oder hundert Paar'` ins Flaus kommen.
· Beim Btx~ystem stellen die "Anbieter" Infonna-
tions-,,Seiten" in Form stehender FemseLbiJder be-
reit, etwa Versandhaus-Angebote, Rcise-Offcrten
oder auch Warentest-laformationen. FÜr jede vom
Nutzer abgerufene Seite kann der Anbieter ~cbuh
ren berechnen, pro Seite bis zu 9,99 Maric.